Nobelpreisträger und die HIV/AIDS Epidemie

Eva Deuchert

(Anmerkung Monika Bütler: Aus aktuellem Anlass – Bekanntgabe der Nobelpreisträger in Ökonomie am 10. Oktober – hier ein Beitrag zu einem Thema, welches nicht direkt mit Schweizerischer Wirtschaftspolitik zu tun hat. Dafür umso mehr mit einem
für Entwicklungsländer, insbesondere in Afrika, höchst dringenden Problem. Und
indirekt hat der Beitrag durchaus eine Verbindung zur (Schweizerischen)
Wirtschaftspolitik, mit der Schwierigkeit nämlich Kosten und Nutzen einer
Massnahme zu beurteilen. Eva Deuchert ist Assistensprofessorin am Centre for
Disability and Integration
und hat sich in eigenen Forschungsarbeiten mit der Verbreitung des HIV befasst.)

Ende September wurde von einem Experten-Panel der rethinkHIV Initiative eine Prioritätenliste zur Bekämpfung der HIV/AIDS Epidemie im südlichen Afrika
veröffentlicht
. Das Expertenpanel besteht aus fünf renommierten Ökonomen, wie z.B. Edward C. Prescott (erhielt zusammen mit Finn E. Kydland den Wirtschaftsnobelpreis für ihre Arbeiten zur dynamischen Makroökonomie), Vernon Smith (Nobelpreis zusammen mit Daniel Kahneman für Behavioral Economics und experimentelle Wirtschaftsforschung), und Thomas Schelling (Nobelpreis zusammen mit Robert J. Aumann für ihre Weiterentwicklung der Spieltheorie). Die Zusammensetzung des Experten-Panels scheint die altbekannte Weisheit „Ein Volkswirt kann alles, nur für Herzchirurgie muss er sich erst einlesen!“ zu bestätigen.

Die rethinkHIV Initiative hat einen ernsten Hintergrund. Sie geht der einfachen
Frage nach: Wenn in den nächsten 5 Jahren tatsächlich zusätzliche 10 Mrd. US $
für die Bekämpfung von HIV/AIDS zur Verfügung stehen (aus Gesichtspunkten von
starken negativen Externalitäten mag diese Investition aus wohlfahrttheoretischer Sicht berechtigt sein), wie sollen diese Mittel eigentlich ausgegeben werden?

Zur Beantwortung dieser Frage wird eine einfache Kosten-Nutzen-Analyse zu Grunde
gelegt. Falls der Nutzen einer Massnahme (also die Kosten, die durch eine Vermeidung von zusätzlichen HIV Ansteckungen vermieden werden) die Kosten der Massnahme übersteigt, soll diese Massnahme priorisiert werden.

Hier besteht jedoch das grundsätzliche Problem: Vielleicht haben wir einen guten
Überblick über die Kosten der einzelnen Massnahmen, bis auf wenige Ausnahmen
(Beispielsweise Antiretrovirale Therapien, Medikamente zur Verringerung des
Risikos von Mutter-zu-Kind Übertragung, sowie männliche Beschneidung) können
wir derzeit keinerlei Aussagen zur Wirksamkeit einzelner Massnahmen treffen. Es
gibt wenige Studien, die mit Hilfe von kontrolliert-randomisierten Feldexperimenten die „Wirksamkeit“ der Massnahmen auf bestimmte Verhaltensweisen (z.B. die Verwendung von Kondomen, die Anzahl von sexual Partnern, etc.) nachweisen, ob diese Verhaltensänderung jedoch tatsächlich zu dem gewünschten Ziel einer Reduzierung der Anzahl von HIV-Neuansteckungen führt, bleibt weitgehend unklar.

Wie wurde die Kosten-Nutzen Analysen also durchgeführt? Basierend auf mathematischen Modellen, ähnlich makroökonomischen Wachstumsmodellen. Wie in
der Makroökonomie auch, besteht jedoch kein klarer Konsensus, welche Modelwelt
denn die epidemische Situation im südlichen Afrika tatsächlich adäquat abbilden und wie diese Modelle vernünftig zu parametrisieren sind.

Die Ergebnisse der vorgelegten Kosten-Nutzen-Analysen erscheinen daher höchst
unsicher. Es bleibt Folgendes festzuhalten: Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist die
Intention der rethinkHIV Initiative sicher zu befürworten. Gegeben der empirischen Datenlage ist das Vorgehen zum jetzigen Zeitpunkt wahrscheinlich zu ambitioniert.

 

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