Wer sich für die Zukunft der Alterssicherung interessiert:
Am Donnerstag und Freitag (10. und 11. Juni) findet in Zürich eine internationale Konferenz rund ums Thema Alterssicherung statt. Informationen finden Sie hier und hier.

Die neue Sprachregelung der Stadt Bern hat zwar nur indirekt mit Wirtschaftspolitik zu tun (immerhin scheint es mir doch eine ziemlich unproduktive Verschwendung von Steuergeldern), ich kann mir den Kommentar dennoch nicht verkneifen. Unter dem Titel der Gleichstellung plagen wir Sprache und Ausdrucksfähigkeit. An der Hochschule gibt es keine Studenten und Studentinnen mehr sondern Studierende, die Professorin wird zur Lehrenden (oder später zu Hause zur Erziehungsberechtigten), der Übungsleiter zum Übungsleitenden. Konsequenterweise müssten auch die Fussgänger zu Zufussgehenden umbenannt werden. Und da das ganze dann doch etwas kompliziert wird, können wir sie dann immer noch Zufuges nennen (wie Azubis = Auszubildende). Wenigstens ist das Zebra sprachlich ein Neutrum.
Als Ergänzung zu Christian Thöni’s wissenschaftlicher Forschung zur Rolle des Vertrauens bei ökonomischen Transaktionen sozusagen:
Ein ziemlich unerwartetes Ausmass an Vertrauen bringt uns ein japanisches Taxiunternehmen entgegen. Für den gemieteten Minibus mit Fahrer, den wir wohl fast den ganzen Tag beanspruchen werden, mussten wir weder eine Anzahlung leisten noch eine Kreditkartennummer bekanntgeben. Von mir kennt die Firma lediglich die email Adresse und die Flugnummer. Und dies in Narita, einem der grössten Flughäfen in einer der grössten Städte der Welt.
Shinrai = Vertrauen
Die Fondation Latsis Internationale, Genf, hat Dr. Christian Thöni „für seine Forschungstätigkeit und seine Fachpublikationen“ den diesjährigen Latsis-Preis verliehen. Christian Thöni ist Assistenzprofessor an der Universität St. Gallen (HSG).
Christian’s Forschungsschwerpunkt ist die empirische Erforschung sozialer Präferenzen in sozialen Dilemma-Situationen sowie im Marktgeschehen mit Hilfe von Labor- und Feldexperimenten. Des weiteren beschäftigt sich der Latsis-Preisträger 2010 mit der experimentellen Validierung von Befragungen, welche das Vertrauen, die Fairness und Hilfsbereitschaft der Mitmenschen untersuchen. Ein dritter Teil seiner Forschungsarbeiten betrachtet das Wahlverhalten im Wettbewerbsumfeld und unter unsicheren Bedingungen.
Die offizielle Preisübergabe (25’000 Franken) und Zeremonie findet am 30. September in Genf statt.
Wir gratulieren!
Am diesjährigen Dies Academicus hat die Universität St. Gallen die Ehrendoktorwürde an Prof. Lans Bovenberg (Tilburg University, Niederland) verliehen. Und dies nicht weil auch die HSG „bovenberg“ ist – auf dem Berg oben. Nein, Lans Bovenberg ist einer der weltweit führenden Forscher im Bereich der Public Economics.
Lans Bovenberg hat vor allem zu zwei Gebieten wesentliche Beiträge geleistet hat: zur Finanzwissenschaft und zur Umweltökonomik. Seit Ende der neunziger Jahre hat er sich verstärkt Problemen der Sozialversicherung sowie insbesondere der Altersvorsorge zugewandt. Im Jahre 2003 erhielt Lans Bovenberg den mit 2.5 Millionen dotierten Spinoza-Preis, den angesehensten niederländische Wissenschaftspreis. Mit diesem Betrag finanzierte sich Lans Bovenberg nicht etwa eine Weltreise, sondern gründete Netspar, ein unabhängiges Netzwerk für Forschung, Ausbildung und Wissenstransfer im Bereich von „Pensions, Aging and Retirement“. Von diesem profitiert auch die HSG. So erlaubt uns Netspar, am 10. und 11. Juni eine internationale Konferenz zu Fragen der Alterssicherung in Zürich zu organisieren (mehr dazu später im batz).
Lans Bovenberg ist kein weltfremder Forscher, im Gegenteil. Er wirkt in ausserordentlicher Weise in die Öffentlichkeit hinein und hilft dabei, ökonomische Erkenntnisse in die wirtschaftspolitische Praxis umzusetzen. Diese Verbindung von hochstehender Wissenschaft und praktischer Relevanz der ökonomischen Forschung ist vorbildlich. Wir freuen uns daher sehr über diese hochverdiente Ehrendoktorwürde.
Hartelijke gelukwensen, Lans!
Lesen Sie hier die vollständige Würdigung von Lans Bovenberg.
Weshalb ein Bailout-Verbot nicht nur nutzlos sondern gefährlich ist: Mein Beitrag in der NZZaS.
Fortsetzung folgt (fast sicher).
Irland erlebte in den letzten zwei Jahrzehnten einen rasanten Aufstieg zum Wachstumssuperstar. In den Jahren 1990-2007 schaffte der Keltische Tiger eine Verdoppelung der Beschäftigung und eine Vervierfachung des realen BIP. So schien es, dass Irland gemessen an der Kaufkraft auch die Schweiz wirtschaftlich überholt hatte (siehe Batzeintrag vom 19. Januar 2010). Schon damals bestanden Zweifel, ob dies auch tatsächlich der Realität entsprechen würde. So überstieg das Schweizerische Bruttosozialprodukt (BSP) – ein besseres Mass für die Einnahmen der in der Schweiz lebenden Personen – die Einnahmen aus der Inlandproduktion wegen ansehnlicher Faktoreinnahmen aus dem Ausland in den Jahren 1990-2008 um durchschnittlich 4%, bei Irland war es genau umgekehrt.
Das irische Wachstumswunder gehört der Vergangenheit an; das Bruttosozialprodukt Irlands sank bis Ende 2009 real um ganze 17%. Dies war der tiefste und schnellste Einbruch einer westlichen Volkswirtschaft in den letzten Jahrzehnten. Und auch für 2010 bleiben die Aussichten düster. Kein Wunder fragen sich viele: „Whatever Happened to Ireland?“
Zwei neue Arbeiten zeigen nun auf, dass das Wachstum in Irland seit 2000 nicht mehr auf eine Zunahme der Wettbewerbsfähigkeit und der Produktivität zurückzuführen war, sondern zumindest teilweise auf spekulative Blasen im Finanz- und Immobiliensektor .
Gemäss Gregory Connor, Thomas Flavin und Brian O’Kelly war das irische Kreditumfeld dermassen prekär, dass die irische Kreditkrise wahrscheinlich auch ohne die weltweite Finanzkrise eingetreten wäre. Als die drei wichtigsten Gründe erwähnen die Autoren eine riesige Nettokreditaufnahme des irischen Bankensektors auf ausländischen Märkten, astronomisch überhöhte Preise (stratospherically overpriced) auf den Immobilienmärkten und eine äusserst lockere Kreditvergabe durch die Banken für spekulative Immobiliengeschäfte. Erst an vierter Stelle sehen Connor, Flavin und O’Kelly die Folgewirkungen der US-Kreditkrise und der darauffolgenden Liquiditätsengpässe im Interbankgeschäft.
Morgan Kelly kommt in seinem Beitrag zu ähnlichen Schlüssen. Das Kreditvolumen der Banken stieg von 60 Prozent des BSP im Jahre 1997 auf 200 Prozent im Jahre 2008. Dadurch wurde eine Immobilienpreisblase und ein Bauboom ausgelöst. Ganze 20 Prozent des BSP kamen kurz vor der Krise vom Bau (Vergleich: In der Schweiz sind dies rund 5 Prozent). Der Bauboom erhöhte die Beschäftigung, führte zu einem starken Anstieg der Löhne und generierte dadurch höhere Steuereinnahmen, die wiederum zu mehr Staatsausgaben führten. Der Zusammenbruch der Kreditblase bescherte Irland eine hohe Arbeitslosigkeit, nicht wettbewerbsfähige Löhne, ein riesiges Defizit und die insolvente Banken. Die irische Regierung hat bereits rund die Hälfte eines jährlichen Volkseinkommens für die Deckung von Verlusten der Banken im Immobilienmarkt zugesagt. Dies dürfte bei weitem nicht ausreichen.
Kelly schliesst mit folgender Bemerkung: „From export driven growth in the 1990s, the Irish economy segued imperceptibly into a credit fuelled construction bubble where competitiveness no longer appeared to matter and it seemed to Irish people that they could become rich by selling houses to each other.“
Ähnlichkeiten mit anderen PIGS Ländern sind nicht rein zufällig…
In der Diskussion um den schwachen Euro geht schnell vergessen, dass die Welt nicht nur aus der EU und der Schweiz besteht. So hat der CHF gegenüber dem US $ und dem Japanischen Yen in den letzten 6 Monaten deutlich an Wert eingebüsst, wie die Graphiken zeigen. Das erklärt wohl auch, dass die Klagen der Exportindustrie trotz der massiven Abwertung des Euro weitgehend ausbleiben.
Vielleicht sollten wir unsere Sommerferien doch lieber in Spanien statt in Japan verbringen.
Das riesige Hilfspaket für den Euro hat unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Für die einen ist das Paket selber eine Gefahr für die Stabilität Europas (Moral-Hazard guys wie mein St. Galler Kollege Simon Evenett kürzlich meinte). Siehe dazu den Batz Eintrag von Urs Birchler oder das Tagi Interview mit Peter Kugler. Für andere ist es nur eine notwendiges Übel, um eine an sich sinnvolle Institution vor Spekulanten zu bewahren.
Die unterschiedlichen Einschätzungen zeugen auch davon, wie wenig wir eigentlich wissen. Wissen können. Es gibt kein zweites Europa, wo die Situation ohne Euro hätte ausprobiert werden können. Oder ein drittes Europa mit Euro, welches Griechenland direkt in den Staatbankrott hätte laufen lassen – als Kontrollexperiment sozusagen. Ob es den Ländern (inklusive der Schweiz) ohne Euro heute besser oder schlechter ginge, wissen wir somit nicht. Welche der Standpunkte in der aktuellen Krise letztlich besser ist auch nicht. Eines scheint mir hingegen klar. Die No-Bail-Out Klausel ist tot. Sie war es wohl schon immer. Verträge, die darauf basieren, dass per Gesetz oder Ankündigung nicht geholfen werden darf, funktionieren nie, weder für Staaten noch für Finanzinstitutionen. Auch wenn dies Befürworter von No-Bail-Out Klauseln in der Diskussion um das Too Big To Fail nicht wahrhaben wollen.
Gestern abend im Hotel wieder einmal ferngesehen. Als Werbung für eine Sendung von nächster Woche wurde eine interessante Studie erwähnt. Auf der Basis von 200 (!) Versuchspersonen sei festgestellt worden, dass ein Fernsehkonsum von mehr als 30 Minuten im Tag zu einer Reduktion der Gedächtnisleistung führen würde. Wirklich? Könnte es nicht genau umgekehrt sein? Personen mit einer eingeschränkten Gedächtnisleistung haben eine höhere Präferenz für das Medium Fernsehen als andere. Das mag wie eine Spitzfindigkeit klingen. Für allfällig zu treffende Massnahmen ist die Richtung der Ursachen-Wirkungskette aber entscheidend. Im ersten Fall – hoher Fernsehkonsum führt zu eingeschränkter Gedächtnisleistung – wären Anreize zur Reduktion des Fernsehkonsums angezeigt. Im zweiten Fall – wer Mühe hat mit dem Gedächtnis schaut eher fern – würde man mit den gleichen Massnahmen ohnehin schon benachteiligte Personen bestrafen.
Mehr wundern würde mich ohnehin die Unterschiede in der Wirkung aufs Gedächtnis zwischen Fernseh- und Internetkonsum. Die Verschiebung vom Fernseher zum Internet hat ja die Sicht auf die Welt stark verändert. Unsere ehemalige Putzfrau, Signora S., eine ältere Süditalienerin, traute ihren Augen nicht, dass man den Papst per Mausklick nicht nur auf den Bildschirm, sondern sogar zum Sprechen bringen konnte. Und unsere Kinder können es nicht fassen, dass dasselbe auf dem Fernseher nicht funktioniert (Pabst durch Michael Jackson ersetzen).
Was wollte ich eben sagen? Ah, weiterer Beitrag zur Eurokrise folgt in Kürze.