Die Finanzierungslücke des bedingungslosen Grundeinkommens ist viel höher als 25 Mia pro Jahr

Von Gebhard Kirchgässner

Am 5. Juni werden wir über die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens abstimmen. Im Verfassungsartikel steht zwar, dass es „ein menschenwürdiges Dasein und die Teilnahme am öffentlichen Leben ermöglichen“ soll, jedoch nichts über dessen genaue Höhe. Den Initianten schwebt ein Einkommen von 2’500 Fr. für alle Erwachsenen und 625 Fr. für alle Kinder und Jugendlichen vor. Davon geht auch der Bundesrat aus. Dies ergäbe insgesamt einen Betrag von 208 Milliarden Fr. pro Jahr.

Geht man nach der Botschaft des Bundesrats und dem Abstimmungsbüchlein, wären zur Finanzierung zusätzlich 25 Milliarden Fr. erforderlich. 55 Milliarden Fr. ergäben sich durch Einsparungen bei den Sozialausgaben, und es „könnten rund 128 Milliarden Fr. gedeckt werden, indem von jedem Erwerbseinkommen 2500 Fr. abgezogen würden, bei Einkommen unter 2500 Fr. entsprechend das ganze Einkommen.“ Um die restlichen 25 Milliarden Fr. zu finanzieren, müsste beispielsweise die Mehrwertsteuer um 8 Prozentpunkte angehoben werden.

Leider ist die tatsächliche Finanzierungslücke sehr viel grösser. Zum einen ist es nicht ganz einfach, von jedem Erwerbseinkommen bis zu 2500 Fr. abzuziehen. Man könnte es über eine proportionale Einkommensteuer versuchen. Geht man vereinfachend davon aus, dass das Nettonationaleinkommen als Steuerbasis zur Verfügung stünde, das garantierte Grundeinkommen jedoch steuerfrei bliebe, könnte ein Gesamteinkommen von 505 Milliarden besteuert werden. Dies bedeutete bei einer proportionalen Steuer allein für die Finanzierung des Grundeinkommens einen Grenzsteuersatz von 41 Prozent. Dazu kämen selbstverständlich noch die anderen Steuern, schliesslich hat der Staat neben anderem auch für das Rechtswesen, die Erziehung und den Verkehr zu sorgen. Albert Jörimann, ein Verfechter des Grundeinkommens, hat als Alternative für Erwerbs- und Kapitaleinkommen bis 4’000 Fr.pro Monat eine Proportionalsteuer von 67 Prozent und darüber eine Kopfsteuer von 2’500 Fr. vorgeschlagen.

Das ist aber noch nicht alles. Alle diese Berechnungen gehen davon aus, dass sich auf der Einnahmenseite des Staates nichts ändert. Wenn aber die AHV durch das Grundeinkommen ersetzt wird, fallen auch die Beiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer dafür weg. Sie werden damit finanziell entlastet. Damit die Rechnung aufgeht, muss der entsprechende Betrag vom Staat an anderer Stelle wieder hereingeholt werden. Das Gleiche gilt für die Invaliden- und die Arbeitslosenversicherung, soweit sie durch das Grundeinkommen ersetzt werden. Die dann wegfallenden Beiträge bewegen sich in einer Grössenordnung von 35 Milliarden Fr. Sieht man einmal von den Problemen ab, die 2’500 Fr.pro Monat von denjenigen zurückzuholen, die über eigenes Einkommen verfügen, bleibt immer noch eine Finanzierungslücke von ca. 60 Milliarden Fr., die zu schliessen wäre. Wollte man diese beispielsweise über die Mehrwertsteuer erreichen, benötigte man (selbst unter idealen Bedingungen) nicht nur eine Erhöhung um 8 Prozentpunkte, sondern sogar um etwa 20 Prozentpunkte.

Nicht von den Initianten, sondern auch im Abstimmungsbüchlein wird die durch eine Annahme dieser Initiative entstehende Finanzierungslücke somit massiv unterschätzt.

(Eine ausführliche Version mit den genauen Berechnungen findet sich als Diskussionspapier hier)

Das BGE und die Arbeitsproduktivität

Monika Bütler

Für einmal bin ich sogar mit den Initianten des bedingungslosen Grundeinkommens einverstanden BGE. In einem Grundlagenpapier, von der NZZ als Ökonomie des Schlaraffenlands dargestellt, gehen die Verfasser der Studie von einer Steigerung der Arbeitsproduktivität um 5% aus. Das sieht nach viel aus, ist es aber nicht. Die Arbeitsproduktivität der Schweiz wäre selbst mit einer Erhöhung um 5% noch tiefer als diejenige von Frankreich (was die OECD ja ständig lehrmeistert). Eine Steigerung der Arbeitsproduktivität durch ein BGE scheint mir daher durchaus plausibel.

NUR: Der Grund einer höheren Arbeitsproduktivität wäre ein gaaaanz anderer. Die von den Autoren erwähnten positiven Effekte einer besseren Ausbildung würden sich erst viele Jahre nach einer Einführung bemerkbar machen – falls überhaupt. Vielleicht arbeiten die Menschen tatsächlich motivierter – mindestens diejenigen, die dann noch eine Beschäftigung haben. Denn genau da liegt der springende Punkt: Denn mit einem BGE bleiben im Arbeitsmarkt mit grosser Wahrscheinlichkeit diejenigen mit einer gut bezahlten und interessanten Arbeit. Also die Produktiveren.

Anders gesagt, wenn die Schweiz ihren weniger produktiven Bürger mit dem BGE einen Anreiz gibt, aus dem Arbeitsmarkt auszusteigen, steigert sie ganz automatisch ihre Arbeitsproduktivität. Für die noch arbeitende Durchschnittsbürgerin hiesse dies ein tieferes verfügbares Einkommen, weil sie über ihre Steuern deutlich mehr Transfers zu berappen hätte. Die höheren Steuern machen dann die Arbeit für weitere Menschen unattraktiv.

Die wirklich heroische Annahme der Studie liegt allerdings darin, dass eine höhere Arbeitsproduktivität mit einem höheren Volkseinkommen gleichgesetzt wird. Dies geht wirklich nur, wenn ALLE im gleichen Ausmass weiterarbeiten würden.wie bisher. Was selbst die Befürworter des BGE nicht glauben. Woher dann die Zeit für die Weiterbildung und die Pflege der Familienmitglieder kommen sollte, bleibt das Geheimnis der Autoren. Auch weshalb in einem solchen Land die stressbedingten Ausfälle abnehmen würden.

Vielleicht wollten uns die Autoren der Studie nur wieder einmal in Erinnerung rufen, welch untauchliches Konzept die Arbeitsproduktiviät darstellt. Auch da wären wir uns einig, wie ich in einer meiner ersten NZZaS Kolumnen ausgeführt habe.

Geldreform — Weltreform

Urs Birchler

Hier ein Veranstaltungshinweis in eigener Sache:


Abschiedsvorlesung von

Prof. Dr. Urs Birchler
Professor of Banking am Institut für Banking und Finance.

„Geldreform — Weltreform“

Das Geldwesen ist aus den Fugen, Reformvorschläge blühen. Freigeld, Vollgeld, Bit-Geld, Negativzins, Bargeldverbot: Was gestern als Wahn erschien, ist heute Wirklichkeit — und umgekehrt. Ein Blick durch’s monetäre Kaleidoskop in die Zukunft…

Dienstag, 24. Mai 2016, 18.30
Universität Zürich, Aula KOL-G-201, Rämistrasse 71, 8006 Zürich (Lageplan)


BGE: eine attraktiv erscheinende, aber nicht realisierbare Utopie

von Gebhard Kirchgässner

Das BGE ist eine attraktiv erscheinende, aber nicht realisierbare Utopie

  • Das Konzept des Grundeinkommens bietet ohne Frage viele Vorteile.
  • Wieso soll ein Arbeitsverweigerer Anspruch auf staatliche Unterstützung haben?
  • Ein bedingungsloses existenzsicherndes Grundeinkommen wäre nicht finanzierbar.

Das Prinzip des bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) ist einfach: Jede Bürgerin und jeder Bürger erhält pro Monat einen festen Betrag vom Staat. Dieser Betrag ist unabhängig von der jeweiligen wirtschaftlichen Lage des Bürgers und gesetzlich festgelegt. Der Staat muss dieses Geld aber über die Steuern wieder zurückholen, indem er beispielsweise das Einkommen besteuert. Das staatlich finanzierte Grundeinkommen würde mit dem eigentlichen Einkommen verrechnet. Bis zu einer gewissen Einkommensgrenze erhielte man somit netto Einkommen vom Staat, danach, wenn die zu zahlende Steuer höher als das Grundeinkommen ist, müsste man dem Staat etwas abgeben. Man spricht daher auch von der „negativen Einkommensteuer“.

Dieses Konzept hat drei Vorteile:

(i)      Es soll Arbeitsanreize schaffen. Sobald ein Sozialhilfeempfänger im traditionellen System unseres Sozialstaats Arbeit aufnimmt, werden die staatlichen Leistungen in erheblichem Umfang gekürzt, sodass er netto kaum mehr, unter Umständen sogar weniger Einkommen zur Verfügung hat, als wenn er nicht arbeiten würde. Unter diesen Bedingungen hat er kaum Anreiz, eine Beschäftigung aufzunehmen.

(ii)     Es soll das Sozialhilfesystem vereinfachen. Da Sozialleistungen wegfallen, müssen sie auch nicht mehr beantragt und verwaltet werden; die Sozialbürokratie könnte stark verringert werden.

(iii)    Es soll den Armen mehr Würde verschaffen. Heute müssen sie gegenüber dem Sozialamt nachweisen, dass sie bedürftig sind. Das muss zwar nicht, kann aber entwürdigend sein.

Befürworter, wie beispielsweise der holländische Philosoph Phillipe van Parijs, führen zusätzlich ins Feld, dass erst ein bedingungsloses Grundeinkommen wirkliche Freiheit und Selbstverwirklichung gewährleiste. Er vertritt die Auffassung, dass man nur so eine freie Wahl zwischen Arbeit und (Selbstverwirklichung in der) Freizeit hätte. Bei allen diesen Vorzügen wundert es nicht, dass dieses Konzept viele Befürworter findet.

Aber das BGE hat auch gewichtige Nachteile: Der wichtigste ist, dass es zumindest dann nicht finanzierbar ist, wenn es existenzsichernd sein soll. Setzt man das Existenzminimum auch nur bei 40 Prozent des Durchschnittseinkommens an und verteilt deshalb 40 Prozent des Sozialprodukts pro Kopf gleichmäßig an alle Bürgerinnen und Bürger, müsste man dieses Geld sofort wieder durch Steuern einziehen. Dies würde Grenzsteuersätze über 60 Prozent erfordern, d.h. von jedem zusätzlich zum Grundeinkommen verdienten Franken müsste man 60 Rappen an den Staat abliefern.

Damit wäre noch keine einzige Schule und keine Straße unterhalten, es gäbe kein Gerichtswesen und keine Polizei. Will man auf diese Einrichtungen nicht verzichten, lägen die Grenzbelastungssätze vermutlich eher 80 Rappen je zusätzlich verdienten Franken abliefern. Unter diesen Bedingungen wäre kaum ein positiver Beschäftigungseffekt zu erwarten. Vielmehr gäbe es starke Anreize, nicht mehr zu arbeiten und sich mit dem vom Staat erhaltenen Geld ein einfaches, aber nicht unattraktives Leben zu ermöglichen. Ist das bedingungslose Einkommen nicht existenzsichernd, mag es zwar finanzierbar sein, aber die oben genannten positiven Aspekte entfallen.

Nicht mehr als eine faszinierende Idee

Schliesslich stellt sich auch die Frage, mit welchem Recht jemand, der nicht arbeiten will, einen Anspruch auf staatliche Unterstützung erheben kann. Der amerikanische Philosoph John Rawls hat van Parijs widersprochen: Zwar hat jeder, der aus objektiven Gründen nicht arbeiten kann, Anspruch auf Unterstützung durch die Gemeinschaft. Wer aber arbeitsfähig ist und eine ihm angebotene Arbeit ablehnt, kann keinen Anspruch darauf erheben, dass die anderen Mitglieder der Gesellschaft seinen Lebensunterhalt finanzieren. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Insofern bleibt das bedingungslose Grundeinkommen zwar eine faszinierende Idee, aber da sie nicht finanzierbar ist, bleibt sie leider im Bereich der Utopie. Das gilt für die Schweiz ebenso wie für Deutschland.

Dieser Beitrag ist zuerst bei XING erschienen:

Lauter Strafen in der AHV

Monika Bütler

Publiziert in der NZZ am Sonntag vom 22. Februar unter dem Titel „Das ständige Gefühl zu kurz zu kommen“.

Auf den ersten Blick scheint alles klar. Ein Paar in „wilder Ehe“, wie es früher so schön hiess, bekommt oft mehr Altersrente als ein verheiratetes Paar – dies bei gleichen Beiträgen. Weiterlesen

Bargeld verbieten?

Urs Birchler

Die Feinde des Bargelds sind im Vormarsch. Dies ist zumindest der Eindruck, den man als regelmässiger Zeitungsleser erhält. Die NZZ allein hat in den letzten Tagen viermal über Initiativen zur Einschränkung oder Abschaffung von Banknoten berichtet, z.B. hier, hier, hier und hier.

Die Thematik ist zugegebenerweise komplex. Genug Grund, auf ein Übersichtspapier hinzuweisen, das Christian Beer, Ernest Gnan und ich als SUERF Policy Note geschrieben haben (mit Kurzfassung hier).

Auch bei batz.ch haben wir schon mehrmals über die Bargeld-Kontroverse berichtet: Bargeld abschaffen?, Freispruch für Bargeld und dazu Folge 2. Die letzteren beiden Beiträge beziehen sich auf einen theatralischen Schauprozess.

Natürlich steht es jedem frei, Bargeld als Instrument des Verbrechens oder als Säule der Freiheit zu sehen. Zur Versachlichung der Diskussion wären die hier zitierten Beiträge aber vielleicht hilfreich.

[Bei meinem gegenwärtigen Wissensstand neige ich eher dem freiheitlichen Lager zu.]

Stiglitz und Strahm beim Tricksen

Urs Birchler

Dieser Tage musste man wieder aufpassen beim Zeitunglesen.

Beispiel 1: Rudolf Strahm behauptet in Der Bund, dass Rohstoffspekulanten (a) profitorientiert seien und (b) die Preise destabilisieren. Dies geht aber schlecht zusammen. An der Börse gewinnt in der Regel, wer billig kauft und teuer verkauft — das heisst, derjenige der die Preise stabilisiert. Natürlich kann ein Einzelner einmal Glück haben, indem er eine spekulative „Blase“ kurzfristig mitreitet und noch rechtzeitig, vor dem Platzen, verkauft. Aber eine Branche als ganze kann dies nicht. Auch das Gegenteil geht nicht: Oder würden Sie einem Rohstoffkonzern glauben, der behauptet, er stabilisiere die Preise, verliere dabei aber einen Haufen Geld? Also: entweder profitabel (und insgesamt stabilisierend) oder destabilisierend (und insgesamt unprofitabel).

Beispiel 2: Joseph Stiglitz sagt Weiterlesen

Vollgeld: Louisiana 1842

Urs Birchler

Die Vollgeld-Idee wurde in der Praxis bereits einmal erprobt. Und das kam so: Die USA erlebten 1837 (nachdem die Charter für die Zentralbank, die Second Bank of the United States, nicht erneuert worden war) eine schwere Wirtschafts- und Bankenkrise. In der Folge zog sich der Bundesstaat aus der Bankenregulierung zurück, und die einzelnen Staaten gingen in der Gesetzgebung getrennte Wege. New York ging über zum Free Banking, einem im wesentlichen nicht-regulierten Bankwesen, samt Ausgabe von Banknoten durch die privaten Banken. Indiana erlaubte Bankgeschäfte nur einer Staatsbank. Texas und Iowa verboten Banken überhaupt.

Einen Mittelweg wählte Louisiana mit der Banking Act von 1842. Banken wurden verpflichtet, ihre ausgegebenen Banknoten plus Depositen voll zu unterlegen mit (a) Bargeld (mindestens zu 1/3) und (b) Papieren mit Laufzeit von maximal 90 Tagen (für die übrigen 2/3). Diese Papiere durften bei Fälligkeit auf keinen Fall erneuert werden, damit keine Kurzfristigkeit vorgegaukelt werden konnte. Der liquide Teil der Bilanz hiess Movement, der langfristige Teil Dead Weight.

Das System, das dem Vollgeld (mit Silber anstatt Guthaben bei einer Zentralbank) also recht nahe kam, wurde unter dem Namen seines Erfinders Edmund J. Forstall bekannt als Forstall-System. Näheres findet sich in einem Artikel des Bankenhistorikers Bray Hammond von 1942. Das System bewährte sich nicht schlecht: In der Krise von 1857 mussten die Banken in anderen Staaten ihre Schalter schliessen — nicht aber in Louisiana.

Wie sehr sich die Erfahrung mit dem Forstall-System verallgemeinern lässt, ist umstritten. Louisiana war mit dem weltweit viertgrössten Handelshafen New Orleans auch Umschlagplatz für mexikanisches Silber, wodurch die Banken ohnehin eher liquid waren. George D. Green weist in Finance and Economic Development in the Old South: Louisiana Banking, 1804-1861 von 1972 auf einen besonders interessanten Punkt hin: Louisiana blieb vom Bankenkrach vielleicht nicht in erster Linie deshalb verschont, weil das „Vollgeld“ in der Krise die Banken stärkte, sondern weil es die Banken (aufgrund der strengen Liquiditätspflicht) bereis im vorangegangenen Boom an übermässigem Kreditwachstum gehindert hatte.

Nach dem Bürgerkrieg inspirierte Louisiana auch die Bankengesetzgebung von New York und Massachussets; indirekt sogar die spätere Bankengesetzgebung auf Bundesebene und die Gesetzgebung bei der Errichtung des Fed.

Zürich Bern 0:2 im Streit um Finanzausgleich

Kurt Schmidheiny, Universität Basel

Nach der Kritik von Zug und Schwyz am Nationalen Finanzausgleich (NFA) findet nun auch Zürich die Transferzahlungen an den grössten Nehmerkanton Bern ungerecht (siehe Tages-Anzeiger vom 19. November).

Der Kanton Bern ist im schweizerischen Steuerwettbewerb in der denkbar schwierigsten Ausgangslage: Als grosser Kanton kann er sich nicht wie Zug oder Schwyz als Steuerhafen für Firmen und Haushalte etablieren. Und anders als grosse Wirtschaftsagglomeration wie Zürich, Genf oder Basel kann er sich nicht auf hohe Einnahmen aus Gewinnsteuern stützen.

Der Kanton Bern hat deshalb ein einschneidendes Sparprogramm gestemmt mit jährlichen Einsparungen zwischen 231 Mio. Franken im Jahr 2014 und 491 Mio. Franken im Jahr 2017 (siehe hier). Dieses Sparprogramm war sinnvoll und nötig, führte aber zu schmerzhaften Kürzungen öffentlicher Leistungen. Der verdiente Ertrag dieser Sparanstrengungen ist ein nachhaltig gesundes Budget.

0:1 für Bern.

Der Kanton Bern erliegt auch nicht der kurzsichtigen Versuchung, die aktuellen Überschüsse für Steuersenkungen zu verwenden. Denn er weiss aufgrund einer bei Urs Müller, Marius Brülhart, Dominik Egli und mir in Auftrag gegebenen wissenschaftlichen Studie, dass dies die Finanzsituation des Kantons kurz- wie langfristig verschlechtern würde.

0:2 für Bern.

Der NFA gleicht die schwierige Ausgangslage des Nehmerkantons Bern mit seinem tiefen Ressourcenpotential teilweise aus. Dass der Kanton Bern mithilfe einer mustergültigen Finanzpolitik das Beste daraus macht, verdient nicht Schelte, sondern den Respekt der Geberkantone.

Der Kanton Zürich besteuert Haushalte und Firmen im Vergleich zum Kanton Bern deutlich tiefer (siehe die Abbildung unten) und hat deutlich höhere pro Kopf Ausgaben als der Kanton Bern. So betrug der Personalauwand pro Einwohner im Kanton Zürich und seine Gemeinden im Jahr 2013 rund 20% mehr als im Kanton Bern und seinen Gemeinden (5540 Franken gegenüber 4590 Franken). Die wenig erfreuliche Finanzlage des Kantons Zürich ist das Ergebnis der relativ tiefen Besteuerung seines hohen Ressourcenpotentials und der relativ grosszügigen Ausgabenpolitik. Mit einer moderaten Erhöhung der Steuern oder einer moderaten Sparrunde könnte der Kanton Zürich seine Finanzlage problemlos nachhaltig sanieren – und dies bei weiterhin deutlich tieferen Steuern und deutlich höheren öffentliche Ausgaben als der Kanton Bern.

einkst_v0k_ZH-BE

Abbildung: Steuerbelastung durch Kanton, Gemeinden und Kirchen im Jahr 2014 in Prozent des Reineinkommens für ein verheiratetes Paar ohne Kinder unter Berücksichtigung der üblichen Abzüge. Durchschnitt aller Gemeinden des Kantons gewichtet mit der Anzahl Steuerzahler. Zum Vergleich ist das Minimum, das unterste Viertel (25. Perzentil), der Durchschnitt, das oberste Viertel (75. Perzentil) und das Maximum aller Schweizer Kantone abgebildet. Quelle: Eidgenössische Steuerverwaltung, Steuerbelastung der Gemeinden. Aufbereitet im Rahmen des SNF Projektes Fiscal Federalism.