Bahnromantik

Urs Birchler

ICE Zürich-Hamburg. Ich zeige dem SBB-Zugbegleiters brav mein Billet und offeriere gleichzeitig einen Vorschlag, wie die Bahn ihre Kunden noch glücklicher machen könnte: Ich rege an, im Reservationssystem anstatt Ruhewagen, Handy-Empfang, Fensterplatz etc., auch die Rubrik „WLAN“ anzubieten (meine Spekulation, dies sei bei „Handy-Empfang“ mitgemeint hatte sich sich als um vier Waggons daneben erwiesen). Die Antwort des Zugbegleiters war barsch und klar: „Für sönigs hani kä Ziit. Da chönzi da ane schriibe!“ und trumpft mir eine Visitenkarte mit gebührenfreier SBB-Nummer auf den Tisch und stapft beleidigt davon. Ich schwöre, ich habe höchst freundlich gefragt. Mein verdutzter deutscher Mitpassagier im Abteil nebenan wäre Zeuge.

Ich berichte dies hier nicht in der naiven Hoffnung, der SBB Kundendienst werde meinen Eintrag lesen und das Reservationsprogramm umschreiben. Nein, ich schreibe das Erlebnis auf als Beleg. Wer würde mir die Geschichte dereinst noch glauben, wenn man in vielleicht nicht allzu ferner Zukunft dank Zusammenarbeit von SBB und Facebook bei der Sitzreservation auch gleich noch einen Sitznachbarn aus einem der 58 Geschlechter auswählen konnte.

Auch jenseits der Grenze waren wir im übrigen noch nicht im Serviceparadies. Mein Mitpassagier hätte gerne was von der Speisekarte „Sie wählen. Wir servieren.“ bestellt. Der (mittlerweile deutsche) Schaffner bedauert: „Da hab‘ ich leider keine Zeit. Wenn Sie ’ne halbe Stunde warten können… Oder holen Sie’s selber. Vier Waggons weiter vorn.“ Das tut der Nachbar denn auch und wen findet er an der Bar: den Schaffner im trauten Gespräch mit den Damen von der Bedienung.

So leiden wir wenigstens gemeinsam. Und das Schöne: Wahrscheinlich hätte keiner den andern bei der Reservation als Sitznachbarn angeklickt.

One thought on “Bahnromantik

  1. Wohl ein bisschen naiv ist sie schon, die Idee, man könnte einem Schaffner Verbesserungsvorschläge austauschen. Was soll der machen damit? Hat er am Freitag einen halben Tag Zeit, im Büro die 100 Kundenwünsche der letzten 4 Tage per Mail an die Abteilung XYZ der SBB zu schicken? Hat er jeden Tag ein Debriefing, wo er die spannendsten Kunden-Gespräche mit seinen Vorgesetzten diskutieren kann, und diese rennen dann zur Abteiung XYZ damit? Wohl kaum…

    Alles, was sie von ihm erwarten könnten, wäre ein nettes, zustimmendes Lächeln (rechts rein links raus). So, wie die Schaffner jeweils bei meinen Verbesserungsideen reagieren… 😉

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