Abzocker-Blues

Urs Birchler

Vor fünf Tagen habe ich mich durchgerungen, ein NEIN zur Abzockerinitiative einzulegen. Und jetzt das: 72 Mio. für ein Konkurrenzverbot. Gleich wohl meine ich: Durchatmen. Nüchtern Überlegen. Das bedeutet für mich:

  • Eine Corporate Governance, die zu diesem Resultat führt, ist pathologisch.
  • Der Wettbewerb im Pharmabereich scheint nicht zu spielen.
  • Die Abzockerinitiative verhindert keine Zahlung für Konkurrenzverbote und löst auch die erstgenannten beiden Probleme nicht.

Die Abzockerinitiative bleibt für mich eine Symptomtherapie, welche den ehrlichen Unternehmen das Leben schwer macht und von den unehrlichen umgangen wird. Wenn wir sie annehmen (wonach es wohl aussieht), geht es uns 24 Stunden lang besser. Viel gescheiter wäre: Parallelimporte ab sofort zulassen. Und dann nochmal über Corporate Governance in der Schweiz nachdenken.

7 thoughts on “Abzocker-Blues

  1. Versuchen… das ist auch der Grund warum Corporate Governance es so schwierig hat. Mit verklebten Augen wuselt und wurstelt der Schweizer rum. Er versucht statt zu Denken. Und scheitert dann kläglich an seiner eigenen Dekadenz. Alles in der Hoffnung doch wieder so leben zu können wie früher, wie ein respektabler Uhrmacher oder ein grosser Landwirt. Die unehrlichen realisieren diesen blindmachenden Wunsch schnell und nutzen es aus. Heute sind viele Bauern im Konzern. Nur gemolken wird höchstens das eigene Mitleid. Dabei fehlt es doch nur an einem: Etwas Disziplin und Einsicht dass man in der CH 99% KMUs hat.

  2. „…welche den ehrlichen Unternehmen das Leben schwer macht und von den unehrlichen umgangen wird. “

    Damit kann jedwede (!!) Regelung verneint werden. Das ist kein Argument, das ist gar nix.

  3. „Die Abzockerinitiative verhindert keine Zahlung für Konkurrenzverbote und löst auch die erstgenannten beiden Probleme nicht.“

    Da bin ich ganz anderer Ansicht

    1. Nur Verfassungstext, Gesetz folgt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Fall Vasella dazu führen wird, dass genau dies unter „andere Entschädigungen“ (Initiativtext) subsumiert wird im Gesetz.

    2. Dieser Vertrag mit Vasella ist offensichlich ein Bubentrickli. Wenn man Jemanden entlässt und ihm dann eine juristische Sekunde später einen Beratervertrag anbietet, könnte das als Umgehung von 1. aufgefasst werden.

    Siehe auch Interview mit Prof. Geiser, HSG auf SRF am Sonntag, 17.2

    Ich hoffe, die Initiative wird wuchtig angenommen am 3.3, sonst wird sich wenig ändern über Jahre in der Schweiz.

  4. Herzlichen Dank! Ich bin ebenfalls der Meinung, dass die Initiative nur die Symptome behandelt. Der Wettbewerb spielt in der Pharmaindustrie zu wenig wegen des starken Lobbyings. Hier müsste man ansetzen: Konsequente Nicht-Wahl von Politikern mit Beziehungen zu dieser Industrie. Ähnliches gilt doch auch für die Banken: Durch die Staatsgarantie und die Möglichkeiten der Geldschöpfung sind erst solche Exzesse möglich meiner Meinung nach.

    Spielt der Markt, wäre zu hoffen, dass bald ein Umdenken bei der Anstellung von Managern erfolgt – ausgelöst durch neue Prioritäten durch Konsumenten. Angesichts heutiger Probleme haben Unternehmen, die nicht nur das Ziel der Gewinnmaximierung verfolgen, sondern auch soziale und umweltfreundliche Ziele haben, je länger je mehr Imagevorteile.

    Ob ein Manager, den man mit Millionenboni ködern muss, damit er arbeitet und vor allem später nicht gegen die Firma arbeitet, tatsächlich solche Ziele teilt und verfolgt, ist doch sehr zu bezweifeln….

    Trotzdem denke ich, dass eine Annahme der Initiative sehr wahrscheinlich ist – stossen die „Abzocker“ das Volk ja beinahe täglich immer wieder vor den Kopf (Novartis, UBS, Credit Suisse). Welche Folgen das haben wird, wäre bestimmt sehr interessant zu beobachten. Würden wirklich plötzlich Firmen auswandern? Würden Aktionäre sich gegen den VR stellen? Ich glaube, es ist sehr schwierig vorauszusagen. Aber dass die Schweiz sich spaltet – daran glaube ich nun wirklich nicht 😉

  5. Noch als Nachtrag zu oben „…und löst auch die erstgenannten beiden Probleme nicht.”“

    Schon nur wegen Einheit der Materie kann Minders Initiative nicht alles lösen, Minder jetzt mit hohen Pharmapreisen in Verbindung zu bringen finde ich nun unfair, dafür kann er nichts. Der Gegenvorschlag löst das sicher auch nicht.

    Die bürgerliche Mehrheit, allen voran die CVP, haben hier geblockt wegen der Pharmalobby. Wenn diese Mehrheit es wirklich möchte, könnten alle Wettbewerbsbeschränkungen in der Pharmabranche rasch fallen…

  6. Die Frage der Wirksamkeit hängt meiner Meinung zum Teil auch mit der Frage zusammen, wie weit eine GL/VR durch ihre Entscheide das Aktionariat „steuern“. Zieht eine Novartis UBS etc. Aktionäre an, die sich nicht um hohe Boni etc. kümmern?

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