„Staatsgeheimnis Bankenrettung“

Urs Birchler

Fast hätte ich’s verpasst: Sieben Tage Arte-Doku über die Rettung der Banken. Und wo ist das Geld gelandet? Viel Vergnügen.

Dank an Stefan Zacher für seinen Hinweis auf Twitter.

Bailey

Urs Birchler und Michael Bailey

Der neue Vizegouverneur und damit oberster Bankenaufseher der Bank of England heisst Andrew Bailey. Als erster wird er sich sicher den Film It’s a Wonderful Life ansehen mit James Stewart (alias George Bailey) dessen Bank von ihren Kunden gestürmt wird …

Für Cinéasten die Vollversion, für alle andern hier die kürzere.

bankrun

Nackte Bankiers

Urs Birchler

In der NZZ von heute (S. 25) schreibt Martin Lanz über die „vergebliche Suche nach der ’sicheren‘ Bank“. Doch vielleicht ist diese Suche gar nicht so vergeblich, wenn man sich einmal von ein paar gängigen Vorurteilen löst.

Gestern stellten Anat Admati und Martin Hellwig in den USA ihr in den nächsten Tagen erscheinendes Buch The Bankers‘ New Clothes: What’s Wrong with Banking and What to Do about It vor. Darin demontieren sie die gängigen Argumente der Banken, wonach Regulierung (namentlich höhere Eigenmittelanforderungen) kostspielig seien. Das schlimmste dieser Argumente: „Eigenmittelanforderunegn binden Kapital, das nachher in der Wirtschaft fehlt und verringern daher das Wachstum.“ Wer solches behauptet, steht nach Lektüre des Buches tatsächlich ziemlich nackt da.

Doch auch die Behörden werden gestrippt: „Glauben Sie denen nicht, die sagen, dass alles besser sei als vor der Finanzkrise von 2007-2009 und dass wir ein sichereres System hätten, das mit der Umsetzung der Reformen noch sicherer werde. Das heutige Bankensystem ist so gefährlich und zerbrechlich wie das System, das uns die Krise gebracht hat“, schreiben Admati und Hellwig (meine Übersetzung).

Admati und Hellwig sind jedoch keine Pessimisten. Ein sicheres oder zumindestens viel sichereres Finanzsystem ist möglich, und zwar ohne grosse Kosten für die Wirtschaft. Das Hauptinstrument sind höhere Eigenmittel. Auch Martin Lanz folgert: Es „führt wohl kein Weg an strengeren Eigenkapitalanforderungen vorbei“. Nur: Admati und Hellwig meinen viel höhere Eigenmittel. Wir dürfen gerne an 20-30 Prozent der Bilanzsumme denken, das ist ein Vielfaches der Anforderungen unter Basel III.

Die Autoren lassen aber auch kein gutes Haar an der Schizophrenie des Staates: Auf der einen Seite bestraft er die Finanzierung durch Eigenmittel, in dem deren Kosten steuerlich nicht abzugsfähig sind. Auf der anderen Seite zwingt er die Banken, Eigenmittel zu halten.

Daher schliessen Admati und Hellwig zutreffend: Wir können ein viel sicherers Bankensystem haben, und es würde wenig kosten. Nur eine einzige Zutat fehlt: „The critical ingredient—still missing—is political will.“

P.S.: Eine Reihe von Hintergrundpapers sind bereits verfügbar.

Island gerettet?

Urs Birchler

Wir haben uns von Anfang an auf die Seite Islands geschlagen: Bitte nichts zahlen! rieten wir Island im Streit mit seinen Gläubigern schon vor drei Jahren. Als dann die EFTA auf Drängen der britischen und niederländischen Gläubiger der gescheiterten isländischen Banken gegen Island vor Gericht zog, lagen unsere Sympathien im Konflikt EFTA gegen Island ebenfalls bei den Isländern.

Umso erfreulicher, dass heute der EFTA-Gerichtshof zugunsten von Island entschieden hat, dass ein kleines Land im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) nicht bedingungslos für die Schulden seiner Einlagensicherung haftet. Näheres dazu im Beitrag Icesaved? von FT Alphaville.

Das Urteil ist auch aus Schweizer Sicht interessant, bzw. wäre, sollten wir dereinst dem EWR beitreten oder (nicht als politische Empfehlung gemeint) bilateral die EU-Einlegerschutzkonvention übernehmen (umgesetzt haben wir sie im wesentlichen bereits) .

Eigenmittel sind wie Wasser: teuer in der Wüste

Urs Birchler

In einem Beitrag auf voxeu.org diskutiert David Miles, Mitglied des Monetary Policy Committee der Bank of England die Frage, ob Eigenmittel wirklich so teuer sind, wie die Banken immer wieder (bzw. immer noch) behaupten. Miles kommt zum Schluss, dass Eigenmittel im Grunde nur für jene Banken teuer sind, die viel zu wenig Eigenmittel davon (oder gar einen „debt overhang“) haben. Das sind genau die Banken, die aus Stabilitätsgründen unbedingt ihre Eigenmittel erhöhen sollten. Mit der Aussage: „Strengere Eigenmittelanforderungen sind für uns teuer“, sollten Bankiers daher vorsichtig sein.

Probezeit für Axel Weber?

Urs Birchler

Der Verwaltungsratspräsident der UBS referiert am 7. Februar an einer Veranstaltung der Paulus-Akademie zum Thema „Mit Werten führen. Erfolgsrezept oder Phrase?“. Es sei denn, es gehe nach dem Willen des Präsidenten der evangelisch-reformierten Kirche Glattfelden. Er möchte Bankier Weber zuerst in die Qualifikationsrunde schicken. Der Tages-Anzeiger von heute (S. 19) zitiert ihn: „Wenn er [Axel Weber] seinen Job einige Jahre lang gut macht, kann man wieder darüber reden.“

Ein recht selbstbewusstes Statement gegenüber einem — soweit ich weiss — unbescholtenen Mann mit einem beeindruckenden Leistungsausweis. Aber in der Kirche Glattfelden gilt offenbar die Schuldvermutung, ganz nach Römer 3:23 (gemäss Zürcher Bibel: „Alle haben ja gesündigt und die Herrlichkeit Gottes verspielt.“)

Dies illustriert einen bedenklichen Aspekt der Ethikdebatte: die Selbstherrlichkeit der selbsternannten Sittenwächter. Einzelfall? Leider nein, siehe unseren früheren Beitrag. Ein schlechtes Gewissen beim Inkasso der Kirchensteuer von Unternehmen wie der UBS kommt dabei nicht auf. Und schon gar nicht die Idee, dass der VR-Präsident der grössten Schweizer Bank vielleicht Gescheiteres zu tun hätte, als Ethikvorträge zu halten.

Der Glattfelder Kirchenpräsident wird (immer laut TA) höchstens „unter heftigem Protest“ teilnehmen (was immer das konkret bedeuten mag.) Aber, was reg‘ ich mich denn auf — als Ökonom solle ich wissen, dass Organisationen mit schmelzendem Marktanteil gerne auf sonderbare Ideen kommen.

ZKB wohin?

Urs Birchler

Die ZKB renoviert. Gemäss Medienmitteilung sollen nicht weniger als neun Erlasse und Reglemente geändert werden (Übersichtiliche Zusammenstellung im Factsheet). Dies ist kein Totalumbau, aber mehr als eine Pinselrenovation.

Die wichtigste Änderung ist die Erweiterung des Geschäftsbereichs, gefolgt von einer Kapitalerhöhung.

  • Der Geschäftsbereich soll über die Kantonsgrenzen hinaus (in andere Kantone und ins Ausland) ausgedehnt werden, was eine Änderung des Kantonalbankgesetzes erfordert.
  • Die ZKB will gemäss ihr Dotationskapital um 2 Mrd. Fr. auf 4,5 Mrd. Fr. erhöhen. Ferner soll das Dotationskapital nicht mehr fest, sondern via Gewinnausschüttung abgelten.

Dann gibt es aber auch die wichtigste Nicht-Änderung:

  • Die Staatsgarantie wird nicht angetastet (trägt also künftig auch Risiken der „geografischen Diversifikation“).

Hierzu ein paar Kommentare, basierend auf unseren bisherigen Beiträgen zur ZKB.

  1. Es scheint mir klar, dass es eine Bank für die finanziell Unkundigen braucht.
  2. Für die ZKB ist die Staatsgarantie besonders wertvoll: siehe batz.ch
  3. Die Staatsgarantie ist eine gefährliche Einrichtung, wie wir hier dargelegt und hier präzisiert haben.
  4. Die ZKB geniesst neben der gesetzlichen Staatsgarantie (die erst im Konkurs zum Tragen kommt) eine faktische Staatsgarantie, da der Kanton seine Bank nicht vor die Hunde gehen lassen kann. Dies haben wir in einem wichtigen Beitrag (gestützt auf eine Referat von Regierungsrätin Frau Ursula Gut) näher erläutert. Pro memoria: Privatisierungen von Banken mit faktischer Staatgarantie machen das Problemnoch grösser.
  5. Das einzige echte (noch vor dem Zürcher Steuersubstrat) risikotragende Substanz ist daher die nachrangige Wandelanleihe.
  6. „Kapitalerhöhungen“ durch den Kanton bedeuten, dass der Kanton Geld vom rechten in den linken Hosensack legt. Das einzige was er dadurch erreicht: Die Leine der ZKB wird länger.
  7. Die FINMA vertritt die Einleger, nicht den Kanton Zürich. Daher ist ihr vermutlich egal, ob Kapitalerhöhungen der ZKB vom Markt oder aus der Zürcher Staatskasse finanziert werden.
  8. Im Ausland hat die ZKB die Zürcher Unternehmen zu unterstützen. Darüber hinaus hat sie (mit der Staatsgarantie im Sack), wie hier behauptet, im Ausland eigentlich wenig verloren, aber viel zu verlieren.

Einstweiliges Fazit: Wenn die geografische Diversifikation als notwendig erachtet wird, dann ist diese voll zu finanzieren mit nachrangigen Anleihen, die verfallen, wenn die Eigenmittel der Bank unter eine bestimmte Grenze fallen. Alles andere liegt nicht im Interesse von Herrn und Frau Zürcher.

Braucht die ZKB ein Auslandgeschäft?

Urs Birchler

Armin Müller von der Handelszeitung fragt mich auf Twitter: „Trotzdem: Gibt es eigentlich einen überzeugenden Grund für das Auslandgeschäft einer Kantonalbank?“ Er will mich offenkundig provozieren. Er weiss natürlich auch, dass die Aufgaben der ZKB im Kantonalbankgesetz umschrieben sind:

Paragraph 2

1 Die Bank hat den Zweck, zur Lösung der volkswirtschaftlichen und sozialen Aufgaben im Kanton beizutragen. Sie unterstützt eine umweltverträgliche Entwicklung im Kanton.
2 Sie befriedigt die Anlage- und Finanzierungsbedürfnisse durch eine auf Kontinuität ausgerichtete Geschäftspolitik. Dabei berücksichtigt sie insbesondere die Anliegen der kleinen und mittleren Unternehmungen, der Arbeitnehmerinnen und der Arbeitnehmer, der Landwirtschaft und der öffentlichrechtlichen Körperschaften. Sie fördert das Wohneigentum und den preisgünstigen Wohnungsbau.

Ein Auslandgeschäft läst sich durchaus rechtfertigen, wenn dieses den Bedürfnissen der — ziemlich weltoffenen — Zürcher Wirtschaft entgegenkommt. Ob im vorliegenden Fall Vermögensverwaltung in Österreich dazugehört, wage ich nicht zu beurteilen; vielleicht sind die Kunden ja alle Auslandzürcher.

Ferner könnte man sagen: Internationaler Erfolg ist ein Zeichen dafür, dass eine Bank effizient arbeitet. Das Auslandgeschäft wäre dann als Fitness-Test notwendig. Dies scheint (bei wohlwollender Interpretation) gemeint mit der Spitze der ZKB-Zielpramide aus ihrem nachstehend abgebildeten Konzernleitbild:

ZKBvision

Einen eigenständigen Grund zu einer Auslandtätigkeit, beispielsweise als Ertragsquelle, finde ich im Aftrag der ZKB nirgends. Die Auslandtätigkeit ist ihr aber nicht explizit verboten. Hier wären die Grenzen bei einer Revision eventuell schärfer zu ziehen. Das Kostet Ertrag? Richtig. Drum würde ich gleichzeitig bei den anderen, potentiell teuren Pflichten ausholzen: Soziale Aufgaben? Ja, aber nicht über die Bank! Die Umwelt? Ja, aber nicht über die Bank! Gemeinnütziger Wohnungsbau? Velleicht, aber nicht über die Bank! Landwirtschaft? Nicht über die Bank! Die Universität? Ach, die ist gar nicht erwähnt…

Mein ungehobelter Vorschlag für den Zweckartikel:

1 Die Bank hat den Zweck, einerseits der Bevölkerung des Kantons liquide und sichere Anlagemäglichkeiten zu bieten und andererseits die Kreditversorgung der Zürcher Wirtschaft, namentlich der kleinen und mittleren Unternehmungen, sicherzustellen.
2 Sie handelt nach Treu und Glauben als verlässliche Partnerin. Sie strebt nach einem der Geschäftstätigkeit entsprechenden Gewinn, ohne Informationsnachteile der Kunden auszunützen.

Vielleicht hat Armin Müller einen Gegenvorschlag.

Das ZKB-Vertrauensbarometer

Urs Birchler

Die Anklageerhebung gegen ZKB-Vertreter in den USA hat die Investoren anscheinend kaum beeindruckt. Der beste Indikator für das Vertrauen in unsere Staatsbank ist der Kurs der im vergangenen Januar begangenen nachrangigen ewigen Anleihe. Diese absorbiert nämlich Verluste, noch bevor der Staat haften muss. Wie es in der Medienmitteilung der ZKB vom 13. Januar 2012 heisst: „Fällt die Kernkapitalquote unter 7% oder stellt die FINMA eine drohende Insolvenz fest, kommt es zu einem automatischen Forderungsverzicht. Der Investor erleidet in diesem Fall einen vollständigen oder teilweisen Verlust seiner Forderung.“ Der Kurs dieses Papiers müsste also sehr empfindlich auf Ängste bezüglich ZKB reagieren.

Hier dürfen wir beruhigt melden, dass der Markt heute nur knapp mit der Wimper gezuckt hat. Der Kurs ist bei konstantem Handelsvolumen um ein halbes Prozent zurückgegangen, wie die nebenstehende Grafik zeigt (Quelle: SIX-Swiss-Exchange).