Was versichert eine Sozialversicherung?

George Sheldon plädiert in der NZZ vom 9. September für eine risikogerechte Prämie in der Arbeitslosenversicherung. Sein Argument ist, dass nicht nach Risiko abgestufte Prämien die Entscheidungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer verzerrten. In riskanteren Berufen (wie beispielsweise im Gastgewerbe) würden daher Leute zu schnell entlassen, da die Kosten der Allgemeinheit aufgebürdet werden könnten. So weit so gut. Die vorgeschlagene Lösung – risikogerechte Prämien, nach Berufsgruppen abgestuft – hat allerdings ihre Tücken.

 So gibt es erstens beträchtliche Unterschiede in den Arbeitslosenquoten innerhalb einer Branche. Die Umverteilung passiert dann von den “Guten” innerhalb einer Branche zu den “Schlechten”. Wenn schon risikogerechte Prämien müsste, wie dies in der Risikoversicherung des BVG bereits passiert, nach Betrieb, respektive Kasse, unterschieden werden.

 Zweitens sind die höheren Risiken vor allem bei den wenig Verdienenden zu finden. Eine Abstufung der Prämien nach Berufsgruppe scheint mit aus sozialen, und politischen Gründen wenig opportun. Es gibt auch Sozialversicherungen, bei denen die Umverteilung zu den besser Verdienenden geht, wie ich in meiner NZZ Kolumne vom 24. Januar geschrieben habe. Ich kann mir schlecht vorstellen, dass der Vorschlag eine politische Mehrheit findet. “Weniger Prämien für Beamte und Banker” wäre doch eine wunderbare Schlagzeile. Beim Volk dürfte das Begehren wenig Begeisterung auslösen (bei mir auch nicht).

 Das bringt mich zum dritten und eigentlich wichtigsten Punkt: Die Frage ist, was eine Sozialversicherung überhaupt versichern soll. Ist es lediglich die Absicherung der Existenz gegen die finanziellen Folgen von Krankheit, Erwerbslosigkeit und Alter? Oder gehörte nicht noch dazu, dass eine Sozialversicherung auch gegen das Risiko, ein schlechtes Risiko zu sein, versichern soll? Wer noch nicht weiss, ob er/sie zu den schlechten oder guten Risiken gehört, würde sich – unter dem Schleier der Unwissenheit – für eine Versicherung ohne Abstufung nach Risiko entscheiden.

„Weil noch das Lämpchen glüht“

So sangen wir in der Primarschule, um uns des Lebens zu freuen. Ab heute, 1. September 2010, darf das Lämpchen in Form der guten alte Glühlampe nicht mehr mit gutem Gewissen glühen. Alle Rettungsversuche sind gescheitert. Lampen- und Lichtdesigner haben für die Glühbirne gefochten. Techniker haben darauf hingewiesen, dass die ökologischen Vorteile geringer sind, als die Behörden behaupten. Wer sparsam heizt, weiss, dass die angeblich so
verschwenderische Glühbirne einen gar nicht so schlechen Wirkungsgrad hat: Schätzungsweise zwei Drittel ihrer Leistung erbringt sie in den dunklen und kalten Wintermonaten, wo die verpönte Abwärme höchst willkommen ist. Zu guter letzt haben Ökonomen neulich im Economist dargelegt, dass bisher noch jeder Fortschritt der Lichterzeugung die Nachfrage nach Licht und den Energieverbrauch letztlich erhöht hat.

Doch alle Argumente waren für die Katz (die sieht auch im Dunkeln). Die Glühbirne wird sich zwar ersetzen lassen: Ein Schaden allerdings bleibt. Dem staunenden Publikum wurde einmal mehr vorexerziert, wie die Behörden mit Null-Toleranz gegen ein Scheinproblem vorzugehen wissen, wenn die Lösung (a) Gewinne für eine gut organisierte Partei (die Lampenhersteller) und (b) Kosten für eine schlecht organisierte Parte (die Haushalte) bringt.

Darunter leidet die Glaubwürdigkeit, zumal es zum Beispiel in der Schweiz nicht gelingt, die CO2-Produktion im Strassenverkehr zu besteuern (gut organisierte Gegnerschaft). Der Umwelt ist damit ein schlechter Dienst getan. Klimaschutz ist ein öffentliches Gut und wird als solches vom Markt in sub-optimaler Menge und/oder Qualität produziert. Das sehen wir als Ökonomen ein. Staatliche (und internationale) Eingriffe haben durchaus Sinn. Nicht aber bürokratische Schikanen wie die Ausrottung der Glühbirne. Es wäre wichtig, die durchaus vorhandene Bereitschaft zum Klimaschutz dort einzufordern, wo dieser etwas bringt, statt sie zu mit Alibi-Schikanen zu unterlaufen.

Die Aus für die Glühbirne ist ein Sieg von Bürokratie und Interessengruppen über Freiheit und gesunden Menschenverstand. Früher musste noch das Arbeitsplatzargument herhalten (man lese: Fréderic Bastiat: „Petition der Kerzenzieher gegen die unfaire Konkurrenz der Sonne“ von 1845 (deutsch oder im Original französisch). Heute sticht der Joker „Klima“. Die globale Erwärmung ist allein schon schlimm genug. Doch zusätzlich beschleunigt sie auch die globale Bürokratisierung.

„Dänk für en Porno us em Internet“

In der aktuellen Kolumne in der NZZaS plädiere ich für einen pragmatischeren Umgang mit neuen Entwicklungen in der Schule und für eine freiere Gestaltung des Unterrichts durch Lehrpersonen. Es braucht keine Kurse für Medien- und Sozialkompetenz und Glück. Die Vermittlung dieser Fähigkeiten sollte (automatisch) integraler Bestandteil der Kernfächer sein. Angewandtes Wissen darf nicht zu kurz kommen.

Batz macht keine Ferien

In den kommenden vier Wochen werden wir versuchen, nicht an Wirtschaft und Politik zu denken. An unserer Stelle batzen in dieser Zeit Inke Nyborg und Lukas Schwank. Inke und Lukas haben schon bisher aus dem Hintergrund mit Ideen und Betreuung von Beiträgen tatkräftig mitgewirkt. Jetzt übernehmen sie bis im August das Kommando. Wir wünschen den beiden und unseren Lesern viel Spass!

Eine Lanze für den Frontalunterricht

„Man kann niemanden etwas lehren, man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu finden“, meinte Galileo Galilei vor langer Zeit.

Interessanterweise scheint aber der altmodische Frontalunterricht nicht minder geeignet zu sein als die modernen Unterrichtsmethoden, den Schülern beim Auffinden der Erkenntnisse zu helfen. Eine sorgfältig gemachte Studie zeigt sogar das Gegenteil: „Results indicate that traditional lecture style teaching is associated with significantly higher student achievement.“

(Herzlichen Dank an Jörg Baumberger für den Tipp)

Eine FIFA für die Notenbanken

FIFA droht Frankreich mit Sanktionen: Die Politik (angeführt von Präsident Nicolas Sarcozy) habe sich in Fussball-interne Fragen eingemischt. Die Unabhängigkeit der Fussballverbände wird bei der FIFA offenbar gross geschrieben. Fussball ist eben wichtig.

Vielleicht bräuchten auch die Notenbanken eine FIFA. Die Notenbanken stehen in der Krise unter ganz besonderem Druck der Politik. Die Europäische Zentralbank hat politischen Wünschen zur Abwehr der „Spekulation“ gegen einzelne Mitgliedländer der Währungsunion stattgegeben — gegen den Geist von Währungsvertrag und Stabilitätspakt. Aber kein Sepp Blatter hat sie zurückgepfiffen.

Viel Negatives wurde über die FIFA in letzter Zeit geschrieben. Aber eins muss man ihr lassen. Im entscheidenden Moment weiss sie, was wichtig ist: Dass der Ball rollt — ohne Ablenkung durch den unsichtbaren Fuss (oder gar die Hand) der Politik.

Konkurrenz

Mit der iconomix-Internetplattform will die Schweizerische Nationalbank SNB einen Beitrag zur Verbesserung der ökonomischen Grundbildung in der Bevölkerung leisten. Der zugehörige Blog liefert regelmässig Ideen für einen aktualitätsbezogenen Unterricht. Er enthält aus ökonomischem Blickwinkel aufbereitete kurze Hinweise und Denkanstösse zum aktuellen Geschehen aus Wirtschaft und Gesellschaft. Lehrpersonen erhalten dort interessante Informationsquellen und Materialien.

1 – 0 für die Schweiz

Mit einem verständlicherweise bitteren Unterton berichtet die spanische Presse, dass der Torschütze des Schweizer Treffers auf den Kapverden geboren sei. Und überhaupt, die Schweiz habe den Erfolg ohnehin nur den adoptierten Ausländern zur verdanken. Doch wer glaubt, der Erfolg der jungen Immigranten beschränke sich auf den Sport liegt ziemlich daneben.

Laut OECD-Statistiken erreichen die Secondos bei den 20-29-Jährigen einen etwa gleich hohen Beschäftigungsgrad wie ihre Schweizer Kollegen. Berücksichtigt man Unterschiede in der Ausbildung, so arbeiten junge Frauen aus der zweiten Einwanderer-Generation sogar mehr als Schweizerinnen.

 Interessant an der OECD-Studie sind vor allem die grossen Unterschiede zwischen den Ländern. Nur noch Kanada schneidet in der Integration von Immigranten in den Arbeitsmarkt besser ab als die Schweiz. In Kanada arbeiten die Ausländerinnen der zweiten Generation in der Altersgruppe der 20-29 jährigen sage und schreibe 10% mehr als die Einheimischen. Der Erfolg der Schweiz auch in der Integration ist mindestens so erstaunlich wie der im Fussball: Kanada und die USA  lesen ihre Einwanderer viel strenger aus als die Schweiz. In Deutschland und Frankreich arbeiten Secondos 15-20% weniger als die Einheimischen. Das gleiche Bild in den Skandinavischen Staaten, die so oft als Musterländer hinhalten müssen. Die Unterschiede in der Ausbildung zwischen Einheimischen und Secondos erklärt nicht einmal die Hälfte der Differenz.

 Weiter so – in Sport und Integration – Hopp Schwiiz!