Bonds oder Brot?

Kjell Nyborg

Kunden der deutschen Bäckerei-Kette Wiener Feinbäcker Heberer haben jetzt die Wahl: Zusätzlich zum gewohnten Brotsortiment bietet der Bäcker auch Schuldverschreibungen an. Die Kette mit ihren 350 Niederlassungen sucht 12 Mio Euro für ihre weitere Expansion.

Der Kommentar der Financial Times vom 2. Dezember: „When a thriving business with profits growing at 30 per cent a year resorts to this kind of financing, it is a pretty sure sign that banks are not fulfilling their role.“

Haben die Banken ihr Verfalldatum überschritten? Oder die Brötchen?

Die Brötchen-Bonds (mit Rückzahlungsdatum am 31. Juli 2016) bieten einen jährlichen Zinssatz von 7 Prozent.

Immobilienpreis-Blase?

Urs Birchler

Bevor ich The Economist vom vergangenen Samstag zum Altpapier legte, warf ich nochmals einen Blick auf die Statistik der Immobilienpreise. Danach sind die Hauspreise in der Schweiz sowohl gemessen an den Mieten, als auch im Verhältnis zu den Einkommen — unterbewertet! Nicht massiv, aber immerhin nicht überbewertet.

Besonders schön ist die interaktive Grafik aus der Online-Ausgabe. Sie zeigt die Entwicklung der Immobilienpreise seit 1975 in verschiedenen Ländern. In der Schweiz ist der Anstieg so schwach, dass man die Kurve (hellbraun) fast nicht sieht. Den Atem verschlug’s mir gleich zweimal: Zum erstenMal beim Blick auf die Kurve für die USA: Die Immobilienpreisblase von 2005-2007 ist zwar sichtbar, wirkt aber fast lächerlich klein. Die Linie liegt direkt über jener für die Schweiz. Und dieses Subprime-Bläschen stürzte die Welt (angesichts der Grösse der USA und der Höhe der Verbriefungspyramide) in die Finanzkrise! Zum zweiten Mal blieb mir der Schauf weg beim Blick hoch zu den erhabenen Gipfeln: Irland (inzwischen teilweise korrigiert) und Spanien (wenn das nur mal gutgeht).

Wer den Link (oben) anklickt, kann die abgebildete Zeitperiode (und die abgebildete Reihe: nominell, real, im Verhältnis zu Mieten, etc.) selbst wählen. Setzt man zum Beispiel bloss den Anfangszeitpunkt auf das 4. Quartal 2005, erscheint schon ein anderer Spitzenreiter — die Schweiz!

Sowohl die Anhänger als auch die Leugner einer Immobilienblase in der Schweiz (ein neues Wort: „Die Blasenleugner“!) finden also dank statistischem Basiseffekt Evidenz zu Ihren Gunsten.

Durchleuchtete Bailouts

Urs Birchler

Hat die Federal Reserve, die amerikanische Notenbank, mit ihrer Liquiditätshilfe während der Finanzkrise den Geschäftsbanken 13 Mrd. USD „geschenkt“? Auf diesen Betrag beziffert Bloomberg den Zusatzertrag, den die Banken erzielten, indem sie beim Fed Hilfskredite zu günstigen Konditionen aufnahmen und dann zu besseren Konditionen anlegten.

Noch brisanter als diese Subvention scheinen die Beträge, mit denen das Fed den Banken zu Hilfe eilen musste. Öffentlich bekannt waren die Beträge des vom Kongress bewilligten TARP-Programms in der Grösse von rund 700 Mrd. USD. Dass die Fed-Liquiditätshilfe aber mit 7’700 Mrd. USD das Elffache des TARP betrug, wurde erst jetzt bekannt. Die Agentur Bloomberg hat, wie sie in einem Video darstellt, zwei Jahre lang gegen das Fed prozessiert und aufgrund der Freedom of Informations Act am Ende gewonnen. Deshalb musste das Fed nun ausweisen, welche Bank in der Finanzkrise wieviel Hilfskredite erhalten hat. Dabei kam zutage, dass zum Beispiel die Bank of America ihre ihre Position im November 2008 als stark darstellte (“one of the strongest and most stable major banks in the world”), obwohl sie gleichzeitig mit 84 Mrd. USD am Tropf des Fed hing.

Bloomberg hat die Schätzung der Subventionen durch die Hilfskredite in einer interaktiven Grafik zusammengestellt. Wer sorgfältig mit dem Mauszeiger über die Balken fährt, findet auch die Zahlen für die beiden Schweizer Grossbanken: Diese sollen auf den Fed-Hilfskrediten 284 Mio USD (CS), bzw. 154 Mio USD (UBS) verdient haben.

Geld und Schönheit

Urs Birchler

Der Batzen grüsst seinen goldenen Bruder den Florin (florint, forint; Gulden). In dessen Heimatstadt Florenz ist gegenwärtig die Ausstellung Denaro e Bellezza zu sehen (Money and Beauty; Bankers, Boticelli and the Bonfire of the Vanities). Die Ausstellung bezaubert nicht in erster Linie durch Grösse, sondern durch ihr Konzept: Sie zeigt am Beispiel der Zeit der Medici das Spannungsverhältnis zwischen Geld und Macht einerseits und geistigen Werten wie Kunst und Religion andererseits. Während drinnen der Bussprediger Savonarola den Bankiers die Leviten liest, harren draussen die Vertreter von „Occupy Firenze“ in ihren Zelten.

Besucher können im übrigen selber tausend Gulden investieren. Der Schreibende brachte es mit Investitionen in ihm kaum verständliche Finanzinstrumente auf eine Rendite von 11 Prozent (Rang 3 in der Familie), was gleichwohl zum Kauf des Katalogs mit Rabatt berechtigte. Wer nicht hinfährt, ist selber schuld.

Nachtrag: In der ersten Version von heute früh ist eine Panne beim Titel (sowohl dieses Artikels als auch beim Zitat der Austellung) passiert. Und ich war nur Dritter von vier! Morgenstund hat nicht immer Gold im Mund.

Die EU-Institutionen: Too-interconnected-to-succeed?

Diana Festl und Urs Birchler

Wer sich wundert über die Unfähigkeit der EU, in der Krise konsistent und dezidiert zu handeln, findet die Erklärung im Diagramm (grösseres Bild hier). Es zeigt nur jene EU-Institutionen an, die einigermassen direkt mit der Bekämpfung der Finanz-Schulden-Euro–Krise zu tun haben. Wichtige andere, wie z.B. der EU-Gerichtshof, sind nicht abgebildet. Auch nicht abgebildet sind die ebenfalls in der Krisenbekämpfung involvierten Oberhäupter einzelner Mitgliedstaaten. Ebenfalls nicht sichtbar ist in der Abbildung die grosse Zahl von Mitgliedern der einzelnen Gremien. Das Parlament beispielsweise zählt 736 Abgeordnete. Das ESRB hat ein General Board mit über zwei Dutzend Mitgliedern, ein Steering Committee mit 13 Mitgliedern und je einen wissenschaftlichen und technischen Beirat mit 15, bzw. nach dem Buchstaben mehreren Dutzend Mitgliedern.

Die EU-Finanzarchitektur mag vielleicht die Machtbalance in normalen Zeiten gewährleisten; für Krisenzeiten wirkt sie schwerfällig. Dies wurde zwar auch schon den Schweizer Institutionen vorgeworfen. Die Schweiz hat aber im Oktober 2008 bewiesen, dass unter Führung der SNB Krisenpakete über ein Wochenende geschnürt werden können. Ob die EZB diese Rolle in der laufenden Krise wird übernehmen können, scheint ungewiss.

Ist Italien ein Risiko für die Schweizer Banken?

Urs Birchler

Mit der Zuspitzung der Italien-Krise steigt auch wieder das Interesse an den Ausständen der Schweizer Banken gegenüber Italien. Dazu gibt es zwei Statistiken, jene der BIZ und jene der SNB.

Journalisten nehmen gerne jene der BIZ, gehen dabei aber fehl. Die BIZ-Statisik behandelt nämlich Banken nach ihrem Domizil. Konkret: Hat die Filiale einer italienischen Bank in London Schulden gegenüber einer Schweizer Bank, so zählt dies die BIZ als Guthaben der Schweizer Bank gegenüber dem Vereinigten Königreich. Die BIZ ist allerdings nicht etwa blöd; ihre Statistik dient der Berechnung von internationalen Zahlungsbeziehungen, nicht der Messung von Bankrisiken.

Die Nationalbank hingegen verwendet in ihrer Jahresstatistik das Unternehmensprinzip. Die ausländische Filiale (z.B. CS London) gilt dabei als Teil der Unternehmung (CS), was sie risikomässig auch ist (anders als eine rechtlich selbständige Tochtergesellschaft). Nach dieser Statistik betrugen die Ausstände der Schweizer Banken gegenüber Italien (in Mrd. Fr.) per Ende 2010:

  • 7,7 insgesamt, davon 2,2 gegenüber Banken (bei jeweils ungefähr doppelt so hohen Verbindlichkeiten)
  • 0,29% der Bilanzsumme, bzw. 5,1% der eigenen Mittel.

Fazit 1: Die Schweizer Banken gehen wegen Italien allein nicht unter.

Fazit 2: Die richtige Statistik verwenden (wir haben schon früher darauf aufmerksam gemacht, aber nicht mit vollem Erfolg).

Die erstaunliche Volatilität der Euro-Inflation

Urs Birchler

Der neue Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, leitet heute seine erste Ratssitzung. Er ist nicht zu beneiden. Die EZB ist die einzige Institution innerhalb der EU, die über die notwendigen Mittel verfügt und rasch handeln kann (ohne Volksabstimmung). Ohne sie ist die Krise nicht lösbar. Gleichzeitig ist Draghis grösstes Kapital sein Ruf, als Italiener der beste Deutsche zu sein, d.h. für monetäre Disziplin einzutreten.

Draghi steht damit vor einem fast unlösbaren Dilemma: Monetäre Disziplin mit dem Risiko des wirtschaftlichen Absturzes oder Blankocheck mit dem Risiko einer Inflation. Wie heikel die Lage ist, wird auch sichtbar an der Grafik der EURO-Inflationsrate. Zwar trifft es zu, dass der scheidende Präsident der EZB, Jean-Claude Trichet, das Inflationsziel von 2% pro Jahr im Durchschnitt recht gut getroffen hat. Doch hinter dem Durchschnitt verstecken sich zackige Ausschläge. Die Inflation kann — obwohl sie im Durchschnitt aus 17 Ländern berechnet wird — innert Jahresfrist um 4 Prozentpunkte fallen und in den folgenden beiden Jahren wieder ansteigen. Kurz: Monetäre Disziplin kann rasch in den Sog einer Deflation führen, Krisenbekämpfung über die Notenpresse rasch in eine Inflation münden. Povero Draghi!

Grafik: Inflationsrate im Euro-Raum

Wirtschaft auf dem Prüfstand: Wo steht die Schweiz? (Sternstunden der Philosophie)

Monika Bütler

Ein Hinweis in eigener Sache:

Die heutige Sternstunde der Philosophie des Schweizer Fernsehens SF1 befasste sich mit den Folgen der globalen Wirtschaftskrise für die Schweiz.

Die (nicht immer einfachen) Fragen stellte Katja Gentinetta. Die Sendung wird wie folgt wiederholt (und später im Internet verfügbar).