Die (vielleicht nicht so) böse Steuererklärung

Monika Bütler

Die GLP fordert, dass auch Schweizer und Schweizerinnen in den Genuss der Quellensteuer kommen sollten.(Nachtrag: Die Einführung der Quellensteuer wird im Juni 2015 auch im Kanton Basel-Stadt diskutiert). Grund des Vorschlags: Das Ausfüllen der Steuererklärung ist mühsam (ja!) und ist vor allem für Personen mit kleineren Einkommen unverhältnismässig. Das ist wohl so.

Die GLP hat sich in liberaler Manier dafür ausgesprochen, dass die Arbeitnehmer(innen) selber wählen dürfen, ob sie Quellen-besteuert werden wollen oder die Steuererklärung nach konventioneller Manier ausfüllen möchten.

Mein Bauchweh mit dem Vorschlag: Die empirische Forschung zeigt in überwältigender Weise, dass die Sichtbarkeit der Steuern („Salience“) einen Enfluss auf die Höhe des Steuersatzes hat. Einen negativen. Je sichtbarer („salient“) die Steuer, desto grösser der politische Druck, den Steuersatz tief zu halten. Denn leider sind die meisten Menschen nicht ganz rational. Wir tendieren dazu die Steuern zu unterschätzen, wenn wir sie nicht direkt bezahlen müssen.

Einige Beispiele:

a) Die Konsumsteuer: Das Verhalten der Konsumenten unterscheidet sich, je nachdem ob die Konsumsteuer im Preis inbegriffen ist oder nicht. Das Papier enthält im übrigen noch weitere hochinteressante Beispiele sowie eine Theorie der Sichtbarkeit von Steuern.

b) Strassengebühren: Werden die Gebühren elektronisch erhoben – das heisst so, dass sie die Autofahrer nicht jedes mal direkt sehen können, wenn sie eine Bezahlstation passieren – liegen die Gebühren um etwa 20-40% höher im Vergleich zu einer manuellen Bezahlung.

c) Ein besonders spannendes Beispiel ist die US amerikanische property tax (eine Art Grundsteuer, die sich am Wert des Grunstücks/Immobilie misst und die auf Gemeindeebene erhoben wird): Als sichtbarste Steuer wird sich am vehementesten bekämpft. Die Autorinnen erwähnen sogar Steuerrevolten. Dies obwohl die meisten Amerikaner viel viel mehr Einkommenssteuern als property tax bezahlen.

Nun kann man natürlich argumentieren, dass der Vorschlag auf Freiwilligkeit basiert. Doch auch hier gibt es einen Haken: Bei freier Wahl der Art der Steuererklärung dürfte die administrative Belastung für Steuerämter und vor allem für die Arbeitgeber eher steigen als sinken. Die Gefahr besteht, dass die Freiwilligkeit nur der erste Schritt zu einer obligatorischen Quellensteuer ist. Ganz verschwinden wird die Steuererklärung allerdings nie, weil familiäre Verhältnisse und Sonderabzüge (sei es nur für karitative Spenden) mit der Quellensteuer nicht abgebildet werden können.

Es gibt noch einen weiteren Grund gegen die (obligatorische oder freiwillige) Quellensteuer: Die Steuergerechtigkeit. Die Quellensteuer bevorzugt wieder einmal die Schlaueren und Informierteren, die wissen, unter welchen Umständen sich (trotz Quellensteuer) ein Ausfüllen einer Steuererklärung lohnt. Die Daten aus den USA zeigen, dass gerade die weniger gut gebildeten und fremdsprachigen sich scheuen, eine Steuererklärung auszufüllen, auch wenn sie mit Rückzahlungen rechnen dürften. Insofern lohnen sich vielleicht sogar die geringen Investitionen ins Steuererklärungsausfüllen in der Jugend in der Schweiz.

Fazit: Ein geringerer Druck, die Steuern tief zu halten, müsste eigentlich die Linke freuen (und nicht die GLP). Die administrativen Vereinfachungen für den einzelnen sind klein, für die Steueradministration und die Arbeitgeber dürfte es nicht einfacher werden. Und zu guter letzt hilft ein bischen Steuerformularfitness auch der Steuergerechtigkeit. Gescheiter wäre es im übrigen, die Steuererklärung für alle zu vereinfachen.

PS: Ich habe 4 Jahre lang Steuern in den Niederlanden bezahlt, Quellensteuern. Da ich damals Öffentliche Finanzen unterrichtete, füllte ich sozusagen im Selbstversuch dennoch die Steuererklärung aus. Und habe jedes Jahr einen stolzen Betrag zruück erhalten, obwohl ich als Single und nahe bei der Uni wohnend kaum Abzüge machen konnte.

Pauschalsteuer: Neues aus dem Baselbiet

Marius Brülhart

Irgendwann in den nächsten zwei Jahren werden wir über die landesweite Abschaffung der Pauschalsteuer abstimmen. Dabei geht es, wie die Botschaft des Bundesrates trefflich festhält, um eine Güterabwägung im „Spannungsfeld zwischen Standortattraktivität und Steuergerechtigkeit“.

Dass die Steuergerechtigkeit mit der Pauschalsteuer verletzt wird, anerkennt auch der Bundesrat. Ausländern werden gegenüber gleich reichen Schweizern Steuerprivilegien offeriert. Das läuft der horizontalen Steuergerechtigkeit („gleiche Behandlung Gleicher“) zuwider. Und reiche Ausländer kommen dank der Pauschalbesteuerung in den Genuss von tieferen Steuersätzen als weniger reiche, nicht pauschalbesteuerte Personen. Somit wird auch der vertikalen Steuergerechtigkeit (progressive Steuerbelastung) nicht entsprochen.

Angesichts der ethischen, steuersystematischen und möglicherweise aussenpolitischen Makel der Pauschalbesteuerung wird das rein ökonomische Kalkül matchentscheidend. Lohnt sich dieses System für uns, in harten Franken und Rappen ausgedrückt, derart, dass wir seine etwas abstrakteren Schönheitsfehler in Kauf zu nehmen bereit sind?

In der ökonomischen Betrachtung kommt den Steuereinnahmen zentrale Bedeutung zu. Es geht darum, ob und in welchem Ausmass diese bei einer Abschaffung der Pauschalsteuer sinken würden. Niemand wird bestreiten, dass viele der knapp 6’000 Pauschalbesteuerten dank dem Steuerprivileg in die Schweiz gezogen sind. Ebenso unbestritten ist, dass gewisse Pauschalbesteuerte auch ohne fiskalische Vorzugsbehandlung hier wohnen würden, und die Aufwandbesteuerung quasi als ungefragtes Geschenk dankend annehmen (der Ökonom spricht von Mitnahmeeffekten). Je höher der Anteil ersterer Steuerzahler, d.h. jener, die ohne Pauschalsteuer nicht in der Schweiz wohnen würden, desto höher die Steuerausfälle nach einer allfälligen Abschaffung.

Die Erfahrung des Kantons Zürich deutet darauf hin, dass die Pauschalbesteuerten gar nicht so mobil sind wie oft angenommen. Die Abschaffung der Pauschalsteuer war aus Sicht der Zürcher Steuereinnahmen in etwa neutral, denn die zusätzlichen Einnahmen auf verbliebene ehemals Pauschalbesteuerten machten die wegzugbedingten Steuerausfälle ziemlich genau wett.

Nun haben wir auch erste Angaben zum Kanton Baselland, wo die Pauschalbesteuerung seit Anfang dieses Jahres nicht mehr gilt. Die Fallzahlen sind so klein, dass man sich vor Verallgemeinerungen hüten muss. Von 16 ehemals Pauschalbesteuerten sind bisher 8 ins Ausland oder in einen anderen Kanton weggezogen. Wie sich das auf die kantonalen Steuereinnahmen auswirkt, wird man erst im Frühjahr 2014 wissen. Aber bereits jetzt kann man festhalten, dass es erstaunlich ist, dass offenbar ein geraumer Anteil der betroffenen Personen dem Baselbiet die Stange hält. Baselland ist nämlich umgeben von Kantonen mit tieferer Steuerbelastung (plus intakter Pauschalbesteuerung!). Zudem hat Baselland im Einkommensbereich zwischen 500’000 und 1 Million Franken die vierthöchste Grenzsteuerbelastung der Schweiz (s. hier, Seite 16), und auch die Vermögenssteuersätze sind relativ hoch (Seite 51).

Falls also sogar im Kanton Baselland, mit seinen nahe gelegenen steuerlich attraktiveren Alternativdestinationen, ein Drittel bis die Hälfte der Ex-Pauschalbesteuerten nicht wegzieht, dann ist es schwer vorstellbar, dass im Falle eine landesweiten Abschaffung mehr als die Hälfte der Pauschalbesteuerten abwandern würde. Aber die Abschaffung der Pauschalsteuer führt gemäss meiner groben Schätzung erst bei einer Abwanderungsrate von über 50% zu Netto-Steuerausfällen.

Die Baselbieter Zahlen liefern somit einen weiteren kleinen Hinweis darauf, dass die Pauschalsteuer nicht das Bombengeschäft ist, für welches sie oft gehalten wird.

Teure Eigenmittel, billige Wissenschaft

Urs Birchler

Der unbedingte Glaube, Eigenmittel seien für die Banken teuer (im Vergleich zu Fremdmitteln, d.h. Schulden) kommt mehr und mehr ins Wanken. Das Buch The bankers‘ new clothes von Martin Hellwig und Anat Admati hat einem weiteren Leserkreis klar gemacht, dass es sich um einen Aberglauben handelt. In der Schweiz drängen SP und SVP denn auch auf strengere Eigenmittel-Anforderungen.

Jetzt bekommen die Banken Hilfe aus Wissenschaft und Presse. Schon im April lancierten Harry de Angelo und René Stulz ein Working Paper, in welchem sie die These von den teuren Eigenmitteln verteidigen. Das Argument: Bankeinlagen sind beim Publikum wegen ihrer Liquidität geschätzt, deshalb kosten sie die Banken weniger als Eigenmittel. Bereitwillig ist The Economist in der letzten Ausgabe unter dem Titel („Capital Punishment“) aufgesprungen und titelt: „Forcing banks to hold more capital may not always be wise“.

Die Bankenvertreter werden es mit Genuss gelesen haben. Sie hätten aber das Original-Papier lesen müssen. Dort passt nämlich einiges nicht zusammen. Beispiel: de Angelo und Stulz nehmen in ihrem Modell an, dass die Banken risikolose Portefeuilles halten. Wenn die Banken aber risikolos sind, so können sie sich natürlich problemlos zu 100% mit Fremdmitteln (Einlagen) finanzieren. Ein Schiff, das auf dem Trockenen steht, braucht auch keine Rettungsboote. Dass die Banken in Wirklichkeit nicht risikolos sind, müsste sich zwar herumgesprochen haben. Und, dass sie gerade dann, wenn sie wenig Eigenmittel haben, d.h. stark fremdfinanziert sind, gerne hohe Risiken eingehen, käme dann noch dazu.

Eine ausführlichere Kritik des Modells von de Angelo und Stulz muss ich meinen Fachkollegen überlassen. Aber soviel sei festgehalten: Offenbar ist es schwierig (wenn nicht unmöglich), ein solides Argument zugunsten der teuren Eigenmittel zu führen. Wenn es René Stulz nicht schafft (er ist einer der renommiertesten Finance-Professoren und war lange Herausgeber des Journal of Finance), wer dann?

Die Behauptung, Eigenmittel seien teuer, bleibt daher einstweilen, was sie war: eine — ziemlich leere — Behauptung.

Zürich spart

Urs Birchler

Wie die Presse meldet, hat Zürich kein Geld, um die Wanderwege am Uetliberg zu unterhalten. Erste Zweifel keimen aber bereits am Fuss des Zürcher Hausbergs, genauer: bei der Tramschleife Laubegg. Diesen Sommer war diese — mit Budget-Mischung besät — vielleicht die schönste Tramschleife Zürichs (erstes Bild). Leider war dies offenbar zu billig. Nach mehrwöchigen Bauarbeiten prangt die Schleife (zweites Bild) in neuem Schmuck aus Kies und vorbereiteten Mini-Pflanzbeeten, das Ganze umrahmt mit einer Reihe von Steinen, die zwar offenkundig nicht von Zen-Mönchen gesetzt wurden, aber dennoch auch auf der Rechnung stehen dürften.

Ästhetisch dürfen wir nicht vor nächstem Sommer urteilen. Polit-ökonomisch vermuten dürfen wir bereits jetzt: Die Sparübung am Uetliberg riecht nach Alibi. Verwaltungen versuchen ihre Gesetz-(und Geld-)geber gerne unter Druck zu setzen, indem sie dort sparen, wo es sichtbar ist und weh tut, damit das Geld für weniger Nützliches weiter sprudelt.

Überhaupt: Wollte die Stadt nicht Gemüse in die Tramschleifen pflanzen? Die Kiesschleife Laubegg sieht jedenfalls nicht danach aus. Drum suchte ich im Internet. Und fand Unerwartetes: Meinen Suchbefehl „grün zürich gemüse tramschleifen“ beantwortete Google mit einer poetischen Gegenfrage: „Meinten Sie ‚grün zürich gemüse traumschleifen‚?“

In diesem Sinne: Gute Nacht!

LaubeggVor
LaubeggNach

Mehr als Bratwurst und Cervelat

Monika Bütler

Die gestrige SF (Abstimmungs-)Arena zu den Tankstellen war ja ziemlich bedrückend. Bundesrat Schneider-Ammann wirkte total eingeschüchtert (weshalb hat man denn dem armen Mann nicht noch eine zweite Stimme zur Seite gestellt?). Mindestens hatte er gut argumentierende Hinterbänkler. Die Tankstellenchefin Susanna Gubelmann war grandios; bodenständig und schlau: „Wie um Himmels Willen erkläre ich jemandem, dass er zwar 7 Weggli aber keinen Zopf kaufen darf?“.

A propos: Himmels Wille ist offenbar, dass Sonntags- und Nachtarbeit für die Kirche edel, für alle anderen hingegen pfui ist und deshalb verboten werden muss. So etwa die Kurzfassung der gegnerischen Argumentation. Gelernt habe ich auch, dass es offenbar zwei Arten von Menschen gibt: Arbeiter und Konsumenten (oder neudeutsch: Arbeitende und Konsumierende). Oder, etwas anders interpretiert, dass mein arbeitendes ich vor meinem konsumierenden ich per Gesetz geschützt werden muss. Fragt sich nur, wer genau den Schutz bestimmt. Die Gegner der Vorlage wussten es.  Das mit der Kirche als moralischen Kompass hatten wir übrigens früher schon mal. (Bevor ich böse emails erhalte: Ich habe gar nichts gegen die Kirche, ich stamme aus einer katholischen Grossfamilie, zu der auch die erste Schweizer Heilige gehörte).

Es geht zwar in der Vorlage nicht um Sonntags- oder Nachtarbeit, sondern um die Korrektur einer ziemlich unsinnigen Einschränkung des Angebots in der Nacht. Es ist aber durchaus angebracht, den grösseren Kontext der Vorlage anzuschauen. Leider hat dies Bundesrat Schneider-Ammann versäumt. Die Diskussion über die Länge der Ladenöffnungszeiten und die Rolle des Sonntags (als Ruhetag) ist wichtig. Und entgegen aller Vorurteile sind nicht einfach alle Ökonomen partout für unbeschränkte Öffnungszeiten der Läden. Ich erinnere mich an den Vortrag meines Berliner Kollegen Michael Burda (übrigens amtierender Präsident des Vereins für Socialpolitik, des Vereins der deutschsprachigen Ökonom(inn)en). Er wollte eigentlich zusammen mit seinem Brüsseler Kollegen Philippe Weil zeigen, dass die Einschränkung der Ladenöffnungszeiten – songenannte Blue Laws – volkswirtschaftliche Kosten hat.

Herausgekommen ist etwas differenzierteres: Die Blue Laws reduzieren zwar (a) die relative Beschäftigung in einer Volkswirtschaft, erhöhen aber (b) auch die Löhne der Beschäftigten und deren Produktivität und führen (c) erst noch zu tieferen Verkaufspreisen.

Auch andere Studien nehmen sich der Blue Laws an. So finden Yu und Kaffine, dass die Aufhebung des Verbots, am Sonntag Alkohol kaufen zu können, die Alkohol-bedingten Unfallzahlen nicht beeinflusst hat. Hingegen finden Gerber, Gruber und Hungermann, dass die Aufhebung des Verkaufsverbots am Sonntag zu einem doch recht starken Rückgang der Kirchenbesuche führt. Honi soit qui mal y pense. Die Vertreter der Kirche und der linken Parteien haben bestimmt einen viel edleren Grund, das Sonntagsverkaufsverbot beizubehalten: die Sorge um die Stimmbeteiligung. Gerber, Gruber und Hungermann finden nämlich, dass die Stimmbeteiligung unter den Sonntagsverkäufen litt (über den weniger häufigen Kirchenbesuch). Womit wir wieder bei den Abstimmungen wären.

Sparsocken

Unser Jüngster spielt Fussball bei den E-Junioren. Nach dem letzten Match entspann sich folgende E-Mail-Korrespondenz (Namen geändert, Text original):


Liebe Eltern
befindet sich in einer Club-Tasche Antons zweite grüne Stulpe sowie darin eine schwarze Angry Birds-Socke?


Hallo
Boris vermisst folgendes:
– Trainingsjacken
– Stulpen
– Trainings-T-Shirt


Carlo vermisst:
– grüne kurze Club-Hose (ohne Namen).
Carlo hat übrig:
– Club-Regentrainerjacke (ohne Namen).


Der real existierende Realtausch ist offensichtlich selbst dann mühsam, wenn die Bedürfnisse eigentlich gegenseitig übereinstimmen müssten (double coincidence of wants).

In den Wirtschaftslehrbüchern wird mit der Mühsal der Tauschwirtschaft gerne die Existenz des Geldes als Tauschmitel erklärt. Wie kommt — ohne Geld — der Friseur zu seinem Braten, wenn der Metzger kahl ist? Oder die Socke wieder zur Stulpe?

Jetzt bin ich plötzlich nicht mehr sicher. Im vorliegenden Fall würde Geld als Tauschmittel wenig nützen. Seine Stärke liegt daher wohl eher in der Wertaufbewahrung. Dazu eignet es sich besser als eine gebrauchte Angry Birds-Socke. Drum ist der stabile Geldwert so wichtig. Und drum haben Währungen, die morgen alles oder nichts wert sein können, wie die Bitcoins keine wirkliche Chance. Jedenfalls nicht gegen stabile Währungen. Wenn natürlich die grosse Hyperinflation kommt, dann liegt die Währung von morgen vielleicht heute schon in Mutter Shaqiris Sockenschublade.

Banking Union in der Schweiz

Ich war am Montag nicht in erster Linie wegen des (Wintermantels) in Wien, sondern für ein Referat bei Erste Bank zum Thema „European Banking Union — a Swiss Perspective“. Dazu wurde sogar ein Trailer gedreht:

Hier die Kurzfassung:

In der Schweiz sind die politische Union (1848) und die Währungsunion (1848: Münzen; 1907: Banknoten) zuerst erfolgt. Anschliessend folgte über einen längeren Zeitraum (1834-2011) verteilt die „Bankenunion“ (zentrale Aufsicht, einheitliches Sanierungsrecht, harmonisierte Einlagenversicherung). Das Beispiel Schweiz zeigt, dass für eine erfolgreiche Bankenunion nicht nur das Konzept stimmen muss, sondern, dass der Erfolg im Detail liegt.

Wichtig für die EU-Staaten wären insbesondere das Konkursprivileg für Bankeinlagen und die Möglichkeit zur Zwangssanierung einer Bank unter Einbezug der Aktionäre und Gläubiger. Die diesbezügliche Gesetzgebung in der Schweiz bietet zahlreiche Anhaltspunkte, wie die Bestimmungen im einzelnen gestaltet werden müssten.

Zollunion CH-EU

Urs Birchler und Monika Bütler

Erster Akt. Flughafen Wien Schwechat, Terminal 3. Zwei Stunden bis zum Abflug nach Zürich. Im Handgepäck mein neuer Wintermantel. Da wir immer brav verzollen, möchte ich auch die „Detaxe“ (offiziell: Mehrwertsteuer-Rückerstattung) geltend machen. Darf man aber erst nach erfolgtem Check-in. Check-in ist weiter kein Problem, ausser dass ich den Koffer nicht abgeben darf, bevor die Steuerrückerstattung geregelt ist. Der Hinweis, dass ich die „Ware“ (ein fades Wort für meinen dunkelblauen Mantel) im Handgepäck habe, sticht nicht. Der Koffer muss zum Zollschalter und geht dann von dort direkt weiter nach ZRH.

Zweiter Akt. Am Zollschalter stehen zwei Dutzend nahöstliche Familien mit Bergen von Gepäck in der Warteschlange. Der Beamte, mit einer Hand am Telefon, stempelt geduldig ganze Bündel von Kaufquittungen. Nach 20 Minuten trotzdem noch kein Zentimeter weiter. Monika, als fast einzige Frau unverschleiert, macht ein besorgtes Gesicht. Daher Plan B: Im Terminal 1 hat’s auch einen Zollschalter.

Dritter Akt. Am Schalter in Terminal 1 kommen wir gleich dran. Nur: Hier können wir den Koffer nicht lassen, da er von Terminal 1 nicht nach ZRH kommt. Es gebe aber einen Zollschalter auch nach der Passkontrolle. Daher Plan C: Zurück zum Terminal 3, den Koffer halt doch einchecken und mit dem Handgepäck an den Zoll-Schalter hinter der Passkontrolle. Bis zum Einsteigen bleiben immer noch 30 Minuten. Sicherheitskontrolle mit Fehlalarm bei Monika. Bitte dahin stehen, gnädige Frau. Bitte Arme heben, etc. Zollschalter zwei Treppen höher.

Vierter Akt. Ein Beamter in bester Laune (er durfte grad frisch von der Nahost-Schlange an den ruhigeren Schalter wechseln) drückt den begehrten Stempel aufs Formular: Gleich nebenan erhalten Sie das Geld. Voreilig beglückt warten wir, bis am Auszahlungsschalter die Dame mit dem Kollegen auf Ungarisch fertig geredet hat. Immer noch 20 Minuten bis zum Einsteigen. Bis alles kontrolliert ist, bleibt Zeit, die Wechselkurstabelle zu studieren: Zwischen An- und Verkauf klafft eine Differenz von rund 30 Prozent. Zum Glück sind wir nicht zum Wechseln hier. Dachten wir jedenfalls. Die Dame will uns nämlich Schweizer Franken oder US-Dollars auszahlen: In Euro hätten sie eine Cash-Limite. Ist der Euro nicht offizielles Zahlungsmittel in Österreich? Bloss: Wie sollen wir das Recht auf Euro einklagen, ohne den Flieger zu verpassen? In der Zwischenzeit ist’s nämlich noch zehn Minuten bis zum Einsteigen. Gutschrift auf Kreditkarte? Ja, gerne. Nur dauert das weitere 5 Minuten.

Vierter Akt. Endlich ausbezahlt möchten wir gerne zum Gate. Jetzt platzt die Bombe: Da müssen Sie wieder aus der Flughafenzone raus und nochmals durch die Sicherheitskontrolle. Und wo lang bitte? Da zwei Treppen runter. Nichts wie los, nur leider Sackgasse. Zum Glück treffen wir auf eine Beamten. Wie kommen wir zu den F-Gates bitte, Einsteigen ist in 5 Minuten? Das können Sie gleich vergessen!

Fünfter Akt. Nach einem weiteren Fehlalarm bei der Sicherheitskontrolle (diesmal piepst’s bei mir) haben wir den Flieger im Schweisse nicht nur des Angesichts noch erwischt. Zum Glück wurden wir nicht als Schmuggler entlarvt, denn streng genommen hatte ich doch beim vorübergehenden Verlassen der Flughafenzone meinen neuen Wintermantel, ohne ihn zu verzollen, für kurze Zeit zurück nach Österreich eingeführt.

Per Saldo: 13% österreichische MWst gespart, 8% Schweizer Zoll bezahlt, für die esparten 5% (und das gute Gewissen) eineinhalb Stunden herumgeirrt, dass selbst Franz Kafka gestaunt hätte, und schliesslich noch fast den Flieger verpasst. Dazu die Arbeitszeit all derer, durch deren Hände die Formulare gehen. Volkswirtschaftlich ein sicheres Verlustgeschäft. Schmuggeln wäre billiger!

Drum unsere Folgerung: Zollunion mit der EU! Für Artikel bis 2’000 Franken am besten sofort. Die Schweiz übt sich dumm und dämlich, um mit der EU bezüglich Abgeltungssteuern auf verwalteten Vermögen oder einen Informationsaustausch ins Reine zu kommen, sie hofft auf ein Dienstleistungsabkommen, sie übernimmt laufend Regulierungen — aber das Einfachste geht vergessen: Ein Schengen-Abkommen nicht nur für Personen, sondern auch für Güter.

Batz.ch erteilt deshalb dem Bundesrat ein Verhandlungsmandat. Mal sehen, ob mein Wintermantel den Abschluss noch erleben wird.