Hängt die Totengräber!

Urs Birchler

Die heutige Weltwoche bezeichnet Aymo Brunetti, den Vorsitzender der Arbeitsgruppe „Finanzplatzstrategie“ als Totengräber des Bankgeheimnisses. Die Weltwoche hat Recht: Die Arbeitsgruppe Brunetti (der ich selber angehöre) hat Vorschläge erarbeitet, die dem (Steuerhinterziehungs-)Bankgeheimnis für ausländisches Geld ein anständiges Begräbnis ermöglichen. Umgebracht allerdings haben es andere. Dem Bestattungsinstitut nun einen Mordprozess anhängen zu wollen, träfe daher die Falschen.

Die wahren Verdächtigen sind zahlreich. Zu ihnen gehören (nach gut-schweizerischem Brauch beim Ausland beginnend):

  • jene mutigen Bürger der DDR, die den kalten Krieg beendeten, wodurch die Schweiz aus ihrer Nische zwischen den Blöcken vertrieben wurde,
  • jene Partnerländer, denen die Finanzen entglitten sind und die vor Beschaffungsdelikten immer weniger zurückschrecken,
  • jene helvetischen Politiker, die nicht gemerkt haben, das die Schweiz langfristig nur existiert, wenn sie von den anderen Staaten netto als nützlich angesehen wird,
  • jene Banken, die zu spät gemerkt haben, dass das Bankgeheimnis — ursprünglich ein achtbares finanzielles Asyl — über die Jahrzehnte hinweg zum Geschäftsmodell Steuerhehlerei verkommen ist und dass der Finanzplatz Schweiz als Schmuddelecke keine Zukunft hat (Romney-Effekt, siehe unten).
  • jene Sonntagskolumnisten, die den Schutz des Bürgers vor dem Staat (der jedem freiheitlich Denkenden am Herzen liegen muss) verwechselt haben mit Schutz des Steuerdelinquenten vor seinen ehrlichen Mitbürgern (der uns etwas zu sehr am Portemonnaie lag),
  • wir alle, die gemeint haben, unsere schweizerische Rechtsauffassung (Steuerhinterziehung verdient Geheimnisschutz) de facto anderen Ländern auferlegen zu können — genau das, was uns an den USA so nervt.

Die Weltwoche hätte den Bericht Brunetti auch loben können. Erstens tastet er das inländische „Bankgeheimnis“ (genauer: die Grenzziehung zwischen Steuerhinerziehung und Betrug) nicht an. Zweitens soll sich die Schweiz international für einen Standard einsetzen, bei dem nicht unnötig Daten an andere Verwaltungsstellen oder an die Öffentlichkeit fliessen. Drittens und hauptsächlich: Etwas bessseres als die Strategie-Vorschläge der AG Brunetti ist offenkundig auch der Weltwoche nicht eingefallen. Aber eben: die stillschweigenden Komplimente sind meist die schönsten.
romney

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