Financial Stability Board (FSB) blamiert Bundesrat

Urs Birchler

Der Bundesrat “löste” das CS-Problem im vergangenen März mit Gewalt – gegenüber der Credit Suisse, der UBS und de facto gegenüber der SNB. Den vorgesehenen Instrumenten des Bankengesetzes zog er Notrecht vor. Solches erfordert starke Gründe. Die vom Bundesrat vorgebrachten Argumente hat jetzt das Financial Stability Board (FSB) in einem Bericht untersucht.

Das FSB ist das von den Behörden der G20-Länder getragene internationale Expertengremium zum Thema Finanzstabilität. Es ist das Dach-Gremium zu spezialisierteren Gremien wie dem Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (Banken), IOSSCO (Versicherungen) u.a. Im FSB ist auch die Schweiz vertreten (aktuell mit Staatssekretärin Daniela Stoffel und Notenbankpräsident Thomas Jordan).

Das FSB als Behördenorganisation formuliert seine Berichte mit Bedacht. Auch der 35-seitige Bericht zur Behandlung der CS und anderer fallierter Banken ist sorgfältig abgefasst. Umso erstaunlicher die Aussagen: Die Kritik an der Entscheidung des Bundesrates klingt – entfernt man die übliche Watte der Diplomatie – vernichtend. 

Doch vorab zum Hintergrund: Wenn eine Bank ihre Probleme nicht mehr aus eigener Kraft lösen kann, wie die CS im März 2023, gibt es im Prinzip drei Lösungen (die bei einer Aufteilung der Bank auch kombiniert werden können) :

  • Modell “Götti”: Jemand (UBS, Bund) kauft die Bank samt ihren Problemen.
  • Modell “Resolution”: Die Bank wird saniert.
    a) mittels Rückschnitt von Ansprüchen der Aktionäre und der Gläubiger (bail in)
    b) mittels Zufuhr neuer Mittel, notfalls durch den Staat (bail out)
  • Modell “Konkurs”: Die Bank wird liquidiert.

Der Bundesrat behauptete, das Modell Resolution – verbunden mit einer allfälligen (Teil-)Verstaatlichung sei nicht in Frage gekommen. Warum nicht? 

Die zuständige Finanzministerin (frisch im Amt) liess am Wochenende der Notlösung über ihren gemäss NZZ gut informierten Parteipräsidenten im Tages-Anzeiger verlauten, der Grund sei Druck aus dem Ausland gewesen. Später argumentierte der Bund:

  1. Das Vertrauen in die CS sei unwiederbringlich zerstört gewesen. 
  2. “dass eine Sanierung einer global systemrelevanten Grossbank und ein Bail-In im aktuellen Marktumfeld zu massiven Verwerfungen geführt hätte”.
  3. “Der Konkurs der Finanzgruppe unter Aktivierung des Schweizer Notfallplanes zur Fort- führung insbesondere der systemrelevanten Funktionen in der Schweiz hätte mit [an] Sicherheit grenzender Wahrsch[e]inlichkeit in der aktuellen Lage erst recht zu einer massiven Destabilisierung der Märkte geführt.”

Ziemlich vage verwirft das Eidg. Finanzdepartements EFD auf der FAQ-Seite zur Credit Suisse die Möglichkeit einer geordneten Resolution mit Hinweis auf internationale und nationale Risiken. Eine (Teil-)Verstaatlichung wurde offenbar nicht ernsthaft in Erwägung gezogen (und auch nicht den Kosten des TBTF-Status der Kombi-UBS gegenübergestellt), sobald am Horizont die Gotte UBS auftauchte.

Das Hauptargument des Bundesrates lautete zusammengefasst: Das vorhandene, in den vergangenen Jahren schrittweise ausgebaute, gesetzliche Instrumentarium des Modells „Resolution” war nicht anwendbar. 

Schon die FINMA teilte diese Auffassung in ihrem Recovery and Resolution Report per Ende 2022 (publiziert kurz nach der CS-“Rettung”) nicht: Beide Grossbanken erhielten in allen drei Kategorien (Recovery plan, Swiss emergency plan, Institution resolvability) die Note „grün“. Dennoch sah der Bundesrat rot.

Das Financial Stability Board verwirft nun die Argumentation des Bundesrates in ihrer Gänze. Eine Umsetzung der von der FINMA – in Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden bis hin zu asiatischen Aufsehern – vorbereiteten Resolutions-Pläne wäre möglich gewesen (S. 11). Die FINMA sei auch bereit gewesen, diese Pläne umzusetzen, sollte die Übernahme-Lösung scheitern. Im Wortlaut:

Some have suggested that … the resolution framework is not workable. However, the FSB’s review does not support that conclusion. As indicated above, a resolution was ready to be implemented that weekend. (S. 11)

Dass ein internationales Gremium dies in aller Deutlichkeit sagt, zeigt zweierlei: Erstens war der “internationale Druck” in Richtung der vom Bundesrat gewählten Lösung wohl eher eingebildet. Und zweitens sind die vom Bundesrat vorgebrachten Argumente zugunsten dieser Lösung, finanztechnisch gesprochen, Nonvaleurs. Langfristig, so sei angefügt, ziemlich teure.

Die steigende Vermögenskonzentration in der Schweiz ist grösstenteils hausgemacht

Marius Brülhart, Matthias Krapf und Kurt Schmidheiny

Aus aktuellem Anlass ist die Zahl derzeit in aller Munde: 43 Prozent der steuerbaren Vermögen gehören dem vermögendsten Prozent der Schweizer. Unter Industrieländern ist das eine rekordstarke Ballung des verfügbaren Privatkapitals (Abbildung 1). Um zum obersten Vermögenprozent zu gehören, muss man ein steuerbares Nettovermögen von über 4 Millionen Franken ausweisen.

Im Jahr 2005 hatte der Vermögensanteil des reichsten Prozents noch 37% betragen. Seither ist die Summe der Top-1%-Vermögen im Durchschnitt jährlich um 5.8% gewachsen, die Summe der Vermögen der restlichen 99% jedoch bloss um jährlich 3.8%. Die Vermögen des obersten Prozents vermehrten sich also anderthalbmal so schnell wie diejenigen der restlichen Bevölkerung.

Dieser Anstieg ist fast überall in der Schweiz zu beobachten: Abbildung 2 zeigt, dass der Top-1%-Vermögensanteil seit 2005 in 22 der 26 Kantone zugenommen hat.

Der Blick auf die Kantone zeigt auch, dass sowohl der Top-1%-Vermögensanteil als auch dessen Anstieg in den steuergünstigen Zentralschweizer Kantonen Nidwalden, Schwyz und Zug besonders ausgeprägt sind. Stark zugenommen hat die Vermögenkonzentration zudem in Obwalden und Luzern, wo die Steuern auf vermögende Personen in der Beobachtungsperiode deutlich gesenkt worden waren.

Der Anstieg des Top-1%-Vermögensanteils in steuergünstigen Kantonen könnte die Folge von Zuwanderung vermögender Ausländer sein. Wenn dem so wäre, dann könnten wir diese Entwicklung aus rein Schweizer Sicht gelassen nehmen, ja sogar als Erfolgsmerkmal verbuchen.

Wir haben die Zuwanderungshypothese daher genauer untersucht.

Eine solche Analyse ist nur machbar mit detaillierten Daten zu den Vermögen und Wohnsitzen jedes einzelnen Steuersubjekts. Dank einer wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit dem statistischen Amt des Kantons Luzern konnten wir solche Daten – anonymisiert und streng gesichert – für diesen Kanton auswerten. Dabei haben wir Glück, denn Luzern ist für unsere Belange der repräsentativste aller Kantone. Abbildung 2 zeigt, dass Luzern sowohl hinsichtlich des Top-1%-Anteils als auch hinsichtlich dessen Anstieg näher beim Schweizer Durchschnitt liegt als jeder andere Kanton.

Zur Bestimmung des Wanderungseffekts haben wir die Luzerner Steuerzahler in drei Gruppen aufgeteilt:

  • Sesshafte, d.h. Steuerzahler die zwischen 2005 und 2015 weder zu- noch weggezogen sind,
  • interkantonale Umzügler, d.h. Steuerzahler, die zwischen 2005 und 2015 aus einem anderen Kanton zugezogen oder in einen anderen Kanton weggezogen sind, und
  • internationale Umzügler, d.h. Steuerzahler die zwischen 2005 und 2015 aus einem anderen Land zugezogen oder in ein anderes Land weggezogen sind.

Wir zeigen in Abbildung 3 die Entwicklung des Luzerner Top-1%-Vermögensanteils für die Sesshaften. Dazu addieren wir schrittweise die interkantonalen und die internationalen Umzügler.

Bis 2008 sind die drei Kurven deckungsgleich: Umzüge von und nach Luzern haben an der Vermögensverteilung nichts geändert. Ab 2009 geht die Schere jedoch auseinander. Der Anteil der Top-1% wird kontinuierlich grösser, insbesondere wenn man die Umzügler mitberücksichtigt. Seit 2009 sind also deutlich mehr Vermögende nach Luzern zugezogen als weggezogen – sowohl interkantonal wie auch international. Der Trendbruch lässt sich erklären: Luzern hat 2009 seine Vermögenssteuer halbiert. Dass diese Steuersenkung eine deutliche Zunahme der in Luzern ausgewiesenen Vermögen nach sich gezogen hat, haben wir in einer wissenschaftlichen Studie dokumentiert.

Wir finden also, dass Zuwanderung den Anstieg der Luzerner Vermögenskonzentration befeuert hat. Gemäss Abbildung 3 ist der Anteil der Top-1% an allen Vermögen im Kanton Luzern zwischen 2005 und 2015 um 5.6 Prozentpunkte (= 44.8 – 39.2) gestiegen. Davon sind 2.4 Prozentpunkte oder etwas mehr als zwei Fünftel auf Umzügler zurückzuführen.

Auf die gesamtschweizerische Vermögensverteilung hat allerdings nur die Zuwanderung aus dem Ausland einen Einfluss. Internationale Umzügler haben 0.9 Prozentpunkte oder etwa ein Sechstel zum Anstieg des Top-1%-Vermögensanteils in Luzern beigetragen. Fünf Sechstel des Anstiegs sind also auf die Sesshaften und die Wanderung innerhalb der Schweiz zurückzuführen – und damit «hausgemacht».

Was könnte diese «hausgemachte» Vermögenskonzentration antreiben?

Bei der Frage stossen wir leider auch mit den detaillierten Steuerdaten an analytische Grenzen. Gewisse Anhaltspunkte gibt es. So haben wir in den Daten keine belastbaren Indizien gefunden, dass die Vermögenskonzentration durch steigende Ungleichheit der Erwerbseinkommen oder durch die demographische Alterung getrieben wird. Zudem ist in den Luzerner Daten klar erkenntlich, dass grössere Vermögen im Durchschnitt höhere Kapitalerträge (Zinsen, Dividenden, und Mieterträge) generieren. Während Haushalte mit Median-Vermögen eine ausgewiesene Durchschnittsrendite von 0.34% erzielten, lag dieser Wert fürs oberste Vermögensprozent bei 2.25%. Sofern der Konsum nicht im gleichen Mass ansteigt, wachsen grosse Vermögen quasi «von selber» schneller.

Aber zwei mutmasslich zentrale Treiber der Vermögenskonzentration, Kapitalgewinne und Sparverhalten, sind in Schweizer Steuerdaten nicht erfasst, da für die Einkommenssteuer ohne Belang.

Gemäss internationalen Studien aus Ländern, wo sich diese Dinge messen lassen, fallen für die vermögendsten Haushalte Kapitalgewinne deutlich stärker ins Gewicht als Kapitalerträge. Es ist daher nicht erstaunlich, dass die Entwicklung der Top-1%-Vermögen in Abbildung 3 das Auf und Ab der Börsenkurse im gleichen Zeitraum ziemlich gut widerspiegelt. Da tiefe Zinsen Aktienwerte befeuern, könnte auch das Tiefzinsumfeld ein Treiber der Vermögenskonzentration sein. Andererseits deuten neue Forschungsergebnisse aus den USA darauf hin, dass die Vermögenskonzentration und die damit einhergehende Sparneigung gleichzeitig auch Ursache der tiefen Zinsen sind.

Kurz zusammengefasst: Der Anstieg der Vermögenskonzentration in der Schweiz lässt sich nur zu einem kleinen Teil mit Vermögenszuwanderung aus dem Ausland erklären. Die wahren Treiber sind angesichts der gegenwärtigen Schweizer Datenlage jedoch schwer identifizierbar.

Bestraft die Börse EU-Skepsis?

Michel Habib

Zusammenfassung: Wieviel kostet die Schweiz der Abbruch der Verhandlungen zum Rahmenabkommen mit der EU? Die Börsenreaktionen auf zwei frühere “EU-kritische“ Entscheidungen unterstützen die schlimmsten Befürchtungen nicht, wie Umberto Bernardo in seiner soeben eingereichten Masterarbeit an der UZH zeigt. Die Ablehnung des EWR (1992) wurde vom Schweizer Aktienmarkt eher positiv aufgenommen. Die Annahme der Masseneinwanderungsinitiative (2014) wirkte sich insgesamt wenig auf die Börse aus; allerdings sanken die Kurse von Unternehmen aus dem Maschinen- und Elektroniksektor leicht. Der Maschinen- und Technologieriese ABB fiel um 3,3 %. Die Ergebnisse suggerieren, dass die Anleger die Kosten einer geringeren Autonomie der Schweiz höher einschätzten als jene der geringeren Integration. Allerdings dürften sie gerade bei der Ablehnung des EWR auch auf Alternativen vertraut haben, wie sie in Form der Bilateralen I und II auch Realität wurden. (Urs Birchler)

On 26 May 2021, the Federal Council decided to end negotiations with the European Union (EU) about an institutional agreement that would replace the Bilateral Agreements I and II.  Some have deplored the Federal Council’s decision and expressed their concerns regarding its implications for Switzerland’s well-being; others have applauded it and argued that any cost to Switzerland would be small.

Can the stock market help us determine which side is right?  Yes, but only partially!  Stock price reaction to an announcement measures investors’ assessment of the implications of that announcement for listed firms’ value, thereby conveying information about investors’ view of the consequences of the announcement for the economic prospects of these firms and, indirectly, those of the country in which the firms are based.

Investors can be wrong, changes in value, or lack thereof, must be interpreted, and information that pertains to the profits of the generally large firms that are listed on stock markets does not necessarily extend to these firms’ smaller counterparts, to employees, and to overall economic well-being.  Yet, in a country such as Switzerland at least, firms, employees, and the country itself tend to prosper together and to suffer together.    

In a recently submitted Master Thesis at the University of Zurich, Master of Banking and Finance student Umberto Bernardo attempts to obtain an estimate of the economic importance of the agreements that govern Switzerland’s relation with the EU.

Specifically, Mr. Bernardo examines the Swiss stock market’s reaction to two referendums relating to that relation – the 1992 referendum on Switzerland joining the European Economic Area (EEA) and the 2014 referendum on the initiative “Against Mass Immigration.”

Mr. Bernardo does not analyze stock price reaction to the Federal Council’s 26 May decision because the topic of his thesis was chosen well before that decision.  Still, as we shall see below, his work does have some bearing on the consequences of that decision.

The decision to join the EEA was intended considerably to improve Switzerland’s access to EU markets. It would extend the 1972 Free Trade Agreement with the then European Economic Community from industrial goods to services and capital and would eliminate technical barriers to trade such as differing product requirements.  It was rejected by Swiss voters in December 1992.

Despite the decision not to join the EEA, Switzerland was able to become part of the European Single Market through a series of agreements known as Bilateral Agreements I and II. Unlike the Bilateral II agreements, the seven Bilateral I agreements are tied, in the sense that ending one agreement will automatically end the other six.

Swiss voters’ acceptance of the initiative Against Mass Immigration threatened the Bilateral I agreement on the free movement of persons, thereby threatening all Bilateral I agreements such as those on research, public procurement, and civil aviation.

Switzerland was able partially to reconcile the acceptance of the initiative with the requirements of the agreement on the free movement of persons by introducing a number of agreement-compatible requirements on Swiss employers to give precedence to local labor.

There were of course other referendums related to Switzerland’s relation with the EU during the last three decades.  What makes the two referendums considered by Mr. Bernado of particular interest is that the results in both cases were extremely close, and thus very unlikely to have been predicted by stock market participants.  Stock price reaction to the announcement of the referendums’ results therefore can be used to obtain an estimate of the importance of the referendums’ objects – access to the EEA and the Bilateral I agreements potentially endangered by the imposition of constraints on the free movement of labor – to Swiss firms and, by extension, the Swiss economy.

Mr. Bernado uses an event study methodology to obtain such estimate.  The idea is to examine how stock prices reacted to the announcement of referendum results, compare these reactions to what may be described as the normal stock price variation, and compute what is called a stock or an index’s abnormal return.  Positive, statistically significant abnormal returns indicate positive appraisal by investors; negative returns indicate the opposite. 

Mr. Bernado finds that both the Swiss Market Index (SMI), an index of the 20 largest Swiss companies, and the Swiss Performance Index (SPI) of all quoted Swiss companies experienced a positive abnormal return following the announcement of the result of the EEA referendum.  Investors deemed Switzerland’s rejection of the EEA beneficial to quoted Swiss companies.  Adjusting for the concurrent rise of the Swiss Franc against the Deutsche Mark, the SMI for example increased by 6.4%, as compared to what would have been its normal variation absent the announcement of the referendum result.  This increase was over a period of 11 days, centered on the first trading day after the Sunday on which the voting took place. 

There are, as always, many possible interpretations of this finding.  The most natural one may be that investors valued Switzerland’s regulatory autonomy, which they may have viewed as possibly compromised by membership of the EEA and eventual membership of the EU.  It is also possible that investors foresaw the possibility of alternative arrangements such as the bilateral agreements, and viewed these as preferable to membership of the EEA.

In contrast, there was little overall reaction to the announcement of the acceptance of the Against Mass Immigration initiative: both the SMI and the SPI experienced positive but statistically insignificant results.  Considering that the ending of the free movement of persons agreement would jeopardize all Bilateral I agreements, this finding is surprising.  At the risk of attributing more prescience to investors than they may have had, perhaps they were confident that Switzerland would devise an arrangement compatible with the free movement of persons agreement, which is in fact what happened.

That there was no overall reaction does not mean that all firms were left unaffected.  Mr. Bernardo finds a small but statistically significant 0.7% decline in the value of a portfolio of Swiss machine tool and electronics manufacturers.  Investors presumably feared that that the possible reappearance of technical barriers to trade would increase these firms’ cost of doing business in the EU.  Mr. Bernardo also finds a larger 3.3% decline in the value of engineering and technology giant ABB, which he contrasts with the lack of any significant response in the share price of telecom operator Swisscom.

Adjusting for CHF/Euro exchange rate movements slightly lowers these numbers and transforms the increase in the two indices from statistically insignificant to statistically significant.  It does not however change the overall pattern: the stock market as a whole very moderately increased, the value of machine tool and electronics manufacturers very moderately decreased, but ABB suffered a material decline in value.  The market value of the equity of ABB on the Friday that preceded the referendum amounted to around CHF 43 billion; 3% of 43 is about CHF 1.3 billion.  If one assumes that the same percentage applied to the wages paid to ABB’s employees and supplies sourced in Switzerland, then it is clear that the amounts at stake were not negligible, at least not for ABB shareholders, employees, and suppliers.

As noted above, Mr. Bernado’s analysis was initiated before Switzerland decided to end negotiations with the EU about an institutional agreement that would replace the Bilateral Agreements I and II.  Do his results tell us anything about the value of such an agreement?

To answer this question is not simple.  One may surmise from Mr. Bernardo’s results that (i) Switzerland, or at least the majority of quoted Swiss firms and their employees, would suffer little from an end to the bilateral agreements; indeed, that (ii) they would materially suffer if Switzerland’s regulatory autonomy were severely curtailed.  Proposition (ii) is probably true.  Proposition (i) may well be true, but it neglects the fact that the very reason the results of the referendums had little impact on firm values, with the exception of a large internationally active technology firm such as ABB, may be that investors expected Switzerland and the EU to devise alternative arrangements, which the parties did indeed.  If Proposition (i) is correct, then one may be justified in being sanguine about the end of the negotiations between Switzerland and the EU.  If it is not, then it is to be wished that, once more, Switzerland and the EU will be able to devise the necessary alternative arrangements.

Privatisierung der Glarner Kantonalbank?

Christoph Basten und Urs Birchler

Der Glarner Regierungsrat (Exekutive) hat heute dem Landrat (Legislative) eine grundlegende Änderung im Verhältnis des Kantons zur Kantonalbank beantragt. Dies geht hervor aus einer entsprechenden Medienmitteilung.

Kernpunkte sind:

  1. Aufhebung der Staatsgarantie
  2. Umwandlung in eine privatrechtliche Aktiengesellschaft
  3. Aufgabe der Mehrheitsbeteiligung des Kantons

Der Regierungsrat hatte im Juni 2020 eine Vorlage zur Vernehmlassung gegeben. Dies basierte zum Teil auf einem Gutachten, das wir im Herbst 2019 im Auftrag des Departements für Finanzen und Gesundheit verfassten. Die Vernehmlassung ist in der Zwischenzeit abgeschlossen (die einzelnen Eingaben werden anders als beim Bund nicht publiziert) und die Ergebnisse sind in die neue Vorlage eingeflossen.

Diese geht nun in den Landrat (sie wird vermutlich in den nächsten Tagen publiziert). Geändert werden sollen nicht nur das Kantonalbankgesetz. Die Revision erfordert auch eine Änderung der Kantonsverfassung. Daher bedarf sie auch der Zustimmung durch die Landsgemeinde. Dies könnte zu einer Verzögerung führen, falls die Landsgemeinde wegen der Covid-19 Pandemie nicht abgehalten werden kann. Eine schriftliche Abstimmung ist nämlich nicht zulässig, da an einer Landsgemeinde nicht nur JA oder NEIN beschlossen, sondern auch Abänderungsanträge eingebracht werden können.

Wir haben bei der Arbeit an unserem Gutachten vieles gelernt, aber jetzt auch noch etwas zur Glarner und damit zur Schweizer Demokratie.

Willkommen in unserem Vorgarten

Urs Birchler

Die Pläne der Stadt Zürich zur Vergesellschaftung der Grünflächen begrüsse ich sehr. Bloss ist mir nach längerem Nachdenken noch kein Areal eingefallen, welches (a) grün ist, (b) mehr als 10qm misst und (c) nicht schon im Eigentum der öffentlichen Hand wäre. Das Letzigrund-Stadion gehört m.W. der Stadt und könnte schon unter geltendem Recht zum Grillieren, Hundetraining und Bumerang-Werfen freigegeben werden. Dito der Car-Parkplatz hinter dem Hauptbahnhof. Dieser zählt aber vielleicht bei spitzfindigen Bürokraten nicht als Grünfläche. Eigentlich kommt mir als Kandidat nur unser Vorgarten in Zürich Wiedikon in den Sinn, wo doch eine “Rasen“-Fläche von schätzungsweise 5×5 Metern zur Verfügung stünde.

Anbieten kann ich nicht viel: Ich habe nur einen einzigen Rasenmäher, und den Löwenzahn habe ich selber bereits ziemlich ausgejätet. Aber attraktiv wäre es sicher, bei mir am Gartentischchen zu sitzen und meinen fast zu allen Themen fundierten Meinungen zu lauschen („Warnung vor dem Dozenten“), anstatt diese hier bei batz.ch mühsam nachlesen zu müssen.

Unterstützung bräuchte ich von der Stadt. Sie hat ja in bewährter Mafia-Art ihre Hilfe in Form von Beratung angeboten (unentgeltlich, aber kaum ohne Kostenfolge). Dürfen meine Besucher — Gäste darf ich ja nicht mehr sagen, da keine Einladung eforderlich sein wird — auf dem Parkplatz jener Nachbarn parkieren, die weitblickend ihre ver-stadt-lichungsgefährdeten Vorgärten zubetoniert haben? Muss ich für Katzenhaar-Allergiker*Innen ein Warnschild aufstellen? Und was mache ich mit dem WC, welches bei uns nicht ohne Treppensteigen erreichbar ist? Wird mir Blau-Grün Zürich ein Toi-Toi aufstellen? Das darf ich wohl hoffen! Aber eins weiss ich jetzt schon: Drauf stehen wird dann nicht Toi-Toi. Sondern: Moi-Moi!!!

Covid-19-Hilfe an die Unternehmen: Kredit oder „Geschenk“?

Michel Habib

[Kurzfassung: Angesichts der Covid-19-Pandemie bietet der Bundesrat Unternehmen Zugang zu garantierten Krediten. Diese verschaffen den Unternehmen Liquidität zur Deckung der trotz Krise weiterlaufenden Kosten. Angesichts der oft engen Margen kleinerer Unternehmen kann aber eine zusätzliche Verschuldung längerfristig in den Bankrott führen. Eine prüfenswerte Alternative wäre daher eine Staatshilfe in Form von Beiträgen, die nicht direkt zurückbezahlt werden müssen, sondern via die im Steuersystem angelegte Risikoteilung zwischen Staat und Unternehmen an den Staat zurückfliessen. Ein solches „Geschenk“ an eine Unternehmung in einem Verlustjahr führt zu höheren künftigen Gewinnen. Im idealtypischen Beispiel fahren Staat und Unternehmung gleich gut wie bei einer Kreditgewährung, jedoch ohne Konkursrisiko für die Unternehmung (Urs Birchler)]

A few days ago, in order to help businesses deal with the collapse in demand most businesses have experienced in the wake of the Covid-19 pandemic, the Federal Council announced that it would be guaranteeing bank loans made to Swiss businesses. Guaranteed loans can be no larger than 10% of annual turnover; loans of up to CHF 500,000 are guaranteed in their entirety, loans between CHF 500,000 and 20 million, the maximum loan amount possible, are guaranteed at a rate of 85%, the lending bank being responsible for the remaining 15%. The interest rate on the smaller loans, those up to CHF 500,000, is 0%; that on the larger loans is 0.5%.
There is not the least doubt that these loans have been a very welcome lifeline to Swiss businesses: demand for the guaranteed loans has been extremely high, reflecting the urgent need for liquidity of businesses that have been required to close in order to help stem the spread of the virus yet still need to meet their fixed charges—interest, rent, essential maintenance—even where employee wages can be covered by unemployment insurance and variable costs have declined to near zero in line with the collapse in demand.
Yet, there is a danger to relying on debt financing to meet the challenges posed by the current situation. The character of the small farmer who lost his family farm because of his inability to repay loans contracted in difficult circumstances is a familiar one in world fiction, because the reality of such farmers has alas been all too common across the world. While this is still the case in many countries today, it is by and large no longer so in Switzerland, thanks to farm support policies. The plight of yesterday’s small farmer may instead become that of today’s small business owner: many small businesses operate on very thin margins; even a closure of a few months may make these businesses unable to pay back their loans, thereby driving them into bankruptcy.
There is an alternative to loans, one which nonetheless differs from the grants eschewed by the Federal Council. This alternative exploits the risk-sharing nature of the tax system, which makes the government a partner of the firm in sharing profit, that is, in reaping revenue and in bearing cost. The government’s share equals the corporate tax rate.
Adopting the risk-sharing perspective has many advantages. It makes it clear that the government will be bearing part of the cost of the crisis, through reduced tax revenues. This observation suggests that government help to firms may in fact be not so much a grant as an advance: the government may pay its share of costs immediately, thereby providing much needed help to the firm, rather than paying its share when the firm returns to profit, through the reduced tax that results from the firm’s ability to carry its loss forward (the example below will make that reasoning concrete). If that share of costs borne by the government, which we recall equals the tax rate, is deemed too small to help firms survive, then the advance can be increased, to be offset by decreased cost deductibility in future years.
The simple example below may help. It proceeds in three steps. The first step illustrates the manner in which the tax system has the government bear part of the cost of the crisis, even if there should be no grant or guarantee whatsoever. An important limitation of the current system is that the government will bear its share of costs after rather than during the crisis. The second step shows how a tax system that treats profit and loss symmetrically can serve to make the government bear its share of costs during the crisis, thereby providing much needed relief to firms faced with the Herculean task of financing fixed costs out of little to no revenues. The third step shows how a desire to increase the share of costs borne by the government whilst still eschewing grants can be accommodated by limiting expense deductibility after the crisis.
Consider a firm that, in normal times, has revenues 300 and fixed costs 200. The firm is assumed to have no other costs: this assumption is in line with our focus on fixed costs; it also simplifies our analysis. The corporate tax rate is 20%. In a normal year, then, the firm has taxable income 300-200=100 and pays tax 100×20%=20.
The assumption that the firm in the example is a corporation does not detract from the generality of the reasoning below, which applies to corporations, partnerships, and sole proprietorships alike: owners’ personal tax rates replace corporate tax rates in the case of flow through entities such as partnerships and sole proprietorships.
Step 1: The present tax system
Suppose a given year, denoted year 1, sees a collapse in revenues to zero. The firm still has fixed costs 200, so it makes a loss of that same amount. It pays no taxes, but is able to carry its 200 loss forward.
Assume the situation reverts to normal in year 2. Despite the fact that the firm’s revenues in year 2, back at 300, are higher than the firm’s costs in that year, still 200, the firm does not owe any income tax because it can utilize 100 of its net operating loss (NOL) carryforward to offset its pre-NOL taxable income. The tax savings from NOL utilization are 20. They constitute part of the government’s share of the fixed costs incurred in year 1, the year revenues collapsed.
Year 3 is also a normal year. In that year as in year 2, the firm can take advantage of the loss carry forward to decrease its taxable income to zero, thereby paying no tax. The tax savings from NOL utilization are again 20. The sum of the 20 in year 2 and 20 in year 3 is 40, which is exactly the government’s share of the costs incurred in year 1: 200×20%=40.
There is no loss carry forward balance to be utilized in year 4; the firm pays tax again.
Step 2: A symmetric tax system
Note the asymmetry in the tax system’s treatment of profit and loss in step 1: the firm must pay tax when it is profitable, but it can only carry its loss forward to future years when it is loss making. In contrast, a symmetric tax system would have the government pay the firm in a loss-making year, the counterpart to the firm paying the government in a profitable year. In the context of our example above, the government would pay 20% of the loss to the firm in year 1 already, that is, 200×20%=40. The firm naturally would have no loss carryforward to years 2 and 3, as it otherwise would be double counting its year 1 loss. The firm will then be paying 20 in tax again already in year 2.
Further note that the decrease in government tax revenue is identical under symmetric and asymmetric tax: it is 40 in both cases. The difference is merely timing: the firm receives the 40 already in year 1 under the symmetric tax system, exactly at the time when it most urgently needs the money. That money is not a grant, it is an advance: the government will in any case have to forego 40 in taxes, but it does so at the time of greatest firm need for cash under the symmetric system. The money is not debt, either, at least not debt in its usual form: there is no repayment as such, and the resumption of tax payments naturally must wait for the return to profitability. In our example above, suppose for example revenues were to recover only to 200 in year 2, and that full recovery to 300 were to be delayed to year 3. Then the firm would just break even in year 2, it would pay no taxes, and it would carry its 200 loss from year 1 forward to years 3 and 4, which would now play the role of years 2 and 3 in our original example. This illustrates the risk-sharing nature of the tax system.
Step 3: From twenty to eighty percent
The reimbursement of 20% of fixed costs might be deemed insufficient to allow firms to weather the storm from the crisis. Suppose for example that it were desired to help firms cover 80% of fixed costs, the same percentage as the income replacement rate of unemployment insurance. Again, the use of the tax system can help achieve the desired result. Thinking in terms of risk sharing and of symmetry can help us devise an appropriate mechanism.
Return to the example above. An advance of 80% of fixed costs has the government pay 4 times its share of costs, 20%x4=80%, amounting to 200×80%=160. Having overpaid its share of costs in year 1, the government should be dispensed from paying its share of costs in the early years of recovery, specifically three years since the government would have paid three times more than its share of costs in the year of crisis, 160-40=120=3×40. This means that, if recovery to normal conditions were to occur in year 2, then the firm would have taxable income 300 in years 2 to 4, as the firm would now be bearing the entirety of the costs as opposed to sharing them with the government through the tax system. Tax would be 300×20%=60 per year, 40 more than the 20 that the firm would have paid had there been no additional advance from 20% to 80%. The additional tax revenues of 40 per year over the three years 2, 3 and 4 add up to the 120 additional advance made by the government in year 1.
Reality is of course far messier than our simple example: revenues and costs are not constant, even in normal times; some firms may try to manipulate the system, for example by substituting variable for fixed costs; last but not least, firms may go bankrupt. Yet, it is possible to address these issues whilst preserving the basic nature of the mechanism we have presented: the government makes an advance which constitutes a contribution to fixed costs; the government recovers that advance through the tax system by limiting firms’ ability to deduct costs in the computation of taxable income; bankruptcy by a firm jeopardizes recovery by the government, but the risk-sharing nature of the mechanism makes bankruptcy less likely than in the case of government-guaranteed loans. The mechanism bears much similarity to the student loans in countries such as Australia and the United Kingdom referred to by Bonardi, Brülhart, Danthine, Jondeau and Rohner (Batz.ch) in their analysis of desirable responses to the crisis, not least with regards to risk sharing, but the perspective we have adopted helps guide us in devising appropriate ways of recovering the advances made, though limited cost deductibility.

Michel Habib, University of Zurich, SFI and CEPR
The author would like to thank Urs Birchler and Alexandre Ziegler for helpful discussions, suggestions and comments. He is solely responsible for all errors.

Corona und die Kosten des Lockdowns

Reto Föllmi 
(Artikel aus Finanz und Wirtschaft)

Vielleicht ist es verfrüht, den Corona-Virus als Jahrhundertereignis zu bezeichnen. Das Jahrhundert ist noch jung und wir wissen nicht, was dieses Jahrhundert für uns alle noch bereithält. Mit Sicherheit ist es aber eine medizinische und wirtschaftliche Ausnahmesituation, die in jüngerer Zeit so nie vorgekommen ist. Die Wirtschaftspolitik muss bei einem so gewaltigen und plötzlichen Einbruch Vertrauen und Sicherheit schaffen. Arbeitnehmer und Selbständige brauchen dringend ihre Löhne und die Firmen benötigen weitere Liquidität, um weitere Rechnungen zu bezahlen.

Mit der grosszügig ausgestatteten Kurzarbeitsregelung werden die Löhne der betroffenen Branchen gesichert. Der Ausgleich ist aber nicht ganz 100%, so dass flexible Lösungen der Firmen in Arbeitszeit- oder Geschäftsmodellen wie Take-Aways belohnt werden. Dies schafft Sicherheit und ist auch aus Verteilungssicht sinnvoll, denn Arbeitnehmer aber auch Selbständige können sich gegen dieses Risiko nicht versichern.

Üblicherweise ist es Selbständigen verwehrt, auf die Kurzarbeit der ALV zuzugreifen, weil die Annahme von Aufträgen von ihnen selber abhängt. Der Einbruch aufgrund der Corona-Welle ist aber offensichtlich und in seiner Art einzigartig, was diese Hilfe für die Selbständigen eine gute und pragmatische Lösung macht. Allerdings sind auch selbständige Grafiker, Beraterinnen und Schreiner betroffen, deren Geschäftsaktivität nicht direkt behördlich geschlossen wurde. Es ist darum sinnvoll, dass der Bundesrat heute eine Ausweitung der Kurzarbeit auf diese Gruppen anbietet. Auch hier könnte die Differenz der Umsätze vor und während der Krise als Basis für die Entschädigung genommen werden.

Wie sieht es aber mit den übrigen Kosten und den Gewinnen, also der Entschädigung für das eingesetzte Kapital aus? Logischerweise muss hier die Liquidität für die Zahlung des Materials, der Mieten etc. sichergestellt sein, wie das mit den durch staatliche Bürgschaften gesicherten Covid19-Krediten der Banken geschehen ist. Die Kredite sind nach maximal 7 Jahren zurückzuführen, was für einen Geschäftskredit eine grosszügige Zeit ist und nicht zu exzessiver Schuldenlast führen muss. Die grosse Inanspruchnahme zeigt auch, dass dieses Programm auf eine grosse Nachfrage stösst.

In einer weiteren Auslegung des Versicherungsprinzips forderte mehrere Stimmen, dass der Gewinnentgang direkt über den Staat (teilweise) abgegolten werden sollte. Diese Forderungen lassen aber einen wichtigen Punkt ausser Betracht: das Kapital kann im Gegensatz zur Arbeit das Risiko weit besser tragen und bekommt für eben dieses Geschäftsrisiko ja in guten Zeiten eine Risikoprämie. Auch bei der Finanzkrise waren einzelne Branchen mehr betroffen und mussten die Verluste entsprechend selber berappen. Eine grossflächige Entschädigung oder nur teilweise Rückzahlung der Darlehen, um entgangene Gewinne zu kompensieren, wäre sehr teuer und würde auch hohe Mitnahmeeffekte von Unternehmern generieren, die auch noch davon profitieren wollen. In einer längeren Krise und wie von Lausanner Ökonomen angeregt wäre ein neues Programm denkbar, das nach dem Vorbild der australischen Studiendarlehen funktioniert, diese sehen im Erfolgsfalle eine raschere Rückzahlung vor. Prüfenswert ist auch eine Form der Brady-Bonds mit Abschlag nicht mehr für Staaten sondern für Firmen.

Auch wenn die Corona-Krise ist vielerlei Hinsicht einzigartig ist, stellt so eine Kompensation einen Präzedenzfall dar, der nur schwer aus der Welt zu schaffen wäre. Ähnliche Forderungen wären bei der nächsten Krise vorprogrammiert. Auch in der Finanzkrise waren einzelne Branchen stärker betroffen als andere. Wenn das Eigenkapital nun wiederholt einen von der Allgemeinheit zu berappenden Versicherungsschutz geniessen würde, womit liesse sich dann in Zukunft eine Risikoprämie für das Eigenkapital noch rechtfertigen? Dem schon in der Finanzkrise geäusserten Vorwurf, die Gewinne würden privat vereinnahmt die Verluste dann aber sozialisiert, käme erst recht eine gewisse Berechtigung zu.

Die Coronakrise ist eine Kombination von Nachfrage- und Angebotsschock. Die Nachfrage ist vielerorts eingebrochen und wir geben nichts mehr für Restaurants oder Anlässe aus. Aber das Angebot ist eben auch eingeschränkt. Weil viele wegen online Meeting, Kinderbetreuung etc. nicht gleich produktiv sind und Angestellte in Branchen wie Tourismus, Events gar nicht arbeiten können, liegt das ganze Produktionspotential tiefer. In «gewöhnlichen» Rezession wirksame Ankurbelungen der Wirtschaft sind darum im Moment wirkungslos. Eine Stimulierung der Wirtschaft während des partiellen Lockdowns ist gar nicht möglich und zudem aus Ansteckungsgründen gar nicht erwünscht.

Wegen des Produktionsabfalls können wir gar nicht den ganzen Kaufkraftverlust ersetzen. Würde im Extremfall der Staat 100% aller Ausfälle übernehmen und die Kaufkraft nominell voll erhalten, könnte nach Ende des Lockdowns eine gleiche oder wegen Nachholbedürfnissen noch gesteigerte Nachfrage auf ein verringertes Angebot treffen, das auch durch Überstunden nicht beliebig ausgeweitet werden kann. Das Resultat wäre zum ersten Mal seit Jahren Inflation nicht nur auf den Aktien- und Immobilienmärkten sondern auch für Güter und Dienstleistungen. Detailhändler verzichten bereits jetzt auf Aktionen und im Medizinalbereich sind Preissteigerungen schon eingetreten. Was die Zentralbanken in den vergangenen Jahren vergeblich zu erreichen suchten, wäre über einen nie vorausdenkbaren Weg eingetreten.

 

Ein ARTE-fakt zum Recht auf Wohnen

Urs Birchler

Gestern Abend verging mir bei ARTE-tv als Ökonom Hören und Sehen. Die „Dokumentation“ zum Recht auf Wohnen türmte in 90 Minuten ein Gebäude aus irreführenden und falschen Aussagen auf, das fast bis zu den Wolken reicht.

Dabei beginnt der Film witzig: „Wie merkst Du, dass Du Deine Wohnung verlierst?“ Antwort: „Wenn in der Nachbarschaft ein 2nd-Hand-Kleiderladen aufgeht.“ Weil: dann kommen die Künstler und anderen coolen Leute, das Quartier wird hip, und die Mieten steigen. Nicht für alle ist das witzig, weil sich einige die höheren Mieten nicht mehr leisten können.

Ökonomisch gesprochen, steigt die Nachfrage rascher als das Angebot, auch in der Schweiz: Die Leute verdienen mehr, geben mehr für’s Wohnen aus und beanspruchen mehr Wohnfläche oder zentralere und hippere Lagen — oder beides.

Der ARTE-Film will uns eine ganz andere Geschichte unterjassen: Das Problem sind „die Spekulanten“, „die Finanzmärkte“, „die Geier“, „Ausbeutung“, „die Eliten“. Schon die Terminologie macht deutlich, dass die Zuhörerschaft nicht zum Denken, sondern zum Fühlen angeregt werden soll.

Dort, aber, wo tatsächlich inhaltlich argumentiert wird, kommt’s strub:

Schon die Hauptthese ist verkehrt: Spekulanten kaufen Häuser, drücken die Preise nach oben, wodurch sich die Mieten verteuern. Diese Geschichte kann man auch beim Mieterverband lesen. Sie stimmt trotzdem nicht. Der Apfelbaum ist wertvoll, weil daran Äpfel wachsen. Und ein Haus ist wertvoll, weil man es vermieten oder darin wohnen kann. Nicht umgekehrt. Den Mieter kümmert es nicht, wieviel die Vermieterin für das Haus gezahlt hat. Noch nie habe ich in einem Wohnungsinserat einen Hinweis gelesen, das Haus sei teuer oder billig gewesen, als Argument für eine hohe Miete („Aufwendig renoviert“ zählt wegen des damit verbundenen Komforts, nicht wegen der Kosten.). Hingegen steht bei Immobilienangeboten oft: „Voll vermietet“ als Argument für einen hohen Kaufpreis. Kurz: „Spekulation treibt Mieten“ ist eine Schwanz-wedelt-mit-Hund-Geschichte.

Der vorliegende Fernsehbeitrag setzt aber noch einen drauf und behauptet, die Spekulanten liessen Häuser aus blanker Gier leerstehen. Wie das zusammengeht, erfahren wir nicht. Vielleicht macht die Regulierung einen vorübergehenden Leerstand lohnend, aber von Regulierung des Wohnungsmarktes ist im Beitrag nicht die Rede. Schade — gerade hier hätte man eine Geschichte von Eigennutz versus Gemeinsinn erzählen können: Generell mögen Bauherren Bauvorschriften nicht besonders; wie der The Economist, berichtet, befürworten jedoch diejenigen, die bereits ein Haus haben, oft Einschränkungen der weiteren Bautätigkeit in ihrem Quartier.

Der Fernsehbericht belegt die Ruchlosigkeit der Immobilienspekulanten jedoch mit dem (durch Mängel in Bau und Unterhalt mitverursachten) Brand des Londoner Grenfell Tower von 2017. Mit keinem Wort wird dabei erwähnt, dass das Hochhaus dem Kensington and Chelsea London Borough Council gehört, d.h. gerade nicht einem gierigen Privatspekulanten, sondern der dem Allgemeinwohl verpflichteten öffentlichen Hand!

Dann eher schräg: Die (in ihrem Fach durchaus renommierte) Soziologie-Professorin Saskia Sassen unterscheidet zunächst zwischen den „bösen“ Finanzmärkten und den (man höre und staune) „guten“ Banken. Sie beklagt, dass Finanzmärkte aus Gewinnsucht Dinge verkauften, die sie gar nicht haben. Die (seit der Finanzkrise permanent gescholtenen) Banken hingegen kümmerten sich echt um das Wohl ihrer Kunden, weil sie dereinst auch deren Kinder und Enkel bedienen möchten. Ferner hat die Soziologin den in ihren Augen haarsträubenden Umstand entdeckt, dass der Wert der Immobilien weltweit grösser sei als das globale BIP, d.h. das gesamtwirtschaftliche Jahreseinkommen. Es scheint der Soziologin bisher entgangen zu sein, dass die meisten Häuser (wohl auch ihr eigenes) selbstverständlich teurer sind als ein Jahreseinkommen ihrer Bewohner.

Überhaupt ist der Beitrag in erster Linie eine Selbstdarstellung der UNO-Sonderbeauftragten Leilani Farha, die zuhanden des UNO-Menschenrechtsrates die Einhaltung des Rechts auf Wohnung in verschiedenen Ländern und Städten beobachtet (im Film: Uppsala, London, Berlin, Valparaiso, New York). Kürzlich intervenierte Frau Farha, wie SRF berichtete, auch beim Bund. Sie will festgestellt haben, dass ein von der CS-Pensionskasse geplanter Neubau einer Wohnsiedlung in Zürich Wiedikon gegen die Menschenrechte verstösst, weil die Mieter in den abbruchbedrohten Liegenschaften zunächst ausziehen müssten. Der Bundesrat muss nun dazu Stellung nehmen.

Ich musste selber nachschauen: Was beinhaltet das Menschenrecht auf Wohnen? Grob gesagt: Es soll jede(r) ein Dach über dem Kopf haben, und zwar ein zumutbares (also beispielsweise mit Wasseranschluss). Ausdrücklich kein Menschenrecht ist jedoch der Verbleib in einer Wohnung im Falle von Renovation oder Neubau. Das offizielle UNO-Dokument sagt dazu klipp und klar: „The right to adequate housing does NOT prohibit development projects which could displace people“ (The Right to Adequate Housing, S. 7). Die Dame könnte auf einer ihren vielen von der UNO (d.h. den Steuerzahlern) finanzierten Reisen vielleicht einmal die eigenen Dokumente lesen, anstatt den Bundesrat mit der Strafaufgabe eines Berichts zur Wohn-Menschenrechtslage in Zürich Wiedikon zu beglücken. Aber, wie sie im Bericht selbst sagt (siehe Bild), es geht nicht um Fakten, „es ist eine Schlacht der Worte“.

Traurig hinterlässt mich nach neunzig Minuten, dass es ausgerechnet den sonst so sympathischen Sender ARTE-tv erwischt hat.

Schuldenbremse: Woher der Reform-Unwille?

Marius Brülhart

Wieso tut sich die Schweizer Politik so schwer mit der überfälligen Anpassung der Schuldenbremse?

Der Bundesrat freut sich auch dieses Jahr wieder auf ein über Erwarten rosiges Finanzergebnis. Er rechnet mit einem Überschuss von 2.8 Milliarden Franken – mehr als doppelt so viel wie budgetiert.

Hauptursache für die regelmässigen Rechnungsüberschüsse ist die unvollständige Ausschöpfung der gesprochenen Kredite. Dieses Phänomen hat nachvollziehbare Gründe und ist Ausdruck einer funktionierenden Verwaltung. Die budgetierten aber ungebrauchten Mittel betrugen in den letzten zwölf Jahren jeweils durchschnittlich 1.1 Milliarden. Eine seit 2017 geltende budgettechnische Flexibilisierung hat die jährlichen Kreditreste nur unwesentlich, auf ca. 0.9 Milliarden, gesenkt.

Der Bundesrat selber bezeichnet Budgetunterschreitungen infolge von Kreditresten denn auch als „systembedingt“.

Und trotzdem hat er sich unlängst ausdrücklich geweigert, die Schuldenbremse an diese Gegebenheit anzupassen.

Eine entsprechende Ergänzung des Regelwerks wäre vergleichbar mit der geläufigen Praxis der Fluggesellschaften, ihre Maschinen zu überbuchen, weil sie genau wissen, dass ein kleiner aber stetiger Anteil der gebuchten Passagiere die Reise letztlich nicht antritt. Ohne diese Praxis wären die Flugzeuge chronisch unterbelegt. Und ohne eine entsprechende Praxis weist der Rechnungsabschluss des Bundes eben chronisch Überschüsse aus.

Stattdessen schlägt der Bundesrat vor, den Budgetvollzug weiter zu flexibilisieren. Das Phänomen Kreditreste werden solche Massnahmen aber nicht aus der Welt schaffen. Dies wäre nur durch einen verschwenderischen Umgang mit öffentlichen Geldern zu erreichen, denn Budgetreste gehen unweigerlich mit einer effizienten Finanzkontrolle einher.

Woher also die Renitenz gegenüber einer Ergänzung der Schuldenbremse? Was spricht dagegen, die alle Jahre wiederkehrenden Kreditreste vorausschauend in der Budgetierung zu berücksichtigen?

Das Zögern der Politik liegt wohl zumindest teilweise daran, dass jegliche Anpassung der Schuldenbremse intuitiv als Lockerung verstanden wird; wobei man unter „Lockerung“ einen Anstieg der Staatsquote versteht. Beispielhaft dafür ist ein Beitrag von leitenden Ökonomen aus der Bundesverwaltung. Die Autoren sehen keinen akuten Bedarf nach zusätzlichen Bundesausgaben und somit auch keinen Anlass zu einer Anpassung der Schuldenbremse. Sie setzen eine Anpassung der Schuldenbremse also implizit gleich mit Zusatzausgaben.

Dies ist ein Missverständnis.

Es gibt zwar in der Tat Reformvorschläge, die in höheren Ausgaben münden würden. Gemäss dem Vorschlag der Expertenkommission jedoch wäre eine Ergänzung der Schuldenbremse mit einer Steuersenkung verbunden und nicht mit einer Ausgabenerhöhung. Also absolut staatquotenneutral.

Oder vielleicht will man auch bloss das Regelwerk nicht verkomplizieren. Die Luzerner Ökonomen Christoph Schaltegger und Michele Salvi sprechen von einer „komplexen Anpassung“, die erforderlich wäre. Technisch wäre die vorgeschlagene Ergänzung allerdings ziemlich simpel, denn man müsste bloss den existierenden Konjunkturfaktor um einen einfach berechenbaren administrativen Korrekturfaktor ergänzen.

Oder gründet der Unwille zur Reform letztlich in einer tiefen und nicht immer rationalen Aversion gegenüber Schulden jeder Art? Bekanntlich hat bei uns der Begriff „Schuld“ gleichzeitig ökonomische und moralische Bedeutung, wogegen beispielsweise die englische Sprache zwischen „debt“ und „guilt“ unterscheidet. Vielleicht präsentieren unsere Politiker ganz gerne unerwartete Überschüsse, und sehen darin mitnichten ein Marketingproblem.

Wie dem auch sei: Dass die Schweizer Steuerzahler Jahr für Jahr eine Milliarde Franken hinblättern für eine ökonomisch kaum mehr zu rechtfertigende Reduktion der ohnehin rekordtiefen nominellen Staatschuld, geht in dieser Diskussion gemeinhin vergessen.

Bargeld: Schuldig oder nicht schuldig?

Urs Birchler

Jetzt geht’s hart auf hart! Soll Bargeld abgeschafft werden? Am 20. Mai 2019 von morgens 8:30 bis 17:00 treten am English Theatre in Frankfurt erstklassige Experten als Zeugen pro und contra Bargeld vor den Richter. Der Ausgang ist offen.

Es wirken mit: Fritz Zurbrügg (Vizepräsident SNB), Friedrich Schneider (Uni LInz), Doris Schneeberger (Deutsche Bank), Marc Niederkorn (Mc Kinsey), Simon Riondet (Europol), Kathrin Assenmacher (EZB), Doris Schneeberger (EZB), Cecilia Skingsley (Vizegouverneurin Schwedische Riksbank).

Anklage und Verteidigung spielen die Mitglieder des Council of Management von SUERF, die die Konferenz zusammen mit der Deutschen Bundesbank organisiert. Am Richterpult sitzt der legendäre David Llewellyn.

Informationen und Anmeldung. Der Eintritt ist frei.