Goldenes Eigentor

Urs Birchler

Die Presse (zum Beispiel TA) berichtet dieser Tage, dass die Goldinitiative im Falle einer Annahme eine Spekulationschance auf dem Silber-, bzw. Goldtablett, serviert. Tatsächlich würde die Nationalbank zu automatischen Goldkäufen gezwungen. Wie gefährlich dies ist, illustriert ein Beispiel aus der Vergangenheit: Die Eidgenossenschaft stand wegen einer unbedacht eingegangenen Goldkauf-Pflicht 1991 am Rande des Bankrotts. Und das kam so.

250_CHF_1991

Der Bund wollte sich zu seinem 700-Jahr-Jubiläum ein Geschenk machen und kam auf die Idee einer Gedenkmünze in Gold. Damit es ein richtiges Geschenk würde, beschloss er, den Nennwert auf 250 Franken festzusetzen, aber nur Gold für rund 140 Franken in die Münze zu packen — Differenz zugunsten der Staatkasse. Um die Nachfrage trotz dieser unterwertigen Prägung sicherzustellen, erklärte der Bund die Münze zum gesetzlichen Zahlungsmittel. Dadurch wurde die Münze aber fast wieder zu attraktiv. Damit die Münzstätte planen konnte, musste man die Münze daher schon zwei Jahre im voraus bestellen. Im Gegenzug verpflichtete sich der Bund, alle Vorbestellungen auch tatsächlich zu honorieren.

Und damit hatte er sich selber schachmatt gesetzt. Es war ganz einfach: Wer für 250 Franken eine Münze bestellte, bekam im schlimmsten Fall ein gesetzliches Zahlungsmittel im Wert von 250 Franken. Sollte der Goldpreis aber vom Bestelldatum im April 1988 bis zur Auslieferung im Jubeljahr 1991 kräftig steigen, lag ein schöner Gewinn drin. Für den Besteller also eine risikolose Gewinnchance.

Noch schlimmer: Je höher die Bestellmenge, desto stärker würde der Goldpreis steigen und desto grösser der Gewinn für die Besteller. Die Spekulation war nicht nur risikolos, sondern auch noch selbsterfüllend: Hätten alle Marktteilnehmer ihren Gewinn zu maximieren versucht, hätte die Bestellmenge den Welt-Goldbestand überstiegen. Der Bund wäre angesichts des steigenden Goldpreises schon bei einer kleineren Menge bankrott gewesen.

Dass sich die Banken beim Bestellen edel zurückhielten, spricht für sie. Gleichwohl annullierte der Bund wenig vertragstreu die Bestellrunde mit dem Argument, sie sei „spekulativ missbraucht“ worden. Die Münze wurde ein zweites Mal ausgeschrieben; diesmal aber nur in einem teuren „Luxusetui“ aus billigem Plastic. Der Erfolg bieb deshalb mässig. Und das Etui hinterliess, sozusagen an als Erinnerung an den Vertragsbruch, auf der Münzoberfläche hässliche braune Spuren.

Trotz der dunklen Flecken kam der Bund nochmals heil davon.
Die Dummheit einer erneuten Goldverpflichtung durch Annahme der Goldinitiative könnten wir uns aber eigentlich ersparen.

[Eine detailliertere Darstellung der Münzausgabe von 1991 samt einer optionstheoretischen Bewertung findet man in meinem Beitrag in Wirtschaft und Recht von 1989. Hier zum Download]

Systemrelevanz rentiert

Urs Birchler

Ein Vertreter der Bank Notenstein (Vermögensverwaltungs- und Asset Management-Tochter der Raiffeisen-Bank) sagt es in entwaffnender Ehrlichkeit (gemäss by Finews):

„Unsere Kunden haben es auch geschätzt, dass die Schweizerische Nationalbank Raffeisen als systemrelevant eingestuft hat.“

Recht hat er, natürlich. Doch das Zitat zeigt: Die Lebensversicherung „Systemrelevanz“ vergiftet den Wettbewerb noch in den hintersten Ecken des Bankgeschäfts.

Stressfeste Kantonalbanken?

Urs Birchler

Die Presse berichtet heute, gemäss einer Studie der Bank Vontobel, könnten die Kantonalbanken einen Rückgang der Immobilienpreise gut überstehen.

Was aber mindestens so sehr interessieren würde: Können die Kantonalbanken auch einen Anstieg der Zinssätze überstehen? Die Hauptgefahr im Immobilienbereich liegt nämlich nicht in einem Immobilienpreisrückgang, sondern darin, dass die Hauseigentümer wegen steigender Zinssätze ihre Hypothekarschulden nicht mehr bedienen können. Wenn sie das können, sind die Immobilienpreise nicht relevant. (Wenn sie es nicht können, sind die Immobiliepreise mindestens kurzfristig auch nicht so wichtig, da die Banken nicht gleichzeit ihre Grundpfänder liquidieren können.)

Darum wollte ich selber in der Studie nachschauen. Doch ohne Erfolg. Auch auf der Homepage der Bank Vontobel finde ich die Studie nicht. Die Kollegen von der gedruckten Presse haben es also für einmal besser als die böhzen Bloggerz. Aber — wie der Tagi sagen würde — wir bleiben dran.

Governance bei Kantonalbanken

Urs Birchler

Ich erhalte dieser Tage verschiedene Anfragen betreffend die politische Aufsicht über Kantonalbanken. Deshalb hier kurz mein Standpunkt:

Kantonalbanken sollen eine politisch (mehr oder weniger klar definierte) definierte Leistung zugunsten der Bevölkerung erbringen und gleichzeitig rentieren. Dies schafft ein Spannungsfeld für die Governance. In der Praxis, z.B. im Kanton Zürich, krankt diese Governance daran, dass der politische Proporz gleich auf vier Ebenen berücksichtigt wird:

Erstens — per definitionem und sinnvollerweise — im Parlament.
Zweitens — noch knapp begründbar — in der Spezialkommission ZKB.
Drittens — unglücklicherweise — im Bankrat.
Viertens — zum Überfluss — auch noch im 3-köpfigen Präsidium.

Der Proporz bis in den Bankrat und ins Präsidium hinunter schafft zwei Probleme:

  1. dass diese Gremien zu gross sind, weil nur so der Proporz gewahrt werden kann
  2. dass das Parteibuch über persönlichen Qualitäten steht.

Zürich ist aber bei weitem nicht der einzige Kanton mit einer „Proporzbank“, siehe hier.

Bankenrettung ohne Staat?

Urs Birchler

Der portugiesische Banco Espírito Santo muss (trotz Werbung durch Cristiano Ronaldo) gerettet werden. „Ohne Staatsgeld“, lügen die Verantwortlichen. Die Elemente der Rettung:

  1. Die Bank wird aufgespaltet in eine „bad bank“ und eine gute namens Novo Banco.
  2. Der Novo Banco erhält eine Finanzspritze von 4,9 Mrd. Euro.
  3. Der Novo Banco wird (bis zu einem Verkauf) übernommen von einem Auffang-Fonds, den die Banken selbst gebildet haben. Der Fonds hat aber nur wenig Mittel; der grösste Teil der 4,9 Mrd. Euro bestehen deshalb in einem Hilfskredit des Staates (aus Geldern der „Troika“, genauer: aus dem IMF/EU-Hilfsprogramm für Portugal).
  4. Die normalen Einleger kommen in die gute Bank; Aktionäre (von der Börse seit Juni schon mit einem Verlust von 90% gebeutelt) sowie nachrangige und „junior“ Gläubiger und erhalten die „bad bank“.

Die gute Seite: Aktionäre und ungeschützte Gläubiger werden nicht gerettet. (Ob auch Cristiano Ronaldo die bis 2022 versprochenen Werbeeinnahmen verlieren wird?). Die schlechte Seite: Ohne Geld vom Staat geht es immer noch nicht. Erstens ist auch Geld aus einem Banken-Rettungsfonds Steuergeld, nur wurde es anstatt von den allgemeinen Steuerzahlern von den Banken erhoben. Die guten Banken zahlen also für die schlechten. Zweitens war der Hilfskredit von knapp 5 Mrd. Euro kaum zu den geltenden Bedingungen am Markt erhältlich. Der portugiesische Staat subventioniert also den Novo Banco durchaus — trotz allen gegenteiligen Beteuerungen. Und hinter ihm (falls er nicht zahlen kann) die europäischen Geldgeber und der IMF (also ein kleines bisschen auch der Schweizer Steuerzahler).

Vollgeld

Urs Birchler und Monika Bütler

Die Vollgeldinitiative ist lanciert. Volles Geld bringt volle email Boxen mit Anfragen von interessierten Journalist(inn)en und Student(inn)en. Glücklicherweise hat unser emeritierter (HSG) Kollege Jörg Baumberger sich schon die Mühe genommen, die Argumente gegen eine Vollgeldreform aufzuschreiben. Fazit: Nicht die Geldschöpfung der Geschäftsbanken ist verantwortlich für die Instabilitäten des Finanzsektors. Banken müssen mit anderen Mitteln sicherer gemacht werden – durch höhere Eigenmittelvorschriften, zum Beispiel.

Alle Anfragen zur Vollgeldinitiative erhalten daher von uns den Link auf Jörg Baumbergers NZZ Artikel.

PS: Jörg Baumberger ist zwar emeritiert aber keineswegs eremitiert. Er ist nach wie vor sehr aktiv und bringt ökonomische Zusammenhänge wie eh und je luzide auf den Punkt.

Ungeeignete Leverage Ratio?

Urs Birchler

Der Tages-Anzeiger lobt die Universität Zürich für die Wahl der Bankenkritikerin Anat Admati zur Ehrendoktorin: „Ihre Ehrung markiert Distanz zum Bankenplatz: zur UBS, die ein eigenes Kompetenzzentrum sponsert [das UBS Center for Economics in Society], und zum Swiss Finance Institute, das von den Banken finanziell unterstützt wird. Regulierungsfragen werden dort mehr als zurückhaltend behandelt.“ [Hyper-Links von uns eingesetzt.]

Dass uns der TA Unabhängigkeit attestiert, ist erfreulich. Er hätte noch erwähnen können: Am Institut für Banking und Finance und dessen Zentrum für Finanzmarktregulierung (ZeFiR) nehmen wir ständig zu Regulierungsfragen Stellung. (Das Institut erhält m.W. keine Gelder von Grossbanken und ist nicht zu verwechseln mit dem bankenfinanzierten SFI.)

Ferner hat der TA mit dem Zitat „Ungewichtete Kapitalquoten sind völlig ungeeignet, um das «Too big to fail»-Problem zu managen“ ein unglückliches Beispiel erwischt. Die Aussage stammt aus einem White Paper des SFI, verfasst unter der Leitung von Prof. Jean-Charles Rochet (UZH). Das Paper zieht Bilanz zur Diskussion um die Kapitalkosten und kommt zum — keineswegs bankenfreundlichen — Schluss, dass der Nutzen höherer Eigenmittel der Banken die Kosten vor allem aus gesamtwirtschaftlicher Sicht klar übersteigen dürfte.

Eine Leverage-Ratio als einzige Eigenmittelanforderung für Banken ist gleichwohl ungeeignet. Eine solche würde das Bankgeschäft in die riskantesten Ecken abdrängen. Wenn Anat Admati fordert, die Banken sollen Eigenmittel von 20% der Bilanz haben, heisst dies nicht, dass diese Eigenmittel durch eine alleinige Leverage-Ratio erzwungen werden sollen.

Wir können Anat Admati selber fragen. Morgen Dienstag, 17 Uhr, hält sie einen öffentlichen Vortrag an der UZH.

Ehrendoktor an Banken-Kritikerin

Urs Birchler

Die Ökonomin Anat Admati ist seit heute Ehrendoktorin der Universität Zürich. Damit wurde diese Ehre nach Doug Diamond zum zweiten Mal hintereinander an eine(n) Vertreter(in) der Banken- und Finanztheorie vergeben.

Die ehemalige Studentin der Hebrew University, Jerusalem, ist heute (mit einem PhD von Yale) Professor of Finance and Economics in Stanford (CV). Ihre Forschung und Publikationen gelten Fragen der Informationsverarbeitung auf den Finanzmärkten und anderen Fragen auf dem Gebiet der sogenannten Mikrostruktur der Märkte.

Anat Admati gehört aber auch zur Gruppe jener Ökonomen, die nach der Finanzkrise aktiv die Öffentlichkeit gesucht haben und den Argumenten der Banken entgegengetreten sind. Das Buch The Bankers‘ New Clothes, verfasst mit Martin Hellwig, räumt auf mit den Argumenten der Banken, weshalb hohe Eigenmittel schädlich seien. Für Eilige: Eine kurze Zusammenfassung durch Admati im Video-Clip. Eine Zusammenfassung auf deutsch bei iconomix, in der FuW und in der FAZ.

ZKB bei batz.ch

Urs Birchler

Im Hinblick auf die beginnende Kantonsrats-Debatte ein Verzeichnis aller batz.ch-Artikel, die zum Thema ZKB geschrieben wurden:

ZKB-Kompass für den Kantonsrat

Urs Birchler

Am Montag diskutiert der Kantonsrat die Anträge der ZKB vom Januar 2013. Für diejenigen, die keine Zeit haben, meine Studie ZKB wohin? zu lesen, hier nochmals eine Liste der gängigsten Irrtümer:

  • Mehr Kapital macht die ZKB sicherer. Falsch, weil die Bank jeden freien Kapitalfranken in Expansion, d.h. in neue Risiken ummünzt.
  • Kapital in der ZKB ist für den Kanton angesichts des AAA-Ratings der Bank kein Risiko. Falsch. Das Spitzen-Rating gehört dem Kanton; es färbt nur wegen der Staatsgarantie auf die Bank ab. Ohne Kanton läge das Rating mehrere Stufen darunter. Eine Kapitalspritze des Kantons für die ZKB würde das AAA-Kantonsrating sogar gefährden.
  • Eine Abschaffung oder Beschränkung der gesetzlichen Staatsgarantie würde die Risiken des Kantons verringern. Falsch. Der Kanton haftetunabhängig von der gesetzlichen Staatsgarantie auch faktisch für die Bank. Er kann sie nämlich nicht untergehen lassen (Paradebeispiel: Kanton VD 2010).
  • Eine Teilprivatisierung der ZKB-Risiken ist nicht möglich. Falsch. Zusätzliches Kapital aus dem privaten Sektor (PS, Wandelschulden) entlastet den Kanton, aber nur unter einer Bedingung (!), nämlich nur wenn es als Risikopolster über die gesetzlich geforderten Eigenmittel hinaus verwendet wird und nicht zur Expansion.
  • Die Kapitalbeschaffung durch Emission weiterer nachrangiger Schulden mit Forderungsverzicht ist zu teuer. Falsch. Die Rendite auf solchen Schulden („ZKB-CoCos“) entschädigt die Anleger nur für Risiken, die sonst der Kanton trägt.