Kürzlich im Zug nach Bern. Ins Abteil nebenan setzt sich ein FDP-Parlamentarier, den ich von früher kenne. Er ist bereits am Arbeiten, derweil ich noch verzweifelt versuche, die Knöpfe an meinen Hemdsärmeln zu schliessen. „Weisst Du“, störe ich ihn, „mein Vater kam morgens in die Küche und streckte die Arme gradaus. Mutter wusste, was zu tun war. Heute arbeiten unsere Frauen; meine war heute morgen schon weg, als ich überhaupt erst in die Küche kam.“ „Ja, ja,“ meinte der Volksvertreter, „die Leistungsbereitschaft hat abgenommen, aber das Anspruchsniveau ist geblieben“. Baff ab soviel Prägnanz am frühen Morgen, schaue ich ihn nur dumm an. Warum lacht er jetzt so verschmitzt? Jetzt seh‘ ich’s auch: Er trägt ein Kurzarmhemd.
Archiv für den Monat: Mai 2011
Wie sieht ein ideales Steuersystem aus?
Am 27. Mai findet in Zürich eine öffentliche Podiumsdiskussion zum Thema „Ideales Steuersystem“ statt: Ökonomen diskutieren die Vorschläge des Mirrlees-Berichts für ein kohärentes Steuer- und Transfersystem (im Rahmen der CEPR-Konferenz der Finanzwissenschaft). Sie sind herzlich eingeladen.
Anlässlich dieser Konferenz hat mein Kollege Prof. Christian Keuschnigg auf dem Blog Ökonomenstimme einen Artikel über die ideale Mehrwertsteuer und einen über Kapitaleinkommenssteuern nach dem Mirrlees-Bericht geschrieben. Wir zeigen in einem weiteren Beitrag auf, welche Schlussfolgerungen aus dem Mirrlees-Bericht für das Steuer-und Transfersystem in der Schweiz gezogen werden können.
Lämpä wägem Schwiizertüütsch im Chindergarte
Die Zürcher und Basler Stimmbürger wollen der Mundart im Kindergarten wieder mehr Platz einräumen. Andere Kantone werden wohl folgen. Doch eigentlich ziehlt die Diskussion am wirklichen Problem vorbei. Die Ausbildung für den Lehrerberuf wird immer stärker akademisiert. Gleichzeitig wird den Lehrerinnen und Lehrer wird immer mehr vorgeschrieben, was sie zu tun haben. Und niemand evaluiert, ob diese Vorschriften auch wirklich den erhofften Erfolg bringen. Lesen Sie dazu meine Kolumne in der NZZ am Sonntag „Weshalb wir die Mundartdebatte ernst nehmen sollten – Schulversuche ohne Evaluation frustrierter Lehrer und Eltern“:
„Hochdeutsch im Kindergarten?! Unsere Sprache ist doch Schweizerdeutsch!?“, so ereiferte sich meine seit Jahren in den USA lebende Schweizer Kollegin Anna bei einem Besuch in ihrer Heimat. Die Mehrheit der Stimmbürger in Basel und Zürich denkt offenbar genauso. Das Thema Sprache weckt Emotionen: Die „Zuhausegebliebenen“ erleben die Diskussion in Verbindung mit dem Thema Zuwanderung; „Ausgewanderte“ spüren den möglichen Verlust der sprachlichen Identität. Lesen Sie bitte hier weiter
CoCos gegen Grounding
Im Interview mit Schweizer Bank habe den Satz von mir gegeben: «CoCos verhindern ein Grounding: Wenn die Swissair CoCos ausstehend gehabt hätte, würde sie heute noch fliegen.» CoCos sind bisher im Gespräch für Banken. Weil Banken nach einem Grounding in der Regel tot sind, können in Aktien wandelbare Schulden lebensrettend sein. Dies gilt aber auch für andere Unternehmen, die bei vorübergehendem Betriebsunterbruch massiv an Wert verlieren. Drum müsste es eigentlich erstaunen, dass kaum Unternehmen von solchen Instrumenten Gebrauch machen.
Griechisches Vexierbild
Normalerweise prüfe ich Quittungen in Restaurants kaum. Schon gar nicht, wenn es um bloss einen Kaffee geht. Doch letzte Woche fand ich auf der Quittung der Hafenbar von Hydra etwas Sonderbares. Sehen Sie’s auch?
Richtig: Der Preis ist auch in Drachmen angegeben (Umrechnungskurs 340.75 Drachmen pro Euro), obwohl doch auch in Griechenland seit zehn Jahren unwiderruflich nur der Euro gilt. Sollen wir jetzt den Politikern glauben, die einen Austritt Griechenlands aus dem Euro-Verbund für unmöglich halten, oder der leisen Botschaft auf der Quittung? Jedenfalls, meint der Kellner, ist mit dem Euro nur alles schlechter geworden. Die saugen uns doch aus!
Kellner haben vielleicht nicht immer recht, aber noch schwerer zu verstehen sind die Devisenmärkte. Wenn Griechenland „droht“, den Euro aufzugeben, fällt der Kurs des Euro gegenüber Franken und Dollar. Vereinfacht: Wenn der Schwächste aus der Mannschaft ausscheidet, spielt die Mannschaft schlechter!? Sicher habe ich etwas übersehen. Für sachdienliche Hinweise wird gedankt.
Frisst, schiesst und verschwindet
Rudolf Strahm hat den armen Peter Siegenthaler, Präsident des Kantonalbankenverbands und früherer Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung, mit raffinierter Kommasetzung zur UBS befördert. In seinem heutigen Beitrag zum Thema TBTF im Tagesanzeiger (S. 11) schreibt er: „Die UBS tickt anders. Obwohl ihr Vertreter in der vorbereitenden Kommission, Peter Siegenthaler, der Stabilisierungsvorlage zugestimmt hatte …“. Das ist natürlich Mumpitz. Peter Siegenthaler vertrat nicht die UBS, sondern war Vorsitzender der Kommission Siegenthaler, ohne Komma dazwischen.
Wegen eines Kommafehlers ist auch schon ein Krieg ausgebrochen. Soweit wird es im vorliegenden Fall hoffentlich nicht kommen. Gleichwohl empfehlen wir allen Schreibenden, selber nachzulesen im Buch Eats, Shoots & Leaves: The Zero Tolerance Approach to Punctuation (2003) von Lynne Truss. Der Titel beruht auf einem Witz: Ein Panda kommt in ein Restaurant, isst eine Pizza, schiesst um sich und geht davon. Auf die Frage, was das soll, antwortet er, im Lexikon stehe unter „Panda“: „Black and white animal. Eats shoots and leaves.“
Warum die Immobilienwirtschaft «Basel III» fürchtet
Unter diesem Titel schreckt die Beilage NZZ Domizil vom Freitag ihre ahnungslosen Leser mit einer angedrohten Verteuerung der Hypotheken. „Die Konsequenz [von Basel 3] dürfte eine Senkung des Kreditangebots sein, was mit einer Verteuerung der Darlehen, auch für Hypothekarnehmer, einhergeht.“ Der Autor müsste es wissen, er ist Leiter des Wealth Management Real Estate Research von UBS.
Gleichwohl: Alles halb so schlimm. Der Artikel beruht auf einer Medienmitteilung der deutschen Bundesvereinigung der Spitzenverbände der Immobilienwirtschaft (BSI) bzw. einem Interview mit deren Vorsitzendem, Jens-Ulrich Kissling, vom 26. November 2010. Dieses bezieht sich jedoch auf den deutschen, nicht auf den schweizerischen Hypothekarmarkt. Der deutsche (ähnlich wie der dänische) Markt basiert nämlich auf dem Pfandbrief (”covered bond”), für den unter Basel III tatsächlich leicht weniger attraktive Konditionen gelten. Auf die Schweiz lässt sich das Argument nicht eins zu eins übertragen.
Zum einen: Die Risikogewichtung von Hypothekarkrediten ändert sich zwischen Basel 2 und Basel 3 überhaupt nicht. Zum anderen: Der Schweizer Markt finanziert seine Hypotheken hauptsächlich aus Depositen, siehe z.B. den Aufsatz von Martin Brown Note on Housing Finance in Switzerland. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch ein Referat von Thomas Jordan (SNB) mit Datum vom 15. Mai 2008.
Basel 3 oder die Massnahmen des Bundes zur Eindämmung der faktischen Staatsgarantie werden, wie der Autor des NZZ Artikels im übrigen selbst zugibt, zu keiner Kreditklemme in der Schweiz führen. Verschiedene Studien und Umfragen bestätigen dieses. Andere Faktoren wie z. Bsp. die Platzknappheit sind wesentlich tragender wenn es um den Hypothekarmarkt in der Schweiz geht. Eigenheimbesitzer und solche, die es werden wollen, brauchen keine Angst vor der höheren Eigenmittelanforderungen für Banken zu haben, oder sich womöglich unter Zeitdruck gesetzt zu fühlen. Im Gegenteil — das letzte, was Familie Muster brauchen kann, wenn sie eine Hypothek sucht, sind schwach kapitalisierte Banken, die klamm auf ihrem bisschen Geld hocken müssen. Dies gilt nicht nur individuell, sonder auch für die Volkswirtschaft als ganze. Pierre Monnin und Terhi Jokipii haben in einem SNB working paper gezeigt, dass dicke Kapitalpolster der Banken das längerfristige Wirtschaftswachstum nicht bremsen, sondern unterstützen.