Wie wir intelligenten Kindern die Schule vermiesen

Monika Bütler

Der Beitrag erschien am 15. Mai 2016 in der NZZ am Sonntag.

Eine kleine Ergänzung: Die schweizerische Maturaquote von rund 20% verdeckt, dass nur 16.5% der jungen Männer bei uns eine Matura machen. Das ist teilweise auf die attraktiven Möglichkeiten ausserhalb des akademischen Bildungswegs zurückzuführen. Aber nicht nur – viele intelligente Kinder, die eigentlich eine Matura machen wollten, geben entnervt auf. Das sollte uns zu denken geben. In einigen Kantonen ist die Maturaquote bei den jungen Männern in den letzten zwei Jahrzehnten sogar gesunken. So zum Beispiel im Kanton Zürich von 18% im Jahre 1998 auf nur noch 15.2 in 2012. (Quelle: avenir suisse)

Hier also die Kolumne:

Die schweizerische Matura sei zu einfach. Sogar Hochschulrektoren melden diplomatisch Zweifel an der Fitness ihrer Frischlinge an. Neben motivierten, gescheiten und aufmüpfigen Studierenden sitzen viele in den Bänken, bei denen nicht klar ist, weshalb sie – auf Kosten der Steuerzahler – dasitzen. Und: wie sie die Matura geschafft haben.

Nur: Wenn wir es bei einer Maturaquote von nur 20% nicht fertig bringen, junge Menschen studierfähig auszubilden, läuft etwas Grundlegendes falsch. Entweder bilden wir falsch aus. Oder wir selektieren falsch.

Lücken im Wissen können geschlossen werden, wenn Motivation und Intelligenz stimmen. Doch da hapert es oft genauso wie bei den Fähigkeiten in Deutsch oder Mathematik. Es ist ärgerlich, überforderte Studenten vor sich zu haben. Deprimierender ist aber der Gedanke, dass bei der tiefen Schweizer Maturaquote, für jeden von diesen ein anderer, motivierter und fähigerer Kandidat existiert, der die Hürde aus irgendeinem Grund nicht geschafft hat.

Nur schon die krasse Untervertretung der Knaben und Ausländer lassen vermuten, dass wir nicht immer diejenigen selektieren, die für den akademischen Bildungsweg geeignet sind. Dabei ist die oft geschmähte Selektion in die Mittelschule nicht einmal die einzige Hürde auf dem Weg zur Matura.

Wer einmal im Gymi ist, kämpft mindestens vier Jahre lang mit den Tücken des Systems. Das Paradebeispiel der Exzellenzverhinderung ist dabei die Anforderung der doppelten Kompensation ungenügender Noten. Konkret: Eine 5.5 in Mathematik und eine 5.0 in Deutsch (zusammen 2.5 Pluspunkte) reichen nicht, um eine 2.5 in Geographie (= 3 Minuspunkte) zu kompensieren.

In typisch schweizerischer Manier – wer aus der Masse ragt, wird geköpft –verstärken wir ein ohnehin schon absurd zu ungenügenden Noten hin verzerrtes Bewertungssystem noch, verdoppeln doppelt ungenügend sozusagen. Viele gescheite Knaben und – etwas weniger oft – Mädchen geben deswegen frustriert auf oder werden ausgemustert. Andere schaffen es, indem sie, statt ihre Stärken ausleben zu können, ihre Energie im Kampf gegen ihre Schwächen verlieren – an die sie dadurch auch regelmässig erinnert werden.

Besonders hart trifft die doppelte Kompensation mathematisch begabte Kinder an den meist sprachlastigen Gymnasien. Aber nicht nur sie. Auch Kolleginnen aus den philosophischen Fakultäten klagen: Weshalb soll ein Schüler mit 4.0 in allen Fächern Geisteswissenschaften studieren können, nicht aber jemand mit 5.5 in Deutsch und 3.0 in Naturwissenschaften?

Mittelschullehrer machen geltend, dies sei in der Praxis nicht so schlimm, die Schülerinnen passten sich einfach an. Nur: wir zwingen – gegen alle wissenschaftliche Evidenz des Lernens – die Schülerinnen dennoch, ihre Schwächen zu schwächen, statt ihre Stärken zu stärken.

Statt von Begabungsspitzen zu sprechen, reden wir eher – leicht abschätzig – von einseitiger Begabung.  Eine solche ist offenbar so schlimm ist, dass sie bestraft werden muss. Dabei stammen die meisten technologischen Durchbrüche, aber auch viele Ideen in anderen Wissenschaften nicht aus einer Durchschnittskompetenz, sondern aus einer besonderen – daher oft einseitigen – Begabung.

Ob die Matura zu einfach sei, ist nicht die relevante Frage. Wichtiger wäre es dafür zu sorgen, dass den intelligentesten Kindern nicht die Schule vermiest und der Weg zu einer Universitätsausbildung erschwert wird. Diese Talente werden uns nämlich fehlen: Viele Hochqualifizierte, die wir selber hätten ausbilden können, importieren wir heute aus dem Ausland.

Dubioser Bargeldgegner

Urs Birchler

„Die Welt soll die Schweiz dazu bewegen, dass sie die Ausgabe der 1000er-Note stoppt“, sagte gemäss Tagesanzeiger Larry Summers, der frühere US-Finanzminister und Wirtschaftsberater der Obama-Regierung.

Summers führt seit längerem eine Anti-Cash-Kampagne, zusammen mit Peter Sands, dem kürzlich entlassenen CEO von Standard Chartered. Summers argumentiert z.B. in der Washington Post, grosse Noten förderten die Kriminalität:

Our advocacy for the elimination of high denomination notes is based on a judgment that any losses in commercial convenience are dwarfed by the gains in combatting criminal activity.

Er stützt sich auf ein Working Paper von Sands (und Ko-Autoren). Ich habe mir die Mühe genommen, dieses anzusehen. Zahlen, welche die Rolle der grossen Noten in der Kriminalität belegen, findet man im 63-seitigen Bericht nicht wirklich. Hingegen folgt auf S. 39 eher verschämt das Eingeständnis:

[T]here is scant empirical evidence of the impact of eliminating high denomination notes.

Also: Bargeldverbote bringen nichts. Der Kreuzzug gegen die grossen Noten beruht weitgehend auf einer Illusion. Klar ziehen Bankräuber, Steuerbetrüger und korrupte Beamte grosse Noten den kleinen vor. Daraus folgt aber nicht der Umkehrschluss, ein Verbot der grossen Noten würde aus Kriminellen ehrliche Bürger machen. Sonst könnte man den Alkoholismus loswerden, indem man Flaschen über einem Deziliter verbietet.

Dass auch Spitzenökonomen erlahmen, wenn sie nur noch hochbezahlte Referate halten, anstatt nachzudenken, haben wir hier schon am Beispiel des Nobelpreisträgers Joseph Stiglitz festgestellt.

Bei Summers und Sands kommt aber etwas Unappetitlicheres dazu. Beide sind finanziell beteiligt an Unternehmen im Bereich des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Sie haben also ein wirtschaftliches Interesse an Bargeldverboten. Die Washington Post musste den Summers-Artikel deshalb ergänzen mit einem Transparenzhinweis: „Summers serves as an adviser or board member to a number of financial technology and payments companies.“

Es dürfte ihm trotzdem gelingen, internationale Organisationen gegen die Schweiz aufzubringen.

[Zum ersten Mal über Larry Summers Interessenkonflikt habe ich gelesen im Blog von Norbert Haering.]

Die Finanzierungslücke des bedingungslosen Grundeinkommens ist viel höher als 25 Mia pro Jahr

Von Gebhard Kirchgässner

Am 5. Juni werden wir über die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens abstimmen. Im Verfassungsartikel steht zwar, dass es „ein menschenwürdiges Dasein und die Teilnahme am öffentlichen Leben ermöglichen“ soll, jedoch nichts über dessen genaue Höhe. Den Initianten schwebt ein Einkommen von 2’500 Fr. für alle Erwachsenen und 625 Fr. für alle Kinder und Jugendlichen vor. Davon geht auch der Bundesrat aus. Dies ergäbe insgesamt einen Betrag von 208 Milliarden Fr. pro Jahr.

Geht man nach der Botschaft des Bundesrats und dem Abstimmungsbüchlein, wären zur Finanzierung zusätzlich 25 Milliarden Fr. erforderlich. 55 Milliarden Fr. ergäben sich durch Einsparungen bei den Sozialausgaben, und es „könnten rund 128 Milliarden Fr. gedeckt werden, indem von jedem Erwerbseinkommen 2500 Fr. abgezogen würden, bei Einkommen unter 2500 Fr. entsprechend das ganze Einkommen.“ Um die restlichen 25 Milliarden Fr. zu finanzieren, müsste beispielsweise die Mehrwertsteuer um 8 Prozentpunkte angehoben werden.

Leider ist die tatsächliche Finanzierungslücke sehr viel grösser. Zum einen ist es nicht ganz einfach, von jedem Erwerbseinkommen bis zu 2500 Fr. abzuziehen. Man könnte es über eine proportionale Einkommensteuer versuchen. Geht man vereinfachend davon aus, dass das Nettonationaleinkommen als Steuerbasis zur Verfügung stünde, das garantierte Grundeinkommen jedoch steuerfrei bliebe, könnte ein Gesamteinkommen von 505 Milliarden besteuert werden. Dies bedeutete bei einer proportionalen Steuer allein für die Finanzierung des Grundeinkommens einen Grenzsteuersatz von 41 Prozent. Dazu kämen selbstverständlich noch die anderen Steuern, schliesslich hat der Staat neben anderem auch für das Rechtswesen, die Erziehung und den Verkehr zu sorgen. Albert Jörimann, ein Verfechter des Grundeinkommens, hat als Alternative für Erwerbs- und Kapitaleinkommen bis 4’000 Fr.pro Monat eine Proportionalsteuer von 67 Prozent und darüber eine Kopfsteuer von 2’500 Fr. vorgeschlagen.

Das ist aber noch nicht alles. Alle diese Berechnungen gehen davon aus, dass sich auf der Einnahmenseite des Staates nichts ändert. Wenn aber die AHV durch das Grundeinkommen ersetzt wird, fallen auch die Beiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer dafür weg. Sie werden damit finanziell entlastet. Damit die Rechnung aufgeht, muss der entsprechende Betrag vom Staat an anderer Stelle wieder hereingeholt werden. Das Gleiche gilt für die Invaliden- und die Arbeitslosenversicherung, soweit sie durch das Grundeinkommen ersetzt werden. Die dann wegfallenden Beiträge bewegen sich in einer Grössenordnung von 35 Milliarden Fr. Sieht man einmal von den Problemen ab, die 2’500 Fr.pro Monat von denjenigen zurückzuholen, die über eigenes Einkommen verfügen, bleibt immer noch eine Finanzierungslücke von ca. 60 Milliarden Fr., die zu schliessen wäre. Wollte man diese beispielsweise über die Mehrwertsteuer erreichen, benötigte man (selbst unter idealen Bedingungen) nicht nur eine Erhöhung um 8 Prozentpunkte, sondern sogar um etwa 20 Prozentpunkte.

Nicht von den Initianten, sondern auch im Abstimmungsbüchlein wird die durch eine Annahme dieser Initiative entstehende Finanzierungslücke somit massiv unterschätzt.

(Eine ausführliche Version mit den genauen Berechnungen findet sich als Diskussionspapier hier)

Barbezug des Vorsorgekapitals verbieten? Es gibt liberalere und gerechtere Lösungen

Monika Bütler

Was passiert in der Schweiz, wenn ein Problem auftaucht? Die eine Seite schlägt eine neue Regulierung vor. Immer. Die andere Seite reagiert ebenfalls immer gleich: Statt sich für eine vernünftigere Lösung einzusetzen, streitet sie das Problem einfach ab. Heutiges Beispiel: der Kapitalbezug in der zweiten Säule. Der Beitrag erschien am 17. April 2016 (in leicht veränderter Version) unter dem Titel „Der Bezug der Vorsorgekapitals ist ein Problem – für die andern“ in der NZZ am Sonntag.

Bundesrat Berset warnt: Der Bezug des in der beruflichen Vorsorge angesparten Kapitals in bar (statt in Form einer lebenslangen Rente) kostet später Ergänzungsleistungen (EL). Der Kapitalbezug erhöht sowohl die Wahrscheinlichkeit als auch die erwartete Höhe späterer Ergänzungsleistungen (EL). Worauf die Forschung übrigens schon seit Jahren hinweist (auch im batz.ch: siehe hier und hier)

Das schweizerische Sozialversicherungssystem hat starke Anreize für einen Kapitalbezug. Das durch die Ergänzungsleistungen garantierte Einkommen liegt rund 1000 Franken pro Monat höher als die AHV-Maximalrente. Wer eine relativ kleine Rente aus der Pensionskasse und kein Privatvermögen hat, fährt mit dem Barbezug fast immer besser. Oft auf Kosten der Steuerzahler.

Die Pflegekosten seien der Hauptgrund der stark steigenden Ausgaben der EL, nicht der Kapitalbezug. Mag sein. Gerade weil die Pflege wichtig ist, sollten die EL nicht noch durch Kapitalbezüge belastet werden. Rentenbezüger, die sich ihre ganze Rente anrechnen lassen müssen, sind mit Sicherheit billiger für den Staat als Kapitalbezüger.

Kapitalbezug mindestens teilweise verbieten! rufen deshalb die einen. Ein unnötiger Eingriff in die persönliche Entscheidungsfreiheit! protestieren die andern. Tatsächlich: Ein Verbot benachteiligt Kleinverdiener und gesundheitlich beeinträchtigte Menschen mit einer tieferen Lebenserwartung. Wer möchte es einer kranken Frau vergönnen, die wenigen verbleibenden Jahre mit ihrem selber angesparten Vermögen zu versüssen. Und soll der alleinstehende Arbeiter die Professorin zwangsweise subventionieren?

Also nichts machen? Doch. Es gibt liberalere Ansätze als ein Verbot. Sich die Pensionskassengelder in bar auszahlen zu lassen, lohnt sich nämlich auch aus zwei weiteren Gründen. Erstens ist Kapitalbezug ist gegenüber der Rente steuerlich privilegiert. Die bar ausbezahlte Vorsorge wird separat von anderen Einkommen und erst noch meistens zu einem viel tieferen Satz besteuert.

Zweitens ist die bar ausbezahlte Vorsorge bei einer späteren Pflegebedürftigkeit teilweise geschützt. Ein Alleinstehender hat eine Vermögensgrenze von 37‘500 Franken; nur was darüber liegt wird teilweise als verfügbar angerechnet. Die Rente hingegen wird zu 100% an die Pflegekosten angerechnet.

Eigenartig, wenn der Staat mit der einen Hand eine Wahlmöglichkeit einschränken will, während er mit der anderen Hand die gleiche Option steuerlich und EL-technisch massiv begünstigt. Eine Angleichung des Steuersatzes für Rente und Kapitalbezug sowie eine tiefere Vermögensgrenze würden nicht nur die Kosten späterer EL direkt reduzieren. Die Massnahmen würden wohl den einen oder anderen doch noch zur Rente bewegen.

Natürlich ist es hart, fast das Vermögen ganz aufgeben zu müssen, bevor man EL-berechtigt ist. Aber erstens ist es nicht die Aufgabe des Staates, die Erben auf Kosten der Steuerzahler zu schützen. Zweitens begünstigt das heutige System die Schlauen. Weniger gut informierte Pflegebedürftige brauchen oft ihre ganzen Ersparnisse auf, bevor sie überhaupt an EL denken. Bei den Glücklichen sorgt der juristisch gut ausgebildete Nachwuchs dafür, dass EL so früh wie möglich beantragt werden. Gerechter wäre die Gleichbehandlung von Rente und Kapital allemal.

Statt den Zusammenhang zwischen Kapitalbezug und EL einfach abzustreiten, würden sich die Gegner eines Verbots des Barbezugs besser für eine freiheitliche Lösung einsetzen. Eine Lösung, die auch dann effizient wäre, wenn die Barauszahlung entgegen der wissenschaftlichen Erwartungen die EL gar nicht belastete.

Das BGE und die Arbeitsproduktivität

Monika Bütler

Für einmal bin ich sogar mit den Initianten des bedingungslosen Grundeinkommens einverstanden BGE. In einem Grundlagenpapier, von der NZZ als Ökonomie des Schlaraffenlands dargestellt, gehen die Verfasser der Studie von einer Steigerung der Arbeitsproduktivität um 5% aus. Das sieht nach viel aus, ist es aber nicht. Die Arbeitsproduktivität der Schweiz wäre selbst mit einer Erhöhung um 5% noch tiefer als diejenige von Frankreich (was die OECD ja ständig lehrmeistert). Eine Steigerung der Arbeitsproduktivität durch ein BGE scheint mir daher durchaus plausibel.

NUR: Der Grund einer höheren Arbeitsproduktivität wäre ein gaaaanz anderer. Die von den Autoren erwähnten positiven Effekte einer besseren Ausbildung würden sich erst viele Jahre nach einer Einführung bemerkbar machen – falls überhaupt. Vielleicht arbeiten die Menschen tatsächlich motivierter – mindestens diejenigen, die dann noch eine Beschäftigung haben. Denn genau da liegt der springende Punkt: Denn mit einem BGE bleiben im Arbeitsmarkt mit grosser Wahrscheinlichkeit diejenigen mit einer gut bezahlten und interessanten Arbeit. Also die Produktiveren.

Anders gesagt, wenn die Schweiz ihren weniger produktiven Bürger mit dem BGE einen Anreiz gibt, aus dem Arbeitsmarkt auszusteigen, steigert sie ganz automatisch ihre Arbeitsproduktivität. Für die noch arbeitende Durchschnittsbürgerin hiesse dies ein tieferes verfügbares Einkommen, weil sie über ihre Steuern deutlich mehr Transfers zu berappen hätte. Die höheren Steuern machen dann die Arbeit für weitere Menschen unattraktiv.

Die wirklich heroische Annahme der Studie liegt allerdings darin, dass eine höhere Arbeitsproduktivität mit einem höheren Volkseinkommen gleichgesetzt wird. Dies geht wirklich nur, wenn ALLE im gleichen Ausmass weiterarbeiten würden.wie bisher. Was selbst die Befürworter des BGE nicht glauben. Woher dann die Zeit für die Weiterbildung und die Pflege der Familienmitglieder kommen sollte, bleibt das Geheimnis der Autoren. Auch weshalb in einem solchen Land die stressbedingten Ausfälle abnehmen würden.

Vielleicht wollten uns die Autoren der Studie nur wieder einmal in Erinnerung rufen, welch untauchliches Konzept die Arbeitsproduktiviät darstellt. Auch da wären wir uns einig, wie ich in einer meiner ersten NZZaS Kolumnen ausgeführt habe.

Geldreform — Weltreform

Urs Birchler

Hier ein Veranstaltungshinweis in eigener Sache:


Abschiedsvorlesung von

Prof. Dr. Urs Birchler
Professor of Banking am Institut für Banking und Finance.

„Geldreform — Weltreform“

Das Geldwesen ist aus den Fugen, Reformvorschläge blühen. Freigeld, Vollgeld, Bit-Geld, Negativzins, Bargeldverbot: Was gestern als Wahn erschien, ist heute Wirklichkeit — und umgekehrt. Ein Blick durch’s monetäre Kaleidoskop in die Zukunft…

Dienstag, 24. Mai 2016, 18.30
Universität Zürich, Aula KOL-G-201, Rämistrasse 71, 8006 Zürich (Lageplan)


Warum die Niederländer gegen die EU gestimmt haben

Urs Birchler

Ich war heute früh zunächst verbaasd (NL: erstaunt), dass die Holländer gegen das Assoziationsabkommen mit der Ukraine gestimmt haben. Ein Stunde später erreicht mich ein Bescheid der Schiffahrtsbehörde des Kantons Zürich betreffend meinem Segelboot, welches auf allen anderen Schweizer Seen (und in mindestens einem Exemplar auch auf dem Zürichsee) für 6 Personen zugelassen ist.

Sehr geehrter Herr Birchler,
Ihr Antrag haben wir geprüft und stellten fest, dass der Schiffsausweis mit 4 Personen, laut Herstellerangaben, korrekt ausgestellt wurde. Es ist richtig, dass es andere [Boote dieser Klasse] gibt mit einer maximalen Personenzahl von 6, dies sind aber Boote die älter sind und nach Binnenschifffahrtsverordnung als Vergnügungsschiffe inverkehrgesetzt wurden. Ihr Boot ist aber ein Sportboot und wird nach der Eu – Sportbootrichtlinie geprüft und zugelassen, deswegen kriegen sie eine maximale Personenzahl von 4 Personen wie der Hersteller auf der Konformitätserklärung angibt.

Wir wünschen ihnen eine angenehme Saison.

freundliche Grüsse
x.y.

Dass Sport und Vergnügen (gerade für ältere Kapitäne) nicht dasselbe sind, weiss ich jetzt auch. Dass die EU-Richtlinie eigentlich in der Absicht erlassen wurde, den Handel mit Booten zu liberalisieren, nützt dem Vergnügungssportler Birchler allerdings wenig. Der Schweizer Nachvollzugs-Bürokratie wünsche ich mit altem Seglergruss Mast- und Wantenbruch.

BGE: eine attraktiv erscheinende, aber nicht realisierbare Utopie

von Gebhard Kirchgässner

Das BGE ist eine attraktiv erscheinende, aber nicht realisierbare Utopie

  • Das Konzept des Grundeinkommens bietet ohne Frage viele Vorteile.
  • Wieso soll ein Arbeitsverweigerer Anspruch auf staatliche Unterstützung haben?
  • Ein bedingungsloses existenzsicherndes Grundeinkommen wäre nicht finanzierbar.

Das Prinzip des bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) ist einfach: Jede Bürgerin und jeder Bürger erhält pro Monat einen festen Betrag vom Staat. Dieser Betrag ist unabhängig von der jeweiligen wirtschaftlichen Lage des Bürgers und gesetzlich festgelegt. Der Staat muss dieses Geld aber über die Steuern wieder zurückholen, indem er beispielsweise das Einkommen besteuert. Das staatlich finanzierte Grundeinkommen würde mit dem eigentlichen Einkommen verrechnet. Bis zu einer gewissen Einkommensgrenze erhielte man somit netto Einkommen vom Staat, danach, wenn die zu zahlende Steuer höher als das Grundeinkommen ist, müsste man dem Staat etwas abgeben. Man spricht daher auch von der „negativen Einkommensteuer“.

Dieses Konzept hat drei Vorteile:

(i)      Es soll Arbeitsanreize schaffen. Sobald ein Sozialhilfeempfänger im traditionellen System unseres Sozialstaats Arbeit aufnimmt, werden die staatlichen Leistungen in erheblichem Umfang gekürzt, sodass er netto kaum mehr, unter Umständen sogar weniger Einkommen zur Verfügung hat, als wenn er nicht arbeiten würde. Unter diesen Bedingungen hat er kaum Anreiz, eine Beschäftigung aufzunehmen.

(ii)     Es soll das Sozialhilfesystem vereinfachen. Da Sozialleistungen wegfallen, müssen sie auch nicht mehr beantragt und verwaltet werden; die Sozialbürokratie könnte stark verringert werden.

(iii)    Es soll den Armen mehr Würde verschaffen. Heute müssen sie gegenüber dem Sozialamt nachweisen, dass sie bedürftig sind. Das muss zwar nicht, kann aber entwürdigend sein.

Befürworter, wie beispielsweise der holländische Philosoph Phillipe van Parijs, führen zusätzlich ins Feld, dass erst ein bedingungsloses Grundeinkommen wirkliche Freiheit und Selbstverwirklichung gewährleiste. Er vertritt die Auffassung, dass man nur so eine freie Wahl zwischen Arbeit und (Selbstverwirklichung in der) Freizeit hätte. Bei allen diesen Vorzügen wundert es nicht, dass dieses Konzept viele Befürworter findet.

Aber das BGE hat auch gewichtige Nachteile: Der wichtigste ist, dass es zumindest dann nicht finanzierbar ist, wenn es existenzsichernd sein soll. Setzt man das Existenzminimum auch nur bei 40 Prozent des Durchschnittseinkommens an und verteilt deshalb 40 Prozent des Sozialprodukts pro Kopf gleichmäßig an alle Bürgerinnen und Bürger, müsste man dieses Geld sofort wieder durch Steuern einziehen. Dies würde Grenzsteuersätze über 60 Prozent erfordern, d.h. von jedem zusätzlich zum Grundeinkommen verdienten Franken müsste man 60 Rappen an den Staat abliefern.

Damit wäre noch keine einzige Schule und keine Straße unterhalten, es gäbe kein Gerichtswesen und keine Polizei. Will man auf diese Einrichtungen nicht verzichten, lägen die Grenzbelastungssätze vermutlich eher 80 Rappen je zusätzlich verdienten Franken abliefern. Unter diesen Bedingungen wäre kaum ein positiver Beschäftigungseffekt zu erwarten. Vielmehr gäbe es starke Anreize, nicht mehr zu arbeiten und sich mit dem vom Staat erhaltenen Geld ein einfaches, aber nicht unattraktives Leben zu ermöglichen. Ist das bedingungslose Einkommen nicht existenzsichernd, mag es zwar finanzierbar sein, aber die oben genannten positiven Aspekte entfallen.

Nicht mehr als eine faszinierende Idee

Schliesslich stellt sich auch die Frage, mit welchem Recht jemand, der nicht arbeiten will, einen Anspruch auf staatliche Unterstützung erheben kann. Der amerikanische Philosoph John Rawls hat van Parijs widersprochen: Zwar hat jeder, der aus objektiven Gründen nicht arbeiten kann, Anspruch auf Unterstützung durch die Gemeinschaft. Wer aber arbeitsfähig ist und eine ihm angebotene Arbeit ablehnt, kann keinen Anspruch darauf erheben, dass die anderen Mitglieder der Gesellschaft seinen Lebensunterhalt finanzieren. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Insofern bleibt das bedingungslose Grundeinkommen zwar eine faszinierende Idee, aber da sie nicht finanzierbar ist, bleibt sie leider im Bereich der Utopie. Das gilt für die Schweiz ebenso wie für Deutschland.

Dieser Beitrag ist zuerst bei XING erschienen:

Monopoly bargeldlos

Urs Birchler

[Hat-tip: Thomas Rühl, CS Research]

In der Schlacht pro und contra Bargeld ist eine letzte Bastion der Bargeld-Freunde gefallen: In den USA kommt diesen Sommer unter dem Namen Monopoly Ultimate Banking eine bargeldlose Version von Monopoly auf den Markt. Die Zahlungen laufen über ein kleines Kästchen, ähnlich einem Bancomaten.
Das lustvolle Rascheln mit den blaugrünen Zweitausendern (und der zugehörige Frust bei den Mitspielern) ist also Geschichte. Es scheint nur noch eine Frage der Zeit, bis sich Dagobert Duck statt in seinen Goldtalern in virtuellen Billcoins [bill (e.) = Schnabel] wälzt.

MonopolyUltimateBanking
Quelle: www.engadget.com