Service Privé

Monika Bütler und Urs Birchler

Reisen in der Schweiz. Da und dort trifft man auf den stillen Abbau des Service Public. Wir möchten (nur mit Rucksack) von Arosa nach Davos wandern und dann mit der Bahn weiter nach Muottas Muragl. Eine Tasche mit Reservekleidern soll schon mal per Bahn voraus. Nur befördert die RhB Reisegepäck nicht mehr zur Muottas Muragl Bahn (weder Berg- noch an die RhB-Talstation Punt Muragl); ja nicht einmal mehr zum Bündner Bahnknotenpunkt Filisur.

Samedan wäre im Angebot. Nur: die kurze Umsteigezeit erlaubt dort kein Abholen. Da springt der Bahnhofvorstand von Samedan grosszügig ein und offeriert, die Tasche aufs Perron zu bringen. Man müsse dann nur kurz vorher anrufen. Das macht die geplante Reise wieder möglich. Als der Zug verspätet ist, ruft der Stationsvorstand seinen Kollegen bei der Muottas-Muragl-Bahn an, es käme eine Familie etwas knapp, man möge doch notfalls mit der Abfahrt eine Minute warten.

Auf dem Rückweg hätten wir die Tasche gerne über Nacht am Bahnhof Filisur eingestellt. Doch: Der nur noch halb-bemannte Bahnhof (bei dem sich immerhin drei Linien kreuzen) bietet keine Gepäckaufbewahrung mehr. An Stelle des Service Public tritt aber wiederum ein freiwilliger Service Privé: Die Betreiberin des Bahnhofcafé, die auch die Billete verkauft, erlaubt uns, den Koffer eine Nacht neben dem Kühlschrank zu lagern.

Die private Flexibilität und der Sinn für pragmatische Lösungen kompensieren Lücken im offiziellen Angebot. Vielleicht ist es — so der Schluss aus unserer Wanderung — dieser Service Privé, der die Schweiz im innersten zusammenhält. Wieviel Abbau des Service Public er verträgt, bzw. kompensieren kann, ist allerdings die andere Frage.

Jedenfalls: Danke an die RhB, den Bahnhof Samedan (insbesondere Herrn Marco Kollegger) und ans Bahnhofcafé Filisur — mit den gemütlichen Tischen unter dem romantischen Vordach allein schon die Reise wert. (Ab ZH stündlich in 2h24, inbegriffen die Fahrt über den Landwasser-Viadukt).

One thought on “Service Privé

  1. Im Service-Vergleich mit Deutschland muss man sagen, dass dort mangels Kontaktdaten im Vorfeld keine Abklärungen per Telefon möglich wären.

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