Digitales Bargeld — Swiss Made?

Urs Birchler

So digital wie Bitcoin, so sicher wie ein Fünfliber oder eine Banknote der Schweizerischen Nationalbank — so wünschen sich manche das ideale Geld. Verschiedene Notenbanken prüfen deshalb seit einigen Jahren die Idee des digitalen Zentralbankgeldes (CBDC — Central Bank Digital Cash/Currency).

In einem Arbeitspapier der SNB haben drei Autoren — David Chaum (DigiCash u.v.m.), Christian Grothoff (Berner Fachhochschule), Thomas Moser (Mitglied des erweiterten Direktoriums der SNB) — unlängst untersucht, nicht ob, aber wie die SNB gegebenenfalls eine „Digitalnote“ schaffen könnte.

Am Anfang steht die Entscheidung: Konto oder Münze (token)? Digitales SNB-Geld in Kontoform gibt es bereits in Gestalt der Giroguthaben der Banken, mit denen diese den Zahlungsverkehr untereinander abwickeln. Die SNB müsste also bloss den Kundenkreis auf das Publikum ausweiten. Dieser Weg ist jedoch dornig: (1.) Die SNB müsste personalintensive Vorkehren zur Verhinderung von Geldwäscherei umsetzen (know your customer); (2.) Konti sind nicht anonym und damit nie hundertprozentig immun gegen staatlichen Missbrauch; (3.) Kontoüberweisungen hinterlassen Daten beim Empfänger.

Die Autoren entschieden sich daher für die Variante „Token“, d.h. die digitale Münze. Hier heisst die Herausforderung: Wie verhindert man eine Duplikation (Fälschung). Copy-Paste mit dem Münzcode wäre doch zu verführerisch. Hier kommt Entscheidung zwei: Hardware oder Software. Ein digitales Guthaben kann in einem geschützten Hardware-Bereich gespeichert werden, ähnlich der bereits bekannten SIM-Karte. Oder es kann in nicht-klonbarem Code niedergelegt werden. Die Autoren befürworten aus Sicherheitsgründen den letzteren Weg, das heisst eine „Sofware-Only“-Lösung.

Konkret befänden sich unsere Digitalfünfliber — wo sonst? — auf dem Handy. Dahin gelangen sie ab Bankkonto. Vom Handy aus können sie ausgegeben oder wieder auf ein Bankkonto zurück geschickt werden. Dieses Digitalgeld wäre also ein Inhaber“papier“. Es hinterlässt beim Bezahlen keine Spuren der Herkunft, genau wie herkömmliches Bargeld. Und wenn das digitale Portemonnaie beim Segeltörn ins Meer fällt, ist mit dem Handy auch das darauf gespeicherte Geld verloren, genau wie beim Portemonnaie.

Das Elegante an der vorgeschlagenen Lösung ist die klare Arbeitsteilung zwischen SNB und Geschäftsbanken. Der Bezug und die Rückgabe von Digitalmünzen erfolgt nur zwischen Inhaber (Kunde oder Händler) und Geschäftsbank. Die Überprüfung und Signatur wird von der SNB geleistet, an welche gebrauchte Digitalmünzen (ähnlich der abgenutzten Banknoten) zurückkehren. Damit bleibt die Trennung von Kundenprüfung (Geschäftsbank) und Schaffung von Zentralbankgeld (SNB) gewahrt.

Das Kernstück des Arbeitspapiers ist die kryptographische Umsetzung dieser Prozesse. Sie beruht, ähnlich wie die Verifizierung bei Bitcoin, auf der Kombination eines privaten Schlüssels und eines öffentlichen Schlüssels.

Wer bei seiner Bank eine Digitalmünze bezieht, erzeugt einen privaten
Schlüssel und bekommt eine Signatur der Zentralbank über den
dazugehörigen öffentlichen Schlüssel, ohne dass diese Schlüssel den
Banken zu diesem Zeitpunkt bekannt werden. Beim Ausgeben der Münze (via Händler und Empfängerbank) signiert der Kunde mit dem privaten Schlüssel die Anweisung zur Übertragung des Wertes der Münze an den Händler, und die Zentralbank prüft die Gültigkeit der Münze auf Basis der Signatur. Bisher alles genau wie Bargeld.

Der Trick bei der Echtheitsprüfung beruht darin, dass die SNB sehen kann, ob das Resultat einer Berechnung (konkret: einer in der Kryptgraphie üblichen Operation mit grossen Primzahlen) korrekt ist, ohne die Ausgangszahlen zu kennen. Wir erinnern uns an die Neunerprobe aus der Primarschule: Ein Blick auf die Neunerprobe zeigt der Lehrerin, ob das Ergebnis einer Division richtig ist (genauer: sein kann), ohne dass sie die Ausgangszahlen ansehen muss. Besser ist vielleicht der Vergleich mit der Prüfziffer einer IBAN-Nummer. Die Prüfziffer folgt aus der IBAN, aber die IBAN nicht aus der Prüfziffer. Die Mathematik der Echtheitsprüfung ist im Arbeitspapier ziemlich verständlich dargestellt. Denjenigen, die wie ich noch nie vom Inversen einer Modulo-Funktion gehört haben, sei eine kurze Nachhilfe empfohlen. Das Chaum-style blind-signature protocol sparen wir uns für den Party-talk. Wichtig ist aber, dass die ganze Software hinter der im Papier dargestellten Digitalmünze auf Open Source Software beruht, und zwar auf dem offensten der verschiedenen Standards, der sogenannten GNU Public License und dem System der GNU-Taler.

Zwischenfazit: Die vorgeschlagene Lösung besticht dadurch, dass sie von allen bisher vorgeschlagenen Formen von CBDC die bestmögliche Abbildung von Bargeld in digitaler Form zu sein scheint. Dennoch bestehen im Hinblick auf eine — von der SNB ausdrücklich nicht geplante — Implementierung noch einige Fragen:

  • Würden im Krisenfall die Kontoinhaber ihr Geld massenweise von den Banken abziehen und in SNB-Digitalgeld umtauschen (Bank Run)?
    Die Autoren bezweifeln dies, da das Geld nicht auf ein Koto bei der SNB fliesst, sondern bei den Inhabern auf dem Handy herumgetragen werden müsste.
  • Lassen sich mit der Digitalmünze Steuern hinterziehen. Die Autoren verneinen dies (ich bin nicht sicher, ob ich die Argumentation schon voll begriffen habe). Ob dies ein Vor- oder ein Nachteil wäre, dürfte umstritten sein (und wäre dann doch ein Unterschied zu Bargeld).
  • Wäre das Geld sicher vor Manipulation? Die digitalen Münzen hätten ein Verfallsdatum und kehrten immer wieder zur SNB zurück, wo sie vernichtet und ersetzt werden. Die Autoren machen geltend, dies sei wichtig, damit nicht immer mehr alte Nummern im Umlauf sind, was die Anfälligkeit zu Missbrauch erhöhen würde. Überdies würden auch die bestehenden Banknoten-Serien periodisch ausgetauscht, wenn auch nur ungefähr alle zehn Jahre. Gleichzeitig sehen sie beim Umtausch die Möglichkeit, zum Beispiel Gebühren zu erheben (=Negativzinsen). Auch dies wäre ein Unterschied zum bestehenden Bargeld, und ebenfalls ein absehbar umstrittener. Hier besteht daher noch eine Lücke in den Spielregeln.
  • Wäre digitales Bargeld eins zu eins gleich physischem Bargeld? Gemäss den Autoren bestünden gewisse Unterschiede, daher könnte also zwischen den beiden ein „Wechselkurs“ ungleich 1 entstehen. Die SNB könnte den Kurs natürlich mit flexiblem Angebot bei 1 fixieren, sei es freiwillig, sei es kraft (anzupassendem) Gesetz. Hier besteht noch Klärungsbedarf.

Fazit: Das im SNB-Arbeitspapier dargelegte Modell eines digitalen Zentralbankgeldes für jedermann scheint mir das interessanteste bisher vorgelegte Rezept. Näher zum physischen Bargeld kommt man kaum noch. In der Halbzeit liegt also die Schweiz mit ihrem „Digi-Taler“ vorne. Für die zweite Hälfte (oder sind wir schon in der Verlängerung?) würde ich noch jemanden aus der Rechtswissenschaft einwechseln.

[P.S: Christian Grothoff, einer der drei Autoren des Arbeitspapiers hat mich auf einen technischen Fehler aufmerksam gemacht. Seine korrigierte Version des Abschnitts „Wer bei seiner Bank eine Digitalmünze bezieht“ habe ich in den Text integriert. Herzlichen Dank, Christian!]

Familienknatsch bei Bitcoins

Der oft zitierte Einleitungssatz zu Leo Tolstois Anna Kerenina — „Alle glücklichen Familien gleichen einander, jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich“ — gilt offenbar auch für die Bitcoin-Familie.

Familie? Richtig. Der ursprüngliche Bitcoin (an den Börsen BTC) hat nämlich verschiedene Abkömmlinge gezeugt. Einer davon ist Bitcoin Cash (BCH), entstanden 2017 durch eine Gabelung (fork) in der Blockchain aufgrund einer Meinungsverschiedenheit der Teilnehmer. Durch eine weitere Gabelung entstand 2018 Bitcoin SV (BSV). BCH seinerseits verzweigte sich im November 2020 in Bitcoin Cash Node (BCHN) und in Bitcoin Cash ABC (BCH ABC).

Diese Sprösslinge versuchen alle, gewisse Mängel des originalen Bitcoin-Protokolls zu beseitigen, namentlich beschränkte Transaktionsgrössen und mangelnde Skalierbarkeit. Mit ähnlicher Zielsetzung sind ausserhalb des Bitcoin-Stammbaums Tausende anderer Crypto-Currencies — zusammenfassend Alt-Coins genannt — entstanden, wie Ether, Ripple, etc.

Hier geht es nur um die Bitcoin-Familie im engeren Sinn. Hier ist nämlich in der letzten Februar-Woche eine Bombe geplatzt. Ein Australier namens Craig Wright behauptet schon seit längerem, er sei der mysteriöse Schöpfer des Bitcoin-Protokolls, das heisst die wahre Person hinter dem Pseudonym Sakoshi Nakamoto. Sein Anspruch wird in der Szene angezweifelt, hat aber auch Anhänger. Bewiesen hat er einstweilen noch nichts.

Dessen ungeachtet schaltete Craig Wright einen Gang höher: Er beansprucht wie die Financial Times berichtet, das Urheberrecht auf dem Bitcoin White Paper, sozusagen der Geburtsurkunde des Bitcoin. Verklagt werden die Entwickler hinter den Bitcoin-Töchtern BTC, BCH, BCH ABC and BSV mit einem Streitwert von £ 3,5 Mrd.

Der Hintergrund: „Craig-Toshi“ behauptet, Hacker hätten ihm zwei wallets mit seinen Bitcoins gestohlen. Wert (bei heutigem Kurs): £ 3,5 Mrd. Er sucht aber nicht die Diebe, sondern versucht, die Entwickler dazu zu bringen, dass sie die Blockchain gewissermassen zurückdrehen, um sie ab dem Punkt, wo seine Guthaben verschwunden sind, ungültig zu machen. Dies wäre eine „gute“ Variante das berüchtigten 51-Prozent-Angriffs, mit dem eine Mehrheit der Teilnehmer eine bereits „geronnene“ Blockchain wieder auflösen kann. Neuestens wäre er aber auch zufrieden, wenn ihm einfach neue Bitcoins im selben Wert zugeteilt würden. Wie die FT bemerkt: Sowohl die Diebe. als auch das Opfer hätten dann das Geld.

Ob die Copyright-Klage Erfolg haben wird, wissen wir nicht. Eher könnte sie, wie mancher Familienstreit, letztlich allen Mitgliedern schaden. Beispielsweise wurde BSV (für Bitcoin Satoshi Version, ein Versuch, zu den „Wurzeln“ von Bitcoin zurückzukehren), an dessen Entstehung Craig Wright beteiligt war, von der grössten australischen Coin-Börse dekotiert, da die Copyright-Klage als bullying empunden wurde (obwohl — ein weiteres Rätsel — BSV selbst zu den Beklagten gehört).

Die Bitcoin-Familie scheint tatsächlich eine ganz eigene Form des Unglücks gefunden zu haben. Und dass man einen Familienstreit als Aussenstehender nie bis in seine Tiefen verstehen kann, wussten wir schon vorher.

Stablecoin nicht gedeckt

Urs Birchler

Zu den sonderbarsten Erscheinungen am gehören jene Coins, die angeblich einen festen Wechselkurs zu einer staatlichen Währung wie US-Dollar oder Schweizer Franken haben. Einen Fixkurs kann nämlich nur jemand garantieren, der in beiden Währungen genügend Kapital hat. Ein „Stablecoin“, das einen Fixkurs in US-Dollar verspricht, müsste also stets zu 100 Prozent durch wertsichere und liquide Anlagen in Dollars gedeckt sein. Wie aber mit dem Halten gesicherter Dollarguthaben und der Ausgabe von Gutscheinen darauf Geld zu verdienen ist, scheint mir rätselhaft. Die Vollgeldinitiative wäre überflüssig gewesen, wenn sich das Angebot von „Vollgeld“ privat lohnte.

Drum wundert es mich nicht, dass bitcoinnews.ch meldet, dass das Krypto-Vollgeld Stablecoin eben doch nicht so gedeckt ist, wie es seine Schöpfer dauernd behaupteten, aber nie wirklich nachwiesen.

Dies ist nur ein Beispiel: Aber es erinnert daran: Hände weg von all diesen Fancy-Coins!
Lieber heute dumm aussehen als für den Rest der Ewigkeit.

Vernissage im Money Museum

Urs Birchler

Das Money Museum hat gestern mit einer Vernissage neu eröffnet, unter anderem mit einer Ausstellung zum Thema „Der gerechte Preis“, das seit dem Mittelalter nichts an Aktualität eingebüsst hat. Dann verfügt das Museum über eine sensationelle Sammlung von aktuell 2095 Münzen, aus der im übrigen unsere täglich wechselnden Batzen (oben rechts) stammen. So ganz beiläufig erhielt ich gestern plötzlich eine sumerische Tontafel in Keilschrift in die Hand gelegt.

Der Vater des Museums, Jürg Conzett, verblüfft immer wieder mit seiner Offenheit für Unkonventionelles und Neues. So zeigt er im Museum auch seine Bitcoin-Mining-Maschine (Bild). Auf einem Zähler können die Besucher laufend verfolgen, wieviele Bitcoins der Apparat dem System schon abgemolken hat.

Auch wer endlich alles zum römischen Geldwesen genau wissen will, wird fündig (Bild).

Achtung: Das Museum ist nur Freitags offen. Und es lohnt sich, eine Führung zu vereinbaren.

Ohio: mit Bitcoin Steuern zahlen

Urs Birchler

Wie das Wall Street Journal berichtet, hat Ohio als erster Bundesstaat der USA Bitcoin als Zahlungsmittel für Steuern, Verkehrsbussen, etc. zugelassen. Ohio tritt damit in die Fusstapfen der Stadt Zug, die 2016 als erste Bitcoin für gewisse Zahlungen gelten liess.

In Zug ist mittlerweile eine gewisse Ernüchterung eingetreten (wie die NZZ schon im Februar berichtete). Das einst als gelobtes Land wahrgenommene Krypto-Valley wird mehr und mehr zum Klepto-Valley. (Kritische Beiträge zu Bitcoin bei batz.ch: Die sieben Geburtsfehler, Keine Zukunft, Kartoffelgeld, Sparsocken.) Dass Bitcoin gegenwärtig dreimal soviel Strom frisst, wie alle Schweizer AKWs zusammen produzieren — Tendenz steigend — scheint man in Columbus noch nicht vernommen zu haben.

Ohio ist also nicht der Pionier unter den amerikanischen Gliedstaaten, sondern eher der Nachzügler, der noch nicht gemerkt hat, dass die Party zu Ende ist.