Bisher ging ich davon aus, dass sich die Pauschalsteuer für den Schweizer Fiskus bezahlt macht. Seit ich die ersten offiziellen Daten über die Wegzüge nach der Abschaffung dieser Steuer in Zürich gesehen habe, bin ich mir der Ergiebigkeit dieses Instrumentes nicht mehr ganz so sicher.
Von den 201 vor der Abstimmung von Februar 2009 in Zürich ansässigen Pauschalbesteuerten sind deren 92 bis Ende 2010 weggezogen. Das entspricht einer Abwanderungsquote von 46% (=92/201). Diese Zahl wiederspiegelt eine beträchtliche Mobilität der betroffenen Haushalte. Allerdings sind 54% der Ex-Pauschalbesteuerten nicht umgezogen und dürften nunmehr stärker zur Kasse gebeten werden. Unter dem Strich könnte der Zürcher Fiskus von der Abschaffung der Pauschalsteuer somit durchaus profitieren. Für eine negative Gesamtwirkung auf die Steuereinnahmen wäre gemäss meiner (zugegebenermassen groben) Schätzung nämlich eine Abwanderungsquote von mindestens zwei Dritteln notwendig.
Ähnlich interessant wie die Zahl der abgewanderten Steuerzahler ist deren Aufteilung nach Destinationen: Von den 92 Wegzüglern sind 26 ins Ausland gezogen, und 66 haben sich in anderen Kantonen angemeldet. Die Abwanderungsquote aus der Schweiz beträgt also lediglich 13% (=26/201). Stellen wir uns nun vor, die Pauschalsteuer wäre landesweit abgeschafft worden. Von den 66 in andere Kantone umgezogenen Steuerzahlern hätten sich in dem Fall wohl ebenfalls einige ins Ausland abgesetzt. Aber ziemlich sicher nicht alle – die Schweiz hat schliesslich auch noch andere Vorzüge. So liefern uns die in Zürich beobachteten Wegzüge eine Bandbreite für die zu erwartende Abwanderungsquote bei einer schweizweiten Abschaffung der Pauschalsteuer: Minimum 13%, Maximum 46%, Mittelwert 30%.
Gehen wir also davon aus, eine schweizweite Abschaffung der Pauschalsteuer würde unserem Land ein Drittel weniger derartige Steuerzahler bescheren. Gemäss meiner simplen Schätzung, wonach eine Abschaffung der Pauschalsteuer erst ab einer Abwanderungsquote von zwei Dritteln negativ zu Buche schlägt, würde sich eine generelle Abschaffung der Pauschalsteuer somit – zumindest aus Sicht der Steuereinnahmen – lohnen.
Diese Rechnung stellt die Einträglichkeit der Pauschalsteuer in Frage. Sie ist jedoch einer ganzen Reihe von Ungenauigkeiten unterworfen. So könnten die neuen Zahlen aus Zürich die wahre Abwanderungsquote entweder überschätzen (denn einige Wegzüger dürften aus anderen Motiven umgezogen sein) oder unterschätzen (falls gewisse Steuerzahler mit dem Wegzug noch abwarten). Meine Rechnung könnte den Nettozuwachs der Steuereinnahmen zudem aus drei Gründen überschätzen: erstens, da die Anreize zum Wegzug am stärksten sind für die Allerreichsten; zweitens, da die Erfassung der weltweiten Einkommen der verbleibenden Haushalte für die Steuerbehörden schwierig wird; und drittens, da potenzielle Zuzüger in der längeren Frist steuerempfindlicher sein dürften als potenzielle Wegzüger. Andererseits werden durch Wegzüge von Ex-Pauschalbesteuerten attraktive Wohnlagen frei für andere lukrative ausländische wie inländische Steuerzahler, was sich positiv auf die Steuereinnahmen auswirkt.
Es besteht also noch geraumes Unwissen. In ein paar Monaten dürfte der „Testfall Zürich“ jedoch zusätzliche Anhaltspunkte liefern. Zahlen über die Auswirkungen der Pauschalsteuerabschaffung auf die Steuereinnahmen (d.h. nicht nur auf die Anzahl der Wegzüge) werden nämlich vorliegen, sobald die Steuererklärungen fürs Jahr 2010 abschliessend behandelt sind. Ich bin weiterhin gespannt.
Könnte sich eine schweizweite Abschaffung der Einkommenssteuer lohnen? – JA! Der Staat ist alles, was die Bürger sonst anders machen würden.
Umgekehrt liesse sich doch auch argumentieren, dass es sich lohnen könnte, die Pauschalbesteuerung schweizweit einzuführen – also dass jeder ab einem bestimmten Einkommen eine fixe Summe zahlt. Die volkswirtschaftlichen Verzerrungen durch die Steuer könnten so minimiert werden, was eine effizientere Allokation der Ressourcen ermöglichte. Natürlich wäre eine solche Steuer nicht so effizient wie eine Lump-Sum-Tax für alle, würde jedoch unter dem Strich durchaus noch einen volkswirtschaftlichen Benefit bringen.
Bin auf die nächste, genauere Datenauswertung gespannt! Wird die Analyse publiziert, damit interessierte politische Kreise darauf zurückgreifen können?
Besten Dank für’s dranbleiben!