Ist die Finma zuständig für die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes?

Urs Birchler

Die Frage im Titel sorgt immer wieder für rote Köpfe zwischen FINMA (nein) und Bankenvertretern (ja). Die Weltwoche behauptet in der neuesten Ausgabe, die restriktive Auffassung der FINMA sei „nachweislich falsch“; im Gesetz stehe nämlich, die FINMA habe „zur Stärkung des Ansehens und der Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Schweiz“ beizutragen.

Wir haben im Gesetz nachgeschlagen, konkret im Finanzmarktaufsichtsgesetz (FINMAG). Dort heisst der zitierte Artikel 5 im vollen Wortlaut: „Die Finanzmarktaufsicht bezweckt … den Schutz der Gläubigerinnen und Gläubiger, der Anlegerinnen und Anleger, der Versicherten sowie den Schutz der Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte. Sie trägt damit zur Stärkung des Ansehens und der Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Schweiz bei.“ Entscheidend ist das von der Weltwoche verschwiegene Wörtchen „damit“.

Kaum „nachweislich falsch“ scheint daher die Auffassung der FINMA): „Der Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes ist nicht Ziel, sondern erhoffte und erwünschte Wirkung der Aufsichtstätigkeit.“ Soweit Konflikte zwischen Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit entstehen, greift übrigens FINMAG Art. 7 Platz („Sie reguliert nur, soweit dies mit Blick auf die Aufsichtsziele nötig ist. Dabei berücksichtigt sie insbesondere … wie sich die Regulierung auf den Wettbewerb, die Innovationsfähigkeit und die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Schweiz auswirkt).

Ironischerweise sagt allerdings die Botschaft des Bundesrates zum FINMAG im Kommentar zu Artikel 5: „Der Schutz von Gläubigerinnen und Gläubigern, Anlegerinnen und Anlegern sowie der Versicherten vor Insolvenzrisiken wird am wirksamsten gewährleistet, wenn die Finanzintermediärinnen und -intermediäre wettbewerbsfähig sind.“ Stabilität ist damit nicht Ursache, sondern Folge der Wettbewerbsfähigkeit.

Kein Wunder erhielt die Schweiz vom Financial Stability Board (gestützt auf die Überprüfung der Schweiz im Rahmen des das Financial Assessment Programm des IWF) hier eine Hausaufgabe: Peer Review of Switzerland vom 25 Januar 2012, S. 34: „Review the provisions of the draft FINMA Act to avoid provisions that might limit FINMA’s operational independence and prudential powers.“ Konkret (S. 20; ähnlich S. 6): „the concerns expressed in the FSAP surrounding FINMA’s operational independence, particularly with respect to the competitiveness clause, remain unresolved since the relevant provisions in the FINMA Act have not been revised.“

Kurz und gut: Die internationalen Gremien stützen die Haltung der FINMA, möchten die gesetzliche Grundlage aber gefestigt sehen. Ebenfalls auf eine Gesetzesänderung, wenngleich in umgekehrter Richtung, zielt die Interpellation Lüscher. Einstweilen hilft uns nur der gegenseitige Respekt zwischen Banken und Behörden für ihre jeweiligen Aufgaben und Zielsetzungen. Artikel, welche die Sachlage verdrehen, helfen eher nicht.

Too late to fail?

Urs Birchler

Der 1. März, ist immer ein besonderer Tag. An Chalanda Marz zieht nämlich mein Vornamensvetter, der Schellenursli, mit der grossen Kuhglocke durchs Dorf. Dieses Jahr ist der 1. März aber ganz besonders: Heute tritt nämlich die Änderung des Bankengesetzes „Stärkung der Stabilität im Finanzsektor; too big to fail“ in Kraft (
von der Presse vor zwei Wochen kurz angekündigt, sieh z.B. NZZ). Damit findet man die neuen Bestimmungen endlich auch in der Systematischen Sammlung des Bundesrechts [am 1.3.2012, 06:00, allerdings noch nicht aufgeschaltet].

Wird jetzt nie mehr eine Schweizer Bank mit Staatshilfe gerettet? Müssen jetzt immer die Aktionäre bluten? Einiges ist tatsächlich besser geworden, doch so klar ist es leider nicht, wie ich in einem NZZ-Artikel und im Gutachten für das Liberale Institut argumentiert habe. Und leider sind die Verordnungen zum Gesetz noch nicht unter Dach, sondern erst im Entwurf zur Vernehmlassung. Also zu früh, um mit der grossen Glocke durchs Dorf zu marschieren.

Staatsgarantie der ZKB

Urs Birchler

Jetzt bekomme ich Anfragen: Was bedeutet die Staatsgarantie der ZKB eigentlich?

Die Antwort hat zwei Teile. Erstens gibt es die im Kantonalbankgesetz festgelegte Staatsgarantie. Konkret:

§ 6.
1 Der Staat haftet für alle Verbindlichkeiten der Bank, soweit ihre eigenen Mittel nicht ausreichen.
2 Die Haftung erfasst nachrangige Verbindlichkeiten und das Partizipationskapital nicht.

Zweitens: Die ZKB geniesst eine faktische Staatsgarantie, die über die gesetzliche hinausgeht. Die gesetzliche Staatsgarantie kommt erst zum Tragen im Rahmen eines Konkursverfahrens. Ein solches vernichtet jedoch einen grossen Teil der Substanz einer Bank. Der Kanton Zürich würde also sehr wohl überlegen, ob er nicht lieber die Bank als Ganze retten würde, wie die Zürcher Finanzdirektorin, Frau Regierungsrätin Ursula Gut, in einem sehr lesenswerten Referat glasklar dargelegt hat.

Auch für nachrangige Forderungen haftet also faktisch der Kanton. Als einzige Verbindlichkeit nicht von der faktischen Staatsgarantie gedeckt ist die eben erst begebene nachrangige Tier-1 Anleihe. („Tier-1“ bezeichnet sogenanntes Kernkapital, hat als nichts mit dem Zoo-Sponsoring der ZKB zu tun.) Die Anleihe verfällt, wenn die Kernkapitalquote der ZKB unter 7% fällt oder wenn die FINMA eine drohende Insolvenz feststellt.

Bailout für Banken: nie mehr?

Urs Birchler

Heute hat das Liberale Institut eine Studie von mir zum Thema Besseres Konkursrecht statt Bailouts? veröffentlicht. Fazit: Das revidierte Bankinsolvenzrecht hat noch ernste Mängel; diese bergen die Gefahr, dass der Staat bei einem Bankenproblem wiederum als Retter einspringen muss (siehe auch die Medienmitteilung).

Gleichzeitig publizierte die FINMA heute ihren Vernehmlassungsentwurf zu einer Bankinsolvenzverordnung.

Fazit: Die FINMA muss am Detail arbeiten, obwohl der Gesetzgeber die Architektur noch nicht ganz im Griff hat.

Hopp, Yvan!

Urs Birchler

Unser Professorenkollege aus Basel und mein früherer Arbeitskollege bei der SNB, Yvan Lengwiler, ist in die FINMA berufen worden. Herzliche Gratulation nicht nur an Yvan, sondern auch an die Wahlbehörde. Mit Yvan Lengwiler ist ein trittfester Ökonom berufen worden, der sim Nebel der politischen Argumentation den ökonomischen Kompass stets zur Hand hat. In Aktion zu sehen ist er beispielsweise hier.

Lieber Yvan, wir wünschen Dir alles Gute!

P.S.: Gleichzeitig ist zu beklagen, dass meine Ko-Dozentin Sabine Kilgus aus der FINMA ausscheidet. Mitleid ist aber fehl am Platz; Sabine hat in der FINMA wohl alles erlebt, was ein Bankensystem an Aufsichtsproblemen zu bieten hat.