Schöner Lügen

Der Tagesanzeiger hat mich an ein altes Fundstück erinnert. Er berichtet kritisch über einen Artikel in dem der Erdölindustrie nahestehenden Quartalsmagazin Avenue mit “Hintergrundinformationen“ zum Thema CO2.

Man kann den Dégoût des TA nachvollziehen, wenn Avenue loslegt mit dem diskreten Hinweis, dass auch Champagnerblasen aus CO2 bestehen. Die Aussage, dass alles Leben auf diesem Planeten auf CO2 beruht, liess dann bei mir die Alarmglocken läuten (die Banalität des Bösen). So kam mir ein Exemplar in meinem Postkartensammelsurium in den Sinn. Die Karte trägt kein Datum, aber stammt aus dem letzten Jahrhundert (geschätzt ca. 1980):

Flusslandschaft

Sie zeigt eine intakte Flusslandschaft. Auf der Rückseite steht: „Reuss“. Darüber steht aber auch etwas anderes:

„Die Ölheizung … lässt die Umwelt aufatmen.“ Das hat tatsächlich einmal jemand gesagt. Im Vergleich zur Braunkohle stimmt es vielleicht sogar. Dass niemand unterschrieben hat, zeigt aber, dass die Aussage wohl schon damals ein klarer — und vorsätzlicher — Schwindel war. Und ein plumper dazu. Fazit: Etwas die Erdölbranche immerhin gelernt: Schöner lügen.

Nur Fliegen ist schöner

Urs Birchler und Monika Bütler

Zugegeben, wir fliegen zuviel (dass wir weder Auto noch Hund haben, rettet das Klima auch nicht). Aber vielleicht sind wir als Klimaschweine gerade hier mal glaubwürdig:

Der Nationalrat hat gestern — zu unserem blanken Entsetzen — eine CO2-Abgabe auf Flugbenzin einmal mehr abgelehnt — mit 93 zu 87 Stimmen. (Wo waren die übrigen 20 Mitglieder? Hoffentlich nicht im Flugzeug.) Strittig war nicht die globale Erwärmung, auch nicht der menschliche Beitrag und nicht einmal der Umstand, dass Flugzeuge mit Flugbenzin fliegen.

Nein: Es wurde argumentiert, die Passagiere wanderten ins Ausland ab (obwohl alle Nachbarländer eine Abgabe auf Flugbenzin kennen, ausser Liechtenstein, das aber noch keinen Flughafen hat). Noch besser: Das Fliegen dürfe nicht zu einem Privileg für Reiche werden.

Liebe Damen und Herren Volksvertreter/innen: Fliegen ist ein Privileg der Gutverdienenden, auch wenn Familie Schmalhans auch irgendwann einmal auf die Kanaren fliegt. Wenn wegen einer CO2-Abgabe einmal ein Weihnachtsshopping in London oder ein Polterabend in Barcelona ausfiele, würde nicht einmal Caritas von einem Armutsproblem sprechen.

Schonung der Gutverdienenden bei gleichzeitiger Schröpfung derjenigen, die gegen Ende des Monats mit Sorge ins Portemonnaie schauen müssen: Das ist es doch, was den demokratischen Konsens zersetzt. In diesem Sinne hatte NR Christian Imark (SVP/SO) sogar recht als er — leider als Argument gegen einen höheren Benzinzuschlag für Autos — sagte: „Denken Sie an die Gelbwesten in Frankreich!“ Klar versteht der Auto-Pendler in Knonau nicht, warum er bezahlen muss, während die Business-Class ohne Klimabeitrag nach London City jettet.

Aber nicht genug: Ganz quer in der Landschaft steht die zum Teil bereits erfolgte und für die kommenden Jahre geplante Senkung der Flughafengebühren. Auch wenn eine solche Senkung aus anderen Gründen erfolgt, wirkt sie dennoch als sozusagen negative CO2-Abgabe, d.h. als Anreiz zum Fliegen.

Vielleicht könnte man einmal Flugpassagiere/innen fragen, was sie von einer Klimaabgabe halten. Aus dem Flugzeug sieht man nämlich auch gut auf den Planeten runter, auf all das, was wir zu verlieren haben. Oder würden die Ratsmitglieder aus den Antwortformularen einfach wieder Papierflieger falten?