Hydranten statt Brandmauern?

Verzichten wir auf Brandmauern zwischen den Häusern und stellen statt dessen vor jedes Haus einen Hydranten! Dies streben grosse Banken hinter den Kulissen seit Jahren an: Möglichst wenig Eigenmittel (Brandmauern), aber unbeschränkte Liquiditätsgarantien (Hydranten). Heute stehen sie knapp vor dem Ziel — paradoxerweise, weil eine von ihnen falliert ist.

Beim Untergang der Credit Suisse gab die SNB Liquiditätszusagen gestützt auf Notrecht ab. Der Bundesrat möchte solche ungedeckte Hilfskredite an grosse Banken durch die Nationalbank mit Bundesgarantie (im Jargon der Bankenregulierung: Public Liquidity Backstop, PLB) künftig unter ordentlichem Recht ermöglichen. Egal, wenn die Feuerwehr ausrücken muss.

Der Hintergrund: Wenn die Kunden einer Bank ihr Geld abholen, hat diese bald keine liquiden Mittel mehr, steht also mit leerer Kasse da. Dann kann sie bei der SNB noch Notkredite gegen Deckung erbitten. Wenn sie aber nichts mehr besitzt, was die SNB mit halbwegs gutem Gewissen belehnen kann, dürfte – gemäss Vorlage — die Nationalbank der klammen Bank trotzdem nochmals Geld leihen, und zwar blanko, falls im Hintergrund der Bund bürgt. Daher: Public (SNB und Bund) +  Liquidity (es gibt Geld) + Backstop (das Auffangnetz hinter dem Werfer beim Baseball).

Die vom Bundesrat zur Umsetzung des PLB erarbeitete Vorlage weist gravierende Schwächen auf und sollte nicht vorschnell umgesetzt werden. Die Gründe:

  1. Die Vorlage ist – zusammen mit den aus der CS-Krise noch bestehenden Bestimmungen – viel zu komplex. Für Nicht-Spezialisten sind die konzeptionellen Schwächen kaum erkennbar. Die geplante Trennung der Vorlage von der geplanten umfassenderen Revision der TBTF-Bestimmungen verhindert eine Regulierung „aus einem Guss“.
  2. Der PLB subventioniert die systemrelevanten Organisationen (UBS, Raiffeisen Gruppe, Zürcher Kantonalbank und PostFinance) gegenüber den kleineren Banken wie z.B. den Regionalbanken. Die vorgesehene Abgeltung (Versicherungsprämie) ist zu tief. Sie ist geringer als die Abgeltung für die Staatsgarantie, welche die Kantonalbanken ihren Kantonen zahlen (zusätzlich zur Erfüllung des Leistungsauftrags und zur Dividende!). Zudem ist die Abgeltung an die Kantone ohnehin schon eher tief gemessen an den statistischen Erfahrungswerten zu Verlusten der Kantonalbanken.
  3. Ein Konkursprivileg für Kredite durch die SNB macht die bereits ziemlich komplizierte Hierarchie der Ansprüche von Einlegern, Träger der Einlagensicherung (esisuisse) und SNB durcheinander (hierzu nur ein Beispiel). Die daraus folgenden rechtlichen Komplikationen erschweren eine Sanierung oder geordnete Abwicklung einer Bank zusätzlich. 
  4. Der PLB bringt schafft (entgegen der Behauptung in der Vorlage des Bundesrates) kein zusätzliches Vertrauen der Fremdkapitalgeber, im Gegenteil. Beruhigend wirkt Liquiditätshilfe durch die SNB nur, wenn die Solvenz der Bank ausser Zweifel steht, wenn also die Einleger bloss Angst voreinander haben. Bei zweifelhafter Solvenz jedoch bleibt für die letzten Einleger weniger übrig, wenn andere ihre Guthaben dank der Liquiditätshilfe durch die SNB zurückziehen. Ein sofortiger Rückzug (Bank Run) bei angebotener Liquiditätshilfe ist also rational.
  5. Liquiditätshilfe durch die SNB untergräbt die Rolle der FINMA. Illiquidität (Zahlungsunfähigkeit) eines Unternehmens ist in der Regel ein Zeichen für Insolvenz (Überschuldung). Anders als die Insolvenz lässt sich Illiquidität nicht verstecken. Sie ist die Guillotine: Die Unternehmung muss in neue Hände kommen. Bei Banken ist die Guillotine jedoch sehr teuer, auch volkswirtschaftlich. Deshalb gibt es eine Bankenaufsicht, die rechtzeitig eingreifen soll, wenn die Solvenz gefährdet ist. (Zu) grosszügige Liquiditätshilfe durch die SNB ermöglicht es aber der FINMA, die Illusion der Solvenz aufrechtzuerhalten Beispiel CS). Hier liegt sogar ein Fehlanreiz vor: Die SNB darf Liquiditätshilfe gewähren, solange die FINMA die Solvenz der empfangenden Bank noch bescheinigt. Der PLB verschlimmert das Problem noch.
  6. Die an eine Liquiditätshilfe unter dem PLB obligatorisch zu knüpfenden Sanierungsmassnahmen sind nicht genügend spezifiziert. Da Liquiditätshilfe das Leben einer möglcherweise insolventen Bank verlängert, schafft dies eine Lücke in der Unternehmenskontrolle.
  7. Die Gewährung von ungedeckten Krediten mit Bundesgarantie ist ökonomisch gleichbedeutend wie eine Kreditgewährung der SNB an den Bund (und von diesem an die Bank). Ob dies eine illegale Staatsfinanzierung (Art. 11 Abs. 2 NBG) darstellt, wäre mindestens genau zu prüfen.
  8. Unklar ist (mindestens für den Ökonomen), ob die vorgesehenen Bestimmungen (Art. 51a) nur die vergangene Kreditgewährung betreffen (wodurch sie überflüssig wären) oder auch eine Verpflichtung des Bundes zu künftiger Hilfeleistung enthalten (wesfalls sie gestrichen gehörten).

Trotz all dieser Mängel wurde die Vorlage des Bundesrates in der Vernehmlassung relativ positiv aufgenommen. Klar ist, dass die Bankiervereinigung, de facto das Sprachrohr der Grossbanken, das Geschenk des Bundes gerne annehmen möchte. Auch Economiesuisse findet den PLB eine gute Sache. Vielleicht hofft sie, irgendwann bekämen alle Schweizer Unternehmen im Krisenfall Bundesgarantie für Notkredite. Sogar der Kantonalbankenverband ist für den PLB, obwohl nur ein einziges seiner Mitglieder (die ZKB) von ihm profitieren kann — und ihn gar nicht braucht, da die Bank bereits von Gesetztes wegen Staatsgarantie geniesst. Das Kuriosum wird von Letti Robin (UniFR) analysiert. Der Regionalbankenverband schliesslich mag nicht gegen den PLB ankämpfen, sondern argumentiert, der PLB müsse auch den bisher ausgeschlossenen 98 Prozent der Schweizer Banken offenstehen.

Aus neutraler Warte wurde die Vorlage kaum kommentiert — sie ist schlicht zu kompliziert. Eine vorsichtig kritische Stimme erhob Christoph Schmutz in der NZZ. Schärfere Kritik kam von von Alexandra Janssen (Ecofin) und Adriel Jost und Corinne Zellweger-Gutknecht (UniSG/UniBa). Aymo Brunetti (UniBe) befürwortet zwar einen PLB, hält aber die vorgesehene Abgeltung für viel zu gering angesichts der Risiken für den Steuerzahler.

Fazit: Stop dem Back-Stop! Der Gesetzgeber täte gut daran, den PLB trotz Applaus durch die Banken nicht einfach durchzuwinken, sondern nochmals genauer anzusehen. Notwendig wäre mindestens eine Abstimmung zwischen Regeln zur Liquiditätshilfe und einer neuen TBTF-Regulierung. Auf Deutsch: Wieviel Brandmauer braucht es für ein Anrecht auf einen Hydranten?

Vom Unsinn des wirtschaftlichen Darwinismus in der Jahrhundert-Pandemie

Marius Brülhart und Thomas von Ungern-Sternberg

Doppelmoral in Bundesbern: Für die Arbeitnehmer hat die Regierung schnell und pragmatisch ein engmaschiges Corona-Auffangnetz ausgebreitet; aber wenn es darum geht, KMU durch die Krise zu retten, triumphiert Ideologie über Pragmatismus.

Es sollen nämlich nur diejenigen Unternehmen überleben, deren Gewinnmargen hoch genug sind, dass sie den Umsatzeinbruch (abzüglich der staatlichen Lohnbeiträge) selber wettmachen können. Die anderen mögen über die Klinge springen. Der Economiesuisse-Präsident schaut der resultierenden „natürlichen Strukturbereinigung“ gelassen entgegen, und unser Finanzminister warnt gar vor „Strukturerhaltung“. In Kommentarspalten wird von „reinigendem Gewitter“, „natürlicher Auslese“ und „schöpferischer Zerstörung“ geschrieben.

Dieses Zurückgreifen auf Floskeln des Wirtschaftsdarwinismus ist in der jetzigen Situation nicht nur moralisch unanständig, es ist auch wirtschaftlich hoch riskant.

Darwinismus heisst eigentlich, dass derjenige überleben soll, der seiner natürlichen Umgebung besonders gut angepasst ist, und nicht derjenige, der zufälligerweise weit weg vom Meteoriteneinschlag am Grasen war. Breiten Teilen der Wirtschaft sind über Nacht die Einkommen auf Null gedrückt worden, nur weil dort Distanzregeln zwischen Menschen nicht eingehalten werden können und sie nicht überlebensnotwendige Güter produzieren. Eine „Strukturanpassung“ in Form eines Massensterbens von Betrieben in diesen Branchen wäre nur zerstörerisch; schöpferisch wäre daran nichts.

Aber nicht nur zwischen mehr und weniger Corona-gebeutelten Branchen unterscheiden sich die Überlebenschancen, sondern auch innerhalb der jeweiligen Branchen. Wer überlebt, wenn der Umsatz einbricht aber Fixkosten weiterlaufen? Die Fittesten und Besten? Nicht unbedingt. Überleben werden primär diejenigen, die über ein gutes Kapitalpolster verfügen. Bisweilen eher “survival of the fattest” als „survival of the fittest“.

Die volkswirtschaftliche Fitness eines Unternehmens misst sich nämlich nicht an seinem Gewinn sondern an seiner Wertschöpfung – in etwa der Summe von Gewinn und Löhnen. Gemäss Steuerstatistik weisen 57% der Schweizer Firmen keine steuerbaren Gewinne aus. Wichtig sind diese dennoch. Ein Restaurant, das null Gewinn verbucht aber eine halbe Million an Löhnen generiert, ist volkswirtschaftlich nicht weniger wertvoll als eine Softwarefirma, die eine Viertelmillion Gewinn ausweist und eine Viertelmillion an Löhnen auszahlt.

Die Schweizer Wirtschaftspolitik ist derzeit darauf ausgerichtet, Firmen, die den Corona-Ausfall auf Fixkosten nicht selber stemmen können, zugrunde gehen zu lassen. Wenn ein Betrieb sechs Monate Totalausfall verkraften muss und 40% seiner Kosten auf Posten wie Miete und Abschreibungen anfallen, dann gälte es in den folgenden fünf Jahren jeweils 4% des Gesamtumsatzes zur Schuldentilgung aufzubringen. Bei einem Jahr Ausfall, wären es dann 8% des Umsatzes, der für Corona-Schuldentilgung draufginge. Das werden sich viele nicht antun (können). Kein Wunder gibt über die Hälfte der Selbständigerwerbenden und Kleinbetriebe an, nicht mehr als drei Monate im Lockdown überleben zu können.

Unternehmen mit tiefen Margen an den Corona-Umsatzeinbussen scheitern zu lassen, wäre aus drei Gründen falsch. Erstens, weil damit Wertschöpfung in Form von Löhnen verloren geht. Zweitens, weil die Wirtschaft ein vernetztes System ist und Konkurse einzelner Firmen andere Firmen (Zulieferer und Abnehmer) mit in den Strudel reissen. Und drittens, weil die überlebenden Firmen dann mit weniger Konkurrenz wirtschaften und ihre Margen noch höher schrauben könnten. Die Fetten würden fetter, aber die Wirtschaft als Ganzes würde unnötig schrumpfen.

Covid-19-Hilfe an die Unternehmen: Kredit oder „Geschenk“?

Michel Habib

[Kurzfassung: Angesichts der Covid-19-Pandemie bietet der Bundesrat Unternehmen Zugang zu garantierten Krediten. Diese verschaffen den Unternehmen Liquidität zur Deckung der trotz Krise weiterlaufenden Kosten. Angesichts der oft engen Margen kleinerer Unternehmen kann aber eine zusätzliche Verschuldung längerfristig in den Bankrott führen. Eine prüfenswerte Alternative wäre daher eine Staatshilfe in Form von Beiträgen, die nicht direkt zurückbezahlt werden müssen, sondern via die im Steuersystem angelegte Risikoteilung zwischen Staat und Unternehmen an den Staat zurückfliessen. Ein solches „Geschenk“ an eine Unternehmung in einem Verlustjahr führt zu höheren künftigen Gewinnen. Im idealtypischen Beispiel fahren Staat und Unternehmung gleich gut wie bei einer Kreditgewährung, jedoch ohne Konkursrisiko für die Unternehmung (Urs Birchler)]

A few days ago, in order to help businesses deal with the collapse in demand most businesses have experienced in the wake of the Covid-19 pandemic, the Federal Council announced that it would be guaranteeing bank loans made to Swiss businesses. Guaranteed loans can be no larger than 10% of annual turnover; loans of up to CHF 500,000 are guaranteed in their entirety, loans between CHF 500,000 and 20 million, the maximum loan amount possible, are guaranteed at a rate of 85%, the lending bank being responsible for the remaining 15%. The interest rate on the smaller loans, those up to CHF 500,000, is 0%; that on the larger loans is 0.5%.
There is not the least doubt that these loans have been a very welcome lifeline to Swiss businesses: demand for the guaranteed loans has been extremely high, reflecting the urgent need for liquidity of businesses that have been required to close in order to help stem the spread of the virus yet still need to meet their fixed charges—interest, rent, essential maintenance—even where employee wages can be covered by unemployment insurance and variable costs have declined to near zero in line with the collapse in demand.
Yet, there is a danger to relying on debt financing to meet the challenges posed by the current situation. The character of the small farmer who lost his family farm because of his inability to repay loans contracted in difficult circumstances is a familiar one in world fiction, because the reality of such farmers has alas been all too common across the world. While this is still the case in many countries today, it is by and large no longer so in Switzerland, thanks to farm support policies. The plight of yesterday’s small farmer may instead become that of today’s small business owner: many small businesses operate on very thin margins; even a closure of a few months may make these businesses unable to pay back their loans, thereby driving them into bankruptcy.
There is an alternative to loans, one which nonetheless differs from the grants eschewed by the Federal Council. This alternative exploits the risk-sharing nature of the tax system, which makes the government a partner of the firm in sharing profit, that is, in reaping revenue and in bearing cost. The government’s share equals the corporate tax rate.
Adopting the risk-sharing perspective has many advantages. It makes it clear that the government will be bearing part of the cost of the crisis, through reduced tax revenues. This observation suggests that government help to firms may in fact be not so much a grant as an advance: the government may pay its share of costs immediately, thereby providing much needed help to the firm, rather than paying its share when the firm returns to profit, through the reduced tax that results from the firm’s ability to carry its loss forward (the example below will make that reasoning concrete). If that share of costs borne by the government, which we recall equals the tax rate, is deemed too small to help firms survive, then the advance can be increased, to be offset by decreased cost deductibility in future years.
The simple example below may help. It proceeds in three steps. The first step illustrates the manner in which the tax system has the government bear part of the cost of the crisis, even if there should be no grant or guarantee whatsoever. An important limitation of the current system is that the government will bear its share of costs after rather than during the crisis. The second step shows how a tax system that treats profit and loss symmetrically can serve to make the government bear its share of costs during the crisis, thereby providing much needed relief to firms faced with the Herculean task of financing fixed costs out of little to no revenues. The third step shows how a desire to increase the share of costs borne by the government whilst still eschewing grants can be accommodated by limiting expense deductibility after the crisis.
Consider a firm that, in normal times, has revenues 300 and fixed costs 200. The firm is assumed to have no other costs: this assumption is in line with our focus on fixed costs; it also simplifies our analysis. The corporate tax rate is 20%. In a normal year, then, the firm has taxable income 300-200=100 and pays tax 100×20%=20.
The assumption that the firm in the example is a corporation does not detract from the generality of the reasoning below, which applies to corporations, partnerships, and sole proprietorships alike: owners’ personal tax rates replace corporate tax rates in the case of flow through entities such as partnerships and sole proprietorships.
Step 1: The present tax system
Suppose a given year, denoted year 1, sees a collapse in revenues to zero. The firm still has fixed costs 200, so it makes a loss of that same amount. It pays no taxes, but is able to carry its 200 loss forward.
Assume the situation reverts to normal in year 2. Despite the fact that the firm’s revenues in year 2, back at 300, are higher than the firm’s costs in that year, still 200, the firm does not owe any income tax because it can utilize 100 of its net operating loss (NOL) carryforward to offset its pre-NOL taxable income. The tax savings from NOL utilization are 20. They constitute part of the government’s share of the fixed costs incurred in year 1, the year revenues collapsed.
Year 3 is also a normal year. In that year as in year 2, the firm can take advantage of the loss carry forward to decrease its taxable income to zero, thereby paying no tax. The tax savings from NOL utilization are again 20. The sum of the 20 in year 2 and 20 in year 3 is 40, which is exactly the government’s share of the costs incurred in year 1: 200×20%=40.
There is no loss carry forward balance to be utilized in year 4; the firm pays tax again.
Step 2: A symmetric tax system
Note the asymmetry in the tax system’s treatment of profit and loss in step 1: the firm must pay tax when it is profitable, but it can only carry its loss forward to future years when it is loss making. In contrast, a symmetric tax system would have the government pay the firm in a loss-making year, the counterpart to the firm paying the government in a profitable year. In the context of our example above, the government would pay 20% of the loss to the firm in year 1 already, that is, 200×20%=40. The firm naturally would have no loss carryforward to years 2 and 3, as it otherwise would be double counting its year 1 loss. The firm will then be paying 20 in tax again already in year 2.
Further note that the decrease in government tax revenue is identical under symmetric and asymmetric tax: it is 40 in both cases. The difference is merely timing: the firm receives the 40 already in year 1 under the symmetric tax system, exactly at the time when it most urgently needs the money. That money is not a grant, it is an advance: the government will in any case have to forego 40 in taxes, but it does so at the time of greatest firm need for cash under the symmetric system. The money is not debt, either, at least not debt in its usual form: there is no repayment as such, and the resumption of tax payments naturally must wait for the return to profitability. In our example above, suppose for example revenues were to recover only to 200 in year 2, and that full recovery to 300 were to be delayed to year 3. Then the firm would just break even in year 2, it would pay no taxes, and it would carry its 200 loss from year 1 forward to years 3 and 4, which would now play the role of years 2 and 3 in our original example. This illustrates the risk-sharing nature of the tax system.
Step 3: From twenty to eighty percent
The reimbursement of 20% of fixed costs might be deemed insufficient to allow firms to weather the storm from the crisis. Suppose for example that it were desired to help firms cover 80% of fixed costs, the same percentage as the income replacement rate of unemployment insurance. Again, the use of the tax system can help achieve the desired result. Thinking in terms of risk sharing and of symmetry can help us devise an appropriate mechanism.
Return to the example above. An advance of 80% of fixed costs has the government pay 4 times its share of costs, 20%x4=80%, amounting to 200×80%=160. Having overpaid its share of costs in year 1, the government should be dispensed from paying its share of costs in the early years of recovery, specifically three years since the government would have paid three times more than its share of costs in the year of crisis, 160-40=120=3×40. This means that, if recovery to normal conditions were to occur in year 2, then the firm would have taxable income 300 in years 2 to 4, as the firm would now be bearing the entirety of the costs as opposed to sharing them with the government through the tax system. Tax would be 300×20%=60 per year, 40 more than the 20 that the firm would have paid had there been no additional advance from 20% to 80%. The additional tax revenues of 40 per year over the three years 2, 3 and 4 add up to the 120 additional advance made by the government in year 1.
Reality is of course far messier than our simple example: revenues and costs are not constant, even in normal times; some firms may try to manipulate the system, for example by substituting variable for fixed costs; last but not least, firms may go bankrupt. Yet, it is possible to address these issues whilst preserving the basic nature of the mechanism we have presented: the government makes an advance which constitutes a contribution to fixed costs; the government recovers that advance through the tax system by limiting firms’ ability to deduct costs in the computation of taxable income; bankruptcy by a firm jeopardizes recovery by the government, but the risk-sharing nature of the mechanism makes bankruptcy less likely than in the case of government-guaranteed loans. The mechanism bears much similarity to the student loans in countries such as Australia and the United Kingdom referred to by Bonardi, Brülhart, Danthine, Jondeau and Rohner (Batz.ch) in their analysis of desirable responses to the crisis, not least with regards to risk sharing, but the perspective we have adopted helps guide us in devising appropriate ways of recovering the advances made, though limited cost deductibility.

Michel Habib, University of Zurich, SFI and CEPR
The author would like to thank Urs Birchler and Alexandre Ziegler for helpful discussions, suggestions and comments. He is solely responsible for all errors.

Corona und die Kosten des Lockdowns

Reto Föllmi 
(Artikel aus Finanz und Wirtschaft)

Vielleicht ist es verfrüht, den Corona-Virus als Jahrhundertereignis zu bezeichnen. Das Jahrhundert ist noch jung und wir wissen nicht, was dieses Jahrhundert für uns alle noch bereithält. Mit Sicherheit ist es aber eine medizinische und wirtschaftliche Ausnahmesituation, die in jüngerer Zeit so nie vorgekommen ist. Die Wirtschaftspolitik muss bei einem so gewaltigen und plötzlichen Einbruch Vertrauen und Sicherheit schaffen. Arbeitnehmer und Selbständige brauchen dringend ihre Löhne und die Firmen benötigen weitere Liquidität, um weitere Rechnungen zu bezahlen.

Mit der grosszügig ausgestatteten Kurzarbeitsregelung werden die Löhne der betroffenen Branchen gesichert. Der Ausgleich ist aber nicht ganz 100%, so dass flexible Lösungen der Firmen in Arbeitszeit- oder Geschäftsmodellen wie Take-Aways belohnt werden. Dies schafft Sicherheit und ist auch aus Verteilungssicht sinnvoll, denn Arbeitnehmer aber auch Selbständige können sich gegen dieses Risiko nicht versichern.

Üblicherweise ist es Selbständigen verwehrt, auf die Kurzarbeit der ALV zuzugreifen, weil die Annahme von Aufträgen von ihnen selber abhängt. Der Einbruch aufgrund der Corona-Welle ist aber offensichtlich und in seiner Art einzigartig, was diese Hilfe für die Selbständigen eine gute und pragmatische Lösung macht. Allerdings sind auch selbständige Grafiker, Beraterinnen und Schreiner betroffen, deren Geschäftsaktivität nicht direkt behördlich geschlossen wurde. Es ist darum sinnvoll, dass der Bundesrat heute eine Ausweitung der Kurzarbeit auf diese Gruppen anbietet. Auch hier könnte die Differenz der Umsätze vor und während der Krise als Basis für die Entschädigung genommen werden.

Wie sieht es aber mit den übrigen Kosten und den Gewinnen, also der Entschädigung für das eingesetzte Kapital aus? Logischerweise muss hier die Liquidität für die Zahlung des Materials, der Mieten etc. sichergestellt sein, wie das mit den durch staatliche Bürgschaften gesicherten Covid19-Krediten der Banken geschehen ist. Die Kredite sind nach maximal 7 Jahren zurückzuführen, was für einen Geschäftskredit eine grosszügige Zeit ist und nicht zu exzessiver Schuldenlast führen muss. Die grosse Inanspruchnahme zeigt auch, dass dieses Programm auf eine grosse Nachfrage stösst.

In einer weiteren Auslegung des Versicherungsprinzips forderte mehrere Stimmen, dass der Gewinnentgang direkt über den Staat (teilweise) abgegolten werden sollte. Diese Forderungen lassen aber einen wichtigen Punkt ausser Betracht: das Kapital kann im Gegensatz zur Arbeit das Risiko weit besser tragen und bekommt für eben dieses Geschäftsrisiko ja in guten Zeiten eine Risikoprämie. Auch bei der Finanzkrise waren einzelne Branchen mehr betroffen und mussten die Verluste entsprechend selber berappen. Eine grossflächige Entschädigung oder nur teilweise Rückzahlung der Darlehen, um entgangene Gewinne zu kompensieren, wäre sehr teuer und würde auch hohe Mitnahmeeffekte von Unternehmern generieren, die auch noch davon profitieren wollen. In einer längeren Krise und wie von Lausanner Ökonomen angeregt wäre ein neues Programm denkbar, das nach dem Vorbild der australischen Studiendarlehen funktioniert, diese sehen im Erfolgsfalle eine raschere Rückzahlung vor. Prüfenswert ist auch eine Form der Brady-Bonds mit Abschlag nicht mehr für Staaten sondern für Firmen.

Auch wenn die Corona-Krise ist vielerlei Hinsicht einzigartig ist, stellt so eine Kompensation einen Präzedenzfall dar, der nur schwer aus der Welt zu schaffen wäre. Ähnliche Forderungen wären bei der nächsten Krise vorprogrammiert. Auch in der Finanzkrise waren einzelne Branchen stärker betroffen als andere. Wenn das Eigenkapital nun wiederholt einen von der Allgemeinheit zu berappenden Versicherungsschutz geniessen würde, womit liesse sich dann in Zukunft eine Risikoprämie für das Eigenkapital noch rechtfertigen? Dem schon in der Finanzkrise geäusserten Vorwurf, die Gewinne würden privat vereinnahmt die Verluste dann aber sozialisiert, käme erst recht eine gewisse Berechtigung zu.

Die Coronakrise ist eine Kombination von Nachfrage- und Angebotsschock. Die Nachfrage ist vielerorts eingebrochen und wir geben nichts mehr für Restaurants oder Anlässe aus. Aber das Angebot ist eben auch eingeschränkt. Weil viele wegen online Meeting, Kinderbetreuung etc. nicht gleich produktiv sind und Angestellte in Branchen wie Tourismus, Events gar nicht arbeiten können, liegt das ganze Produktionspotential tiefer. In «gewöhnlichen» Rezession wirksame Ankurbelungen der Wirtschaft sind darum im Moment wirkungslos. Eine Stimulierung der Wirtschaft während des partiellen Lockdowns ist gar nicht möglich und zudem aus Ansteckungsgründen gar nicht erwünscht.

Wegen des Produktionsabfalls können wir gar nicht den ganzen Kaufkraftverlust ersetzen. Würde im Extremfall der Staat 100% aller Ausfälle übernehmen und die Kaufkraft nominell voll erhalten, könnte nach Ende des Lockdowns eine gleiche oder wegen Nachholbedürfnissen noch gesteigerte Nachfrage auf ein verringertes Angebot treffen, das auch durch Überstunden nicht beliebig ausgeweitet werden kann. Das Resultat wäre zum ersten Mal seit Jahren Inflation nicht nur auf den Aktien- und Immobilienmärkten sondern auch für Güter und Dienstleistungen. Detailhändler verzichten bereits jetzt auf Aktionen und im Medizinalbereich sind Preissteigerungen schon eingetreten. Was die Zentralbanken in den vergangenen Jahren vergeblich zu erreichen suchten, wäre über einen nie vorausdenkbaren Weg eingetreten.

 

Schuldenbremse: Woher der Reform-Unwille?

Marius Brülhart

Wieso tut sich die Schweizer Politik so schwer mit der überfälligen Anpassung der Schuldenbremse?

Der Bundesrat freut sich auch dieses Jahr wieder auf ein über Erwarten rosiges Finanzergebnis. Er rechnet mit einem Überschuss von 2.8 Milliarden Franken – mehr als doppelt so viel wie budgetiert.

Hauptursache für die regelmässigen Rechnungsüberschüsse ist die unvollständige Ausschöpfung der gesprochenen Kredite. Dieses Phänomen hat nachvollziehbare Gründe und ist Ausdruck einer funktionierenden Verwaltung. Die budgetierten aber ungebrauchten Mittel betrugen in den letzten zwölf Jahren jeweils durchschnittlich 1.1 Milliarden. Eine seit 2017 geltende budgettechnische Flexibilisierung hat die jährlichen Kreditreste nur unwesentlich, auf ca. 0.9 Milliarden, gesenkt.

Der Bundesrat selber bezeichnet Budgetunterschreitungen infolge von Kreditresten denn auch als „systembedingt“.

Und trotzdem hat er sich unlängst ausdrücklich geweigert, die Schuldenbremse an diese Gegebenheit anzupassen.

Eine entsprechende Ergänzung des Regelwerks wäre vergleichbar mit der geläufigen Praxis der Fluggesellschaften, ihre Maschinen zu überbuchen, weil sie genau wissen, dass ein kleiner aber stetiger Anteil der gebuchten Passagiere die Reise letztlich nicht antritt. Ohne diese Praxis wären die Flugzeuge chronisch unterbelegt. Und ohne eine entsprechende Praxis weist der Rechnungsabschluss des Bundes eben chronisch Überschüsse aus.

Stattdessen schlägt der Bundesrat vor, den Budgetvollzug weiter zu flexibilisieren. Das Phänomen Kreditreste werden solche Massnahmen aber nicht aus der Welt schaffen. Dies wäre nur durch einen verschwenderischen Umgang mit öffentlichen Geldern zu erreichen, denn Budgetreste gehen unweigerlich mit einer effizienten Finanzkontrolle einher.

Woher also die Renitenz gegenüber einer Ergänzung der Schuldenbremse? Was spricht dagegen, die alle Jahre wiederkehrenden Kreditreste vorausschauend in der Budgetierung zu berücksichtigen?

Das Zögern der Politik liegt wohl zumindest teilweise daran, dass jegliche Anpassung der Schuldenbremse intuitiv als Lockerung verstanden wird; wobei man unter „Lockerung“ einen Anstieg der Staatsquote versteht. Beispielhaft dafür ist ein Beitrag von leitenden Ökonomen aus der Bundesverwaltung. Die Autoren sehen keinen akuten Bedarf nach zusätzlichen Bundesausgaben und somit auch keinen Anlass zu einer Anpassung der Schuldenbremse. Sie setzen eine Anpassung der Schuldenbremse also implizit gleich mit Zusatzausgaben.

Dies ist ein Missverständnis.

Es gibt zwar in der Tat Reformvorschläge, die in höheren Ausgaben münden würden. Gemäss dem Vorschlag der Expertenkommission jedoch wäre eine Ergänzung der Schuldenbremse mit einer Steuersenkung verbunden und nicht mit einer Ausgabenerhöhung. Also absolut staatquotenneutral.

Oder vielleicht will man auch bloss das Regelwerk nicht verkomplizieren. Die Luzerner Ökonomen Christoph Schaltegger und Michele Salvi sprechen von einer „komplexen Anpassung“, die erforderlich wäre. Technisch wäre die vorgeschlagene Ergänzung allerdings ziemlich simpel, denn man müsste bloss den existierenden Konjunkturfaktor um einen einfach berechenbaren administrativen Korrekturfaktor ergänzen.

Oder gründet der Unwille zur Reform letztlich in einer tiefen und nicht immer rationalen Aversion gegenüber Schulden jeder Art? Bekanntlich hat bei uns der Begriff „Schuld“ gleichzeitig ökonomische und moralische Bedeutung, wogegen beispielsweise die englische Sprache zwischen „debt“ und „guilt“ unterscheidet. Vielleicht präsentieren unsere Politiker ganz gerne unerwartete Überschüsse, und sehen darin mitnichten ein Marketingproblem.

Wie dem auch sei: Dass die Schweizer Steuerzahler Jahr für Jahr eine Milliarde Franken hinblättern für eine ökonomisch kaum mehr zu rechtfertigende Reduktion der ohnehin rekordtiefen nominellen Staatschuld, geht in dieser Diskussion gemeinhin vergessen.

Schuldenbremse — Schweiz besser als EU-Länder

Urs Birchler

Um die Schuldenbremse kümmert sich bei batz.ch normalerweise Marius Brülhart. Er hat kürzlich hier argumentiert, dass die Schweizer Schuldenbremse sogar einen leichten Zug rückwärts, in Richtung Schulden-Abbau, beinhalte.

Genau umgekehrt ist es in der EU, wie die Vitor Gaspar (Chef Fiscal Affairs beim IMF und früherer Finanzminister Portugals) and David Amaglobeli (ebenfalls IMF, früherer Gouverneur der Zentralbank von Georgien) in einer soeben erschienenen SUERF Policy Note zeigen. Die verschiedenen Ausgaben- oder Schuldenregeln in den einzelnen Ländern sind zwar nicht ganz wirkungslos, haben aber immer noch einen Zug in Richtung höherer Verschuldung. Hauptgrund: Die EU-Länder haben kaum Sanktionen zu befürchten. Wer soll schon den ersten Stein werfen: Es gab in den Jahren 1999-2016 nicht weniger als 37 Regelverstösse. Im Schnitt waren in jedem Moment fast 50 Prozent der Mitgliedländer in der Verstoss-Zone. Bemerkenswert: Die Euro-Staaten (die mindestens seinerzeit die Maastricht-Kriterien erfüllt hatten) schnitten seit der Finanzkrise deutlich schlechter ab als die Nicht-Euro-Mitglieder.

Mythos Wohneigentum

Marius Brülhart und Christian Hilber

In einem NZZ-Gastbeitrag haben wir unlängst dargelegt, wieso wir an der Besteuerung von Eigenmietwerten festhalten würden. Aus Platzgründen konnten wir dort nicht auf alle uns wichtigen Aspekte eingehen. Das holen wir nun nach.

Worum geht es? Die eidgenössischen Räte arbeiten derzeit an einer Vorlage für die Abschaffung der Eigenmietwertbesteuerung. Das würde die Hausbesitzer entlasten. Im Gegenzug sollen Hypothekarzinsen nicht mehr abgezogen werden können. Das wiederum täte den meisten Hausbesitzern weh. Viele Befürworter eines solchen Systemwechsels betrachten diesen daher als einigermassen neutral für die Hausbesitzer, sehen darin aber insbesondere den Vorteil, dass steuerliche Anreize zum Schuldenmachen wegfallen würden.

In unserem NZZ-Artikel legen wir dar, dass das neue System wahrscheinlich noch eigentümerfreundlicher wäre als das aktuelle System. Alle Hausbesitzer, derer steuerbarer Eigenmietwert die Abzüge für Unterhalt und Hypothekarzinsen übertrifft, würden von der Umstellung profitieren.

Wir plädieren für die Beibehaltung der Eigenmietwertbesteuerung, denn die einschlägige wissenschaftliche Literatur liefert gelinde gesagt wenig Argumente für eine stärkere Förderung des Wohneigentums.

Am Anfang dieser Diskussion steht also die Frage, ob und wieso Wohneigentum förderungsbedürftig ist.

Wohneigentumsförderung lässt sich aus ökonomischer Sicht dann begründen, wenn der freie Markt zu einer Unterversorgung führt. Dies ist der Fall, wenn Wohneigentum externe Nutzen schafft – das heisst Vorteile, die der gesamten Gesellschaft zugutekommen, in den Marktpreisen jedoch nicht abgegolten werden.

Empirische Analysen haben solche Effekte in der Tat nachgewiesen. Wohneigentümer investieren mehr in soziales Kapital als Mieter: Sie reden mehr mit Nachbarn, organisieren sich häufiger in Nachbarschaftsclubs und helfen sich generell öfter gegenseitig. Zudem halten Wohneigentümer ihre Immobilien in der Regel besser in Stand. Schliesslich bewirkt fremdfinanziertes Wohneigentum mit rückzahlbaren Hypotheken automatisches Sparen und hilft so, die Altersvorsorge eigenverantwortlich zu sichern.

Andererseits zeigen wissenschaftliche Studien auch externe Kosten des Immobilienbesitzes auf. So sind Wohneigentümer in der Regel weniger mobil als Mieter, was zu Fehlallokationen in Wohn- und Arbeitsmärkten führen kann. Forschung aus unserer eigenen Küche offenbart zudem, dass fremdkapitalfinanziertes Wohneigentum das kleine Unternehmertum hemmen kann, und dass Wohneigentümer tendenziell weniger in informelle berufliche Netzwerkpflege investieren. Schliesslich ist eine übermässige Hypothekarverschuldung ein Risikofaktor für die Stabilität der Finanzmärkte.

Ob externe Nutzen oder externe Kosten überwiegen, bleibt somit offen.

Klar ist, dass Steuervergünstigungen immer von irgendjemandem – in diesem Fall vor allem auch von den Mietern – kompensiert werden müssen. Zudem kann sich eine staatliche Wohneigentumsförderung sogar kontraproduktiv auswirken. Studien aus den Vereinigten Staaten zeigen, dass Steuervergünstigungen städtisches Wohneigentum paradoxerweise eher senken statt es zu erhöhen. Dies geschieht deshalb, weil die Eigentumsförderung in Gebieten mit Angebotsknappheit die Immobilienpreise erhöht, was wiederum Erstkäufern die notwendige Anzahlung an eine Hypothek erschwert.

Vor diesem Hintergrund liegt der Schluss nahe, dass das Steuersystem möglichst neutral ausgestaltet sein sollte. In der Schweiz wird Wohneigentum bereits begünstigt, durch tiefe Eigenmietwerteinschätzungen und grosszügige Unterhaltsabzüge wie auch durch Kapitalbezugsmöglichkeiten in der zweiten und dritten Säule.

Für eine noch stärkere Bevorteilung der Hauseigentümer gegenüber den Mietern gibt es kaum stichhaltige volkswirtschaftliche Argumente.

Der grosse NFA-Frieden

Marius Brülhart und Kurt Schmidheiny

Der Nationale Finanzausgleich (NFA), ein ewiger Zankapfel der Schweizer Politik, rückt 2019 noch stärker als sonst ins Rampenlicht. Gleich zwei NFA-Reformen stehen an: Eine neue Berechnungsmethode der kantonalen Finanzkraft im Zuge der Unternehmenssteuerreform und ein neues System zur Festlegung der Umverteilungssummen gemäss Vorschlag der Kantone.

Erstaunlicherweise stossen die beiden Vorlagen – immerhin der erste gewichtige Umbau des NFA seit seiner Einführung im Jahr 2008 – kaum auf Widerstand. Während der Unternehmenssteuerreform im Mai voraussichtlich eine zweite Bewährungsprobe an der Urne bevorsteht, scheint deren NFA-Komponente politisch unumstritten. Und der Vorschlag zum Systemwechsel bei der Umverteilung wurde im März 2017 von 21 Kantonen unterstützt, inklusive aller Geberkantone.

Trotzdem geht die Diskussion unter Ökonomen munter weiter. Uns Volkswirte interessieren neben den Verteilungswirkungen vor allem auch die gewollten und ungewollten Anreizwirkungen von Politikvorschlägen.

Der NFA bewirkt, dass es für Kantone weniger lukrativ ist, sich um neues Steuersubstrat zu bemühen. Jeder zusätzlich ausgewiesene steuerbare Franken kostet die Geberkantone nämlich eine Zusatzeinzahlung in den NFA-Topf respektive die Nehmerkantone eine Minderauszahlung aus demselben. Der Finanzausgleich fungiert somit als eigentlicher „Steuerwettbewerbs-Lusthemmer“. Das Mass für die lusthemmende Wirkung ist die Grenzabschöpfungsquote; diese erfasst den Anteil an jedem zusätzlichen kantonalen Steuerfranken, der via NFA gleich wieder verloren geht.

Im Bereich der Unternehmensbesteuerung sind die Grenzabschöpfungsquoten besonders hoch. In einer detaillierten Analyse haben Patrick Leisibach und Christoph Schaltegger von der Universität Luzern unlängst aufgezeigt, dass im aktuellen NFA fast die Hälfte der Kantone mit Grenzabschöpfungsquoten von über 100% konfrontiert sind, wenn sie Gewinne von ordentlich besteuerten Unternehmen anziehen. Für die Staatskasse dieser Kantone und ihrer Gemeinden sind zusätzliche Firmengewinne also ein Verlustgeschäft.

Die enormen Grenzabschöpfungsquoten auf Unternehmensgewinnen ergeben sich daraus, dass Gewinne im NFA gleich gewichtet werden wie Haushaltseinkommen, aber von den Kantonen viel tiefer besteuert werden. Nachdem die durchschnittlichen Firmensteuersätze in der Schweiz im Verlauf der letzten vier Jahrzehnte beinahe halbiert wurden, avancierte die Schweiz zu einem der weltweit steuergünstigsten Standorte für Firmengewinne und nach Irland zum zweitgrössten Magnet für buchhalterische Gewinnverschiebungen in Europa. Die Unternehmenssteuerreform sieht vor, diesem Umstand Rechnung zu tragen: Gewinne sollen tiefer gewichtet werden als Haushaltseinkommen, und zwar im Verhältnis der tatsächlichen Besteuerung. Unternehmensgewinne sollen so nur noch mit einem Gewicht von etwa einem Drittel in die Berechnung der kantonalen Finanzkraft einfliessen. Damit sinken auch die Grenzabschöpfungsquoten markant. Voraussichtlich würden nach einer Umsetzung der Reform nur noch die beiden Kantone Uri und Glarus Grenzabschöpfungsquoten von über 100% auf Unternehmensgewinnen zu gewärtigen haben.

Auch mit tiefer gewichteten Gewinnen mindert der Finanzausgleich noch den Anreiz der Kantone, ihr Unternehmenssteuersubstrat zu „pflegen“. Leisibach und Schaltegger schlagen deshalb vor, Unternehmensgewinne künftig gar nicht mehr in die Bestimmung der NFA-relevanten kantonalen Finanzkraft einzubeziehen. Damit läge die Grenzabschöpfungsquote für Unternehmensgewinne bei null.

Grenzabschöpfungsquoten grösser null sind aber durchaus sinnvoll, denn nicht jede Anstrengung eines Kantons zur Erhöhung des eigenen Steuersubstrats dient dem Gesamtwohl des Landes (geschweige denn der anderen Länder). Die Kantone rangeln nämlich nicht nur um mobile Firmengewinne aus dem Ausland, sondern auch – und dies erst recht nach der Abschaffung der Statusbesteuerung – um Firmengewinne aus anderen Kantonen. Aus der Finanzwissenschaft ist wohlbekannt, dass Steuerwettbewerb erstens eine zu tiefe durchschnittliche Besteuerung der besonders mobilen Steuerobjekte nach sich zieht und zweitens kleine Kantone gegenüber grossen bevorteilt. Als preisgesteuertes Mittel gegen die Erosion der Unternehmenssteuer im innerhelvetischen Wettbewerb hat der NFA somit durchaus eine ökonomische Berechtigung.

Zudem gilt es, neben den Anreizwirkungen die Verteilungswirkungen nicht aus den Augen zu verlieren. Die Unterschiede bezüglich der kantonalen Finanzkraft sind heute nämlich riesig. So reicht die aktuelle Finanzkraft (Ressourcenpotenzial pro Einwohner im Referenzjahr 2019) von 22‘000 Franken pro Einwohner im Kanton Jura bis 83‘000 Franken pro Einwohner im Kanton Zug. Die darin enthaltenen Gewinne der juristischen Personen umfassen eine noch grössere Spannbreite: von 3‘900 Franken pro Einwohner im Kanton Wallis bis 34‘300 Franken pro Einwohner im Kanton Zug. Diese enorme Ungleichverteilung würde bei der Nichtberücksichtigung der Unternehmensgewinne im NFA überhaupt nicht mehr kompensiert.

In einer neuen Studie zeigen wir auf, dass die beiden anstehenden Reformen zusammen betrachtet die interkantonalen Disparitäten noch leicht stärker reduzieren als das aktuelle System. Dass dies erreicht wird bei einer gleichzeitigen Entschärfung der Anreizproblematik, zeugt von einem durchdachten und ausgewogenen Reformbündel.

Friede herrscht!

Ergänzungsleistungen (EL) und Vermögen

Monika Bütler

National- und Ständerat streiten um die – dringend notwendige – Reform der Ergänzungsleistungen (siehe NZZ und Tagesanzeiger, zum Beispiel). Ein Knackpunkt dabei ist die Anrechnung des Vermögens.

Heute beträgt der Freibetrag zum Bezug von EL 37‘500 Franken, das darüber hinausgehende Vermögen wird nur zu 1/10 (im Heim: 1/5) zum Einkommen gerechnet. Es ist somit möglich, EL zu beziehen mit einem Vermögen von deutlich über 100’000 Franken. Das ist aus verschiedenen Gründen heikel: Erstens, weil mit diesem partiellen Vermögensschutz die Erben auf Kosten der Steuerzahler versichert werden. Zweitens, weil eine solch komplizierte Regelung zu einer Bevorzugung von potentiellen EL Bezügern mit mehr Wissen (oder schlauen Kindern) führt. Zu guter Letzt widersprechen Zahlungen an Bezüger mit genügend Vermögen dem Sinn von bedarfsorientierten Leistungen.

Der Nationalrat möchte nun die Vermögensgrenze auf 100’000 Franken absenken und „übermässigen“ Verwendung des Kapitalbezugs aus der zweiten Säule mit einer 10% Strafkürzung auf den EL belegen. (In Klammern, aber wichtig: Es wäre besser gewesen, die Vermögensanrechnung bei EL zur IV anders zu behandeln als die EL zur AHV. Für die IV wäre eine höhere Vermögensgrenze angemessen, da es hier nicht um den Schutz der Nachkommen geht, sondern um die eigene künftige Lebensgrundlage der Versicherten.)

Unbestritten hat das schweizerische Sozialversicherungssystem starke Anreize für einen Kapitalbezug aus der zweiten Säule (siehe hier und hier und hier). Das durch die EL garantierte Einkommen liegt rund 1000 Franken pro Monat über der AHV-Maximalrente. Wer eine relativ kleine Rente aus der Pensionskasse und kein Privatvermögen hat, fährt mit dem Barbezug fast immer besser als mit der Rente. Besser fahren auch diejenigen mit einer kürzeren Lebenserwartung – oft Menschen, die nicht so Glück hatten im Leben,

Die Anreize kommen allerdings nicht nur von den EL; die steuerliche Belastung des Kapitalbezugs ist in den meisten Kantonen ungleich tiefer als die Steuerlast auf den PK Renten. Salopp gesprochen bestraft man Leute, die vorher wegen tieferen Steuern zum Barbezug gelenkt wurden (wobei auch die Pensionskassen wegen überhöhten Umwandlungssätzen keine Veranlassung sehen, dies zu ändern).

Eine Anrechnung vergangener Ausgaben ist heikel, rechtlich und praktisch. Abgesehen von Schenkungen an die Nachkommen: Wie soll der Staat beurteilen, welche Ausgaben „unnötig“ waren, wann der Verbrauch des Kapitals „vorzeitig“ war? Vielleicht wurde das PK Kapital bezogen, um eine vorzeitige Pensionierung aus gesundheitlichen Gründen zu finanzieren (und die IV zu schonen)? Vielleicht war die Bezügerin krebskrank zum Zeitpunkt der Pensionierung? Ausser in wenigen klaren Fällen (Schenkungen an Kindern, Immobilienerwerb) ist die Beurteilung eines vorzeitigen Verbrauchs der PK Guthaben willkürlich und anmassend.

Was tun? Es ist sinnvoll – wie vorgeschlagen – die Vermögensgrenze zu senken. Die EL sind nicht dazu da, die Erben zu schützen. Die Vermögensgrenze bei den EL zu AHV hätten man noch weiter senken können und dafür die partielle (für viele zu komplizierte) Anrechnung des Vermögens als Einkommen fallen lassen. Wer zuerst den Grossteil des Vermögens abbauen muss, wird sich seine Anschaffungen/Ausgaben gut überlegen – ob mit oder ohne Kapitalbezug aus der PK.

PS1: Vielleicht überlegen sich ja die PolitikerInnen auch einmal, ob es wirklich sinnvoll ist, den Kapitalbezug steuerlich zu subventionieren – um ihn dann später wieder zu bestrafen.

PS2: Hausbesitz kompliziert die Analyse ein wenig. Es gibt aber genügend Ideen (zBsp Rückzahlung der EL bei der Veräusserung/Vererbung des Hauses), damit umzugehen.