EFTA gegen Island

Urs Birchler

Ein Kollege aus Island schickt mir soeben eine Nachricht, wonach die EFTA Surveillance Authority ihr Mitgliedland Island vor Gericht ziehen will. Island hat die britischen und niederländischen Gläubiger der konkursiten isländischen Banken noch nicht entschädigt. Die EFTA, einst stolze Konkurrenz zur EWG (der späteren EU), hat noch vier Mitglieder: Island, Norwegen, Liechtenstein und die Schweiz (die ersteren drei sind auch Teil des Europäischen Wirtschaftsraums EEA).

Von der EFTA hatte ich zur eigenen Schande seit langem nichts gehört. Und dann plötzlich die Nachricht, dass sie zugunsten zweier EU-Länder gegen ein eigenes Mitgliedland vorgehen will. Wäre ich bloss Jurist geworden!

International Private Banking Study 2011

Urs Birchler

Frisch ab Presse: Die 2011er-Ausgabe unserer alle zwei Jahre erscheinenden Studie zum Internationalen Vermögensverwaltungsgeschäft, diesmal verfasst vom Viererteam Urs Birchler, Christian Bührer, Daniel Ettlin und Fabian Forrer.

Wie hat sich der Markt entwickelt? Wie haben sich die Schweizer Banken geschlagen? Wie sieht die Zukunft aus?

Dazu alles (Studie und Medienmiteilungen) hier.

Occupy truth

Urs Birchler

Eine Kandidatin fürs Guiness Book of Records in der Kategorie „Höchster beanspruchter Hilfskredit pro Mitarbeiter“ ist die im Oktober 2009 verstaatlichte deutsche Hypo Real Estate. Gemäss der Auswertung der dem Fed abgerungenen Zahlen (siehe auch unseren kürzlichen Beitrag) durch Bloomberg bezog die Bank vom Fed in der Spitzenzeit — mucksmäuschenstill — 28.7 Mrd USD — zusätzlich zu Kreditgarantien der Bundesregierung von 142 Mrd Euro (206 Mrd USD). Die Fed-Hilfe belief sich damit auf 21 Mio USD pro Mitarbeiter.

Die Deutsche Bank stand beim Fed mit maximal 66 Mrd USD in der Kreide. Darüber verlor sie nie ein Wort, weder im November 2008 (Josef Ackermann: Deutschland könne stolz sein, eine Bank zu haben, die in diesen schwierigen Zeiten einen Gewinn erwirtschafte), noch als er am 22. Nov. 2011 vor der Occupy-Bewegung die gesellschaftliche Verantwortung der Banken betonte („Jeder Steuerzahler und Politiker sollte froh darüber sein, wenn Unternehmen ohne Staatshilfe auskommen“).

Bonds oder Brot?

Kjell Nyborg

Kunden der deutschen Bäckerei-Kette Wiener Feinbäcker Heberer haben jetzt die Wahl: Zusätzlich zum gewohnten Brotsortiment bietet der Bäcker auch Schuldverschreibungen an. Die Kette mit ihren 350 Niederlassungen sucht 12 Mio Euro für ihre weitere Expansion.

Der Kommentar der Financial Times vom 2. Dezember: „When a thriving business with profits growing at 30 per cent a year resorts to this kind of financing, it is a pretty sure sign that banks are not fulfilling their role.“

Haben die Banken ihr Verfalldatum überschritten? Oder die Brötchen?

Die Brötchen-Bonds (mit Rückzahlungsdatum am 31. Juli 2016) bieten einen jährlichen Zinssatz von 7 Prozent.

Durchleuchtete Bailouts

Urs Birchler

Hat die Federal Reserve, die amerikanische Notenbank, mit ihrer Liquiditätshilfe während der Finanzkrise den Geschäftsbanken 13 Mrd. USD „geschenkt“? Auf diesen Betrag beziffert Bloomberg den Zusatzertrag, den die Banken erzielten, indem sie beim Fed Hilfskredite zu günstigen Konditionen aufnahmen und dann zu besseren Konditionen anlegten.

Noch brisanter als diese Subvention scheinen die Beträge, mit denen das Fed den Banken zu Hilfe eilen musste. Öffentlich bekannt waren die Beträge des vom Kongress bewilligten TARP-Programms in der Grösse von rund 700 Mrd. USD. Dass die Fed-Liquiditätshilfe aber mit 7’700 Mrd. USD das Elffache des TARP betrug, wurde erst jetzt bekannt. Die Agentur Bloomberg hat, wie sie in einem Video darstellt, zwei Jahre lang gegen das Fed prozessiert und aufgrund der Freedom of Informations Act am Ende gewonnen. Deshalb musste das Fed nun ausweisen, welche Bank in der Finanzkrise wieviel Hilfskredite erhalten hat. Dabei kam zutage, dass zum Beispiel die Bank of America ihre ihre Position im November 2008 als stark darstellte (“one of the strongest and most stable major banks in the world”), obwohl sie gleichzeitig mit 84 Mrd. USD am Tropf des Fed hing.

Bloomberg hat die Schätzung der Subventionen durch die Hilfskredite in einer interaktiven Grafik zusammengestellt. Wer sorgfältig mit dem Mauszeiger über die Balken fährt, findet auch die Zahlen für die beiden Schweizer Grossbanken: Diese sollen auf den Fed-Hilfskrediten 284 Mio USD (CS), bzw. 154 Mio USD (UBS) verdient haben.

Geld und Schönheit

Urs Birchler

Der Batzen grüsst seinen goldenen Bruder den Florin (florint, forint; Gulden). In dessen Heimatstadt Florenz ist gegenwärtig die Ausstellung Denaro e Bellezza zu sehen (Money and Beauty; Bankers, Boticelli and the Bonfire of the Vanities). Die Ausstellung bezaubert nicht in erster Linie durch Grösse, sondern durch ihr Konzept: Sie zeigt am Beispiel der Zeit der Medici das Spannungsverhältnis zwischen Geld und Macht einerseits und geistigen Werten wie Kunst und Religion andererseits. Während drinnen der Bussprediger Savonarola den Bankiers die Leviten liest, harren draussen die Vertreter von „Occupy Firenze“ in ihren Zelten.

Besucher können im übrigen selber tausend Gulden investieren. Der Schreibende brachte es mit Investitionen in ihm kaum verständliche Finanzinstrumente auf eine Rendite von 11 Prozent (Rang 3 in der Familie), was gleichwohl zum Kauf des Katalogs mit Rabatt berechtigte. Wer nicht hinfährt, ist selber schuld.

Nachtrag: In der ersten Version von heute früh ist eine Panne beim Titel (sowohl dieses Artikels als auch beim Zitat der Austellung) passiert. Und ich war nur Dritter von vier! Morgenstund hat nicht immer Gold im Mund.

Ist Italien ein Risiko für die Schweizer Banken?

Urs Birchler

Mit der Zuspitzung der Italien-Krise steigt auch wieder das Interesse an den Ausständen der Schweizer Banken gegenüber Italien. Dazu gibt es zwei Statistiken, jene der BIZ und jene der SNB.

Journalisten nehmen gerne jene der BIZ, gehen dabei aber fehl. Die BIZ-Statisik behandelt nämlich Banken nach ihrem Domizil. Konkret: Hat die Filiale einer italienischen Bank in London Schulden gegenüber einer Schweizer Bank, so zählt dies die BIZ als Guthaben der Schweizer Bank gegenüber dem Vereinigten Königreich. Die BIZ ist allerdings nicht etwa blöd; ihre Statistik dient der Berechnung von internationalen Zahlungsbeziehungen, nicht der Messung von Bankrisiken.

Die Nationalbank hingegen verwendet in ihrer Jahresstatistik das Unternehmensprinzip. Die ausländische Filiale (z.B. CS London) gilt dabei als Teil der Unternehmung (CS), was sie risikomässig auch ist (anders als eine rechtlich selbständige Tochtergesellschaft). Nach dieser Statistik betrugen die Ausstände der Schweizer Banken gegenüber Italien (in Mrd. Fr.) per Ende 2010:

  • 7,7 insgesamt, davon 2,2 gegenüber Banken (bei jeweils ungefähr doppelt so hohen Verbindlichkeiten)
  • 0,29% der Bilanzsumme, bzw. 5,1% der eigenen Mittel.

Fazit 1: Die Schweizer Banken gehen wegen Italien allein nicht unter.

Fazit 2: Die richtige Statistik verwenden (wir haben schon früher darauf aufmerksam gemacht, aber nicht mit vollem Erfolg).

Schuss von der Kanzel

Urs Birchler

Das britische St. Paul’s Institute hat die Resultate einer Umfrage unter Bankern (der „City of London“) veröffentlicht. Der Bericht ist hier publiziert. Die Ergebnisse werden wie folgt kommentiert: Die Banker arbeiten in erster Linie fürs Geld. Sie kennen nicht einmal die letzten beiden Rezessionen oder wissen nicht recht, was der sogenannte „big bang“ bedeutete. Auch das Motto der Londoner Börse kennen sie kaum. Und so weiter. Verschiedene Kirchenvertreter machen sich dann über die Resultate, bzw. die Befragten her.

Es hat mich dann plötzlich wunder genommen, wie die Zahlen aussehen. Diese sind ebenfalls publiziert: hier. Und siehe da: Erstens ist alles halb so wild. Die erwähnten Rrezessionen und der Big Bang liegen 20-30 Jahre zurück. Bei der Hauptmotivation wird zwar Geld am häufigsten genannt, aber bei der zweitwichtigsten kommt dann bereits „Freude an der Arbeit“ an erster Stelle. Gleichwohl hat die Presse natürlich die Geldgier als Motiv aufgegriffen. Auf die Ideee, andere Berufsgruppen ebenfalls zu befragen, ist niemand gekommen. Aber vielleicht hätten diese auch nicht so ehrlich geantwortet wie die Banker. Dass es ferner auch möglich wäre, dass es Menschen gibt, denen halt Geld mehr bedeutet als anderes, und dass gottlob Unternehmen da sind, welche versuchen, der Geldgier ein — normalerweise — nützliches Betätigungsfeld zu bieten — das kommt niemandem in den Sinn, den selbsherrlichen Kirchenethikern noch zuletzt. Dass es ihnen nicht passt, dass nur wenige Banker mit Ja geantwortet haben auf die Frage: „The City of London needs to listen more to the guidance of the Church“, tut mir ja unendlich leid.

Leider muss ich an eine Sitzung rennen, deshalb muss ich den weiteren Vergleich zwischen den Zahlenund dem Kirchenkommentarden Lesern überlassen. Aber eines sei gesagt: Bevor die Kanzelherren einen Ethikkurs geben wollen, sollen sie zuerst einmal einen Statistikkurs besuchen.

http://www.stpaulsinstitute.org.uk/assets/docs/value%20and%20values%20-%20perceptions%20of%20ethics%20in%20the%20city%20today.pdf

Teure Tricks

Urs Birchler

Das am Euro-Gipfel geschnürte Massnahmenpaket ist ein Zauberkasten mit tollen Tricks.

Trick 1 ist die Hebelung des Stabilitätsfonds. Darüber muss ich nichts schreiben; der brilliante Artikel von Manuel Ammann in der jüngsten Ausgabe der Sonntagszeitungsagt alles. Für Eilige: Die Hebelung bewirkt, dass der EFSF statt dem durchschnittlichen Risiko aufeinem Kredit von 100 Euro die ersten (d.h. die wahrscheinlichsten) zehn Prozent Verlust auf 1000 Euro kauft. Der EFSF wird damit zu einem Kreditversicherer (der schlechtesten Risiken).

Trick 2 ist der Schuldendeal mit Griechenland. Griechenland erklärt nicht etwa seine Zahlungsunfähigkeit. Die Gläubiger verzichten „freiwillig“. Analogie: Der Gast im Restaurant hat zwei Tassen Kaffe getrunken, hat aber nur Geld für eine. Um dem Gast die Schmach zu ersparen, verrechnet der Kellner nur einen Kaffee. Weshalb diese Höflichkeit seitens der Gläubiger Griechenlands? Ein offizieller „default“ durch Griechenland hätte sämtliche Kreditversicherungen für griechische Anleihen ausgelöst. Solche Versicherungen werden meist in Form sogenannter „credit default swaps“ abgeschlossen (lesenswert dazu der Wikipedia-Artikel). Ein CDS ist im Prinzip einfach: A zahlt B eine Prämie, B zahlt A einen vereinbarten Betrag, wenn z.B. Griechenland nicht zahlt. Betrogen sind durch den „freiwilligen“ Verzicht der griechischen Gläubiger also alle, die sich gegen einen griechischen Default gewappnet und (zunehmend teure) CDS gekauft haben. Beglückt werden die Verkäufer dieser Versicherungen sein. Sie sind offenbar Too-big-to-fail oder Too-beautiful-to-suffer.

Trick 1, die Kreditversicherung auf dem gehebelten Betrag, enspricht im Grunde einem geschriebenen (leer verkauften) CDS. Sonst liebt die EU diese „naked CDS“ nicht. Vor gut einer Woche beschloss sie ein Verbot solcher Transaktionen. Mit Trick 2 wird sie diesen Markt nun wohl ohnehin trockenlegen (siehe dazu die gestrige Financial Times): Wer soll eine Versicherung kaufen, wenn das Auto nie in den Baum fährt, sondern immer der Baum ins Auto? Das scheint aber gerade der Zweck: Die (hohen) CDS-Prämien sind der böse Bote, der der ganzen Welt die Schuldenprobleme der EU-Staaten verkündet hat. Nicht überlegt hat sich die EU: Wer kauft ein Auto, wenn niemand eine Versicherung anbietet? Das heisst: Wer gibt den gefährdeten Staaten Kredit, wenn keine Absicherunginstrumente erhältlich sind? Und wie soll jemand, der an Italien glaubt, seine Meinung im Markt einbringen können, wenn das notwendige Instrument (ein naked CDS) verboten oder unmöglich gemacht wird? Die Zeche für den Trick werden die Schuldnerstaaten bezahlen.

Fazit: Probleme werden mit Konzepten gelöst, nicht mit Tricks.