Tiefe Studiengebühren sind ungerecht

Der Ruhe auf dem Lausanner Campus nach zu schliessen, sind die landesweiten Studentenproteste der Vorweihnachtszeit weitgehend verpufft. Gewisse Forderungen hallen jedoch nach. Allen voran der Ruf nach „freier Bildung für alle“ – sprich Abschaffung der Studiengebühren. Dass solche Begehren durchaus politische Wirkung erzielen, wurde am 4. Januar deutlich, als der Zürcher Kantonsrat eine Erhöhung der universitären Semestergebühren von 690 auf 1200 Franken knapp ablehnte. Artikel in der NZZ

Die jährlichen Immatrikulationsgebühren der Schweizer Universitäten liegen zwischen 1000 Franken in Genf und 4000 Franken in Lugano. Im Durchschnitt kommen die Schweizer Studenten somit für weit weniger als einen Zehntel der auf jährlich 30000 Franken geschätzten Kosten ihres Studiums selber auf (vom Lebensunterhalt und Lohnausfall einmal abgesehen). Ist das immer noch zu viel?

Gegner von Studiengebühren setzen sich gerne auf den philosophischen Standpunkt, Bildung, inklusive an der Universität, sei ein Grundrecht. Diese Ansicht steht keineswegs im Widerspruch zur Erhebung von Studiengebühren. Nahrung, Kleidung und Wohnraum sind schliesslich auch Grundrechte, doch der Staat verteilt diese Güter nicht umsonst an die gesamte Bevölkerung. Das Grundrecht Studium kann zum Beispiel mittels ausreichender und einfach zugänglicher, aber bedarfsorientierter, Stipendien gesichert werden. Darlehen, deren Rückzahlung vom nach Studienabschluss erzielten Einkommen abhängt, sind eine andere interessante Lösung – und dies nicht zuletzt aus der Perspektive der Gerechtigkeit, denn wer später mehr verdient trägt somit einen grösseren Teil seiner Studienkosten.

Die staatliche Finanzierung des Hochschulstudiums via tiefe Studiengebühren ist insofern ungerecht, als es sich dabei um eine Umverteilung von unten nach oben handelt. Unter den Studenten sind Akademikerkinder, und somit Sprösslinge relativ wohlhabender Eltern, stark übervertreten. Tiefe Studiengebühren entsprechen dem Giesskannenprinzip: Der Staat zahlt für Bedürftige ebenso wie für Nicht-Bedürftige, anstatt gezielt den Bedürftigen unter die Arme zu greifen.

Letztlich umfasst eine soziale Bildungspolitik nicht nur die universitäre Stufe, sondern das gesamte Bildungswesen vom Vorschulalter bis zur Erwachsenenbildung. Dazu zeigt die aktuelle Forschung, dass sich öffentliche Bildungsausgaben mit zunehmendem Alter der Lernenden weniger bezahlt machen. Link zu Forschung

Ein in die frühkindliche Bildung investierter Franken produziert im Durchschnitt einen deutlich höheren Ertrag (hinsichtlich des zukünftigen Einkommens aber auch der sozialen Integration) als ein in universitäre Bildung investierter Franken. Zudem ist Bildung kumulativ: „Bildung zeugt Bildung“. Für den sozialen Ausgleich sollte somit ganz besonders bei der frühen Bildung angesetzt werden, denn im Studentenalter ist der Zug für manch eigentlich Begabte(n) bereits abgefahren.

Zur Förderung der Chancengleichheit und des sozialen Ausgleichs wäre demnach eine Erhöhung der individuellen Studiengebühren durchaus die richtige Politik, sofern sie gekoppelt wäre an einen Ausbau des Stipendienwesens und an eine Umverteilung freigewordener staatlicher Mittel auf die voruniversitären Bildungsstufen. Höhere Studiengebühren wären sozialer als deren Abschaffung.

One thought on “Tiefe Studiengebühren sind ungerecht

  1. Der Argumentationsstrang leuchtet ein – besten Dank! Wäre ja wirklich schön, wenn wir mit frei gewordenen Staatsmitteln durch höhere Studiengebühren, dem Traum von flächendeckenden Tagesschulen und für alle erschwingliche Kinderkrippen in der Schweiz, einen Schritt näher kommen könnten!
    Tagesschule und Krippenplätze für ALLE würden die Chancengleichheit in der Bildung erhöhen und wäre ein wichtiger Beitrag zur Integration von fremdsprachigen Kindern.

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