Sind Eigenmittel knapp?

Urs Birchler

Ein Argument gegen höhere Eigenmittelanforderungen für Grossbanken lautet: Selbst wenn Eigenmittel gar nicht mehr kosten als Fremdmittel: Woher sollen sie denn plötzlich kommen. Konkret: Wo soll die UBS jene 25 Mrd. Fr. Eigenmittel (die in der Diskussion gennannt werden) hernehmen? Das Argument wurde hier kürzlich in einem gehaltvollen Kommentar von Werner Barili genannt.

Von allen Argumenten gegen strengere EM-Anforderungen ist dieses noch das beste. Doch es ist nicht gut genug.

Eine Bank, die das Vertrauen des Marktes geniesst, kann immer Eigenmittel aufnehmen. Noch einfacher: Sie behält die Eigenmittel, die sie schon erwirtschaftet hat, und schüttet weniger Gewinn aus. Die Pläne der UBS, für 3 Mrd. Fr. Eigenmittel zurückzukaufen und dazu noch die Dividende zu erhöhen, gehen exakt in die umgekehrte Richtung. Die UBS könnte angesichts des guten Geschäftsgangs (der als Leistungsauweis ausdrücklich gewürdigt sei!) Eigenmittel einbehalten oder auch aufnehmen. Diese muss sie nicht unbedingt in zusätzliche Geschäfte mit zusätzlichen Risiken stecken, sondern kann bestehendes Fremdkapital zurückzahlen; das ergibt die beste Wirkung auf die Leverage Rate.

Aber!!! Ist es nicht offensichtlich, dass Eigenkapital knapp ist?! Jedes Junge Paar, das mit seinem ersten Eigenheimprojekt bei der Bankberaterin aufkreuzt, wird mit der Frage konfrontiert: “Wie viel können Sie selber aufbringen?” Wenn die normalerweise geforderten 20 Prozent nicht vorhanden sind, wird’s schwierig. Tante Erika, die aushelfen könnte, will nicht, weil ihr die Einkommen der beiden zu unsicher sind. So scheitert das Eigenheimprojekt an zu wenig Kapital — würde man meinen.

Aber hier lauert eine weitere optische Täuschung im Bereich Eigenmittel (die anderen wurden in diesem Blog schon besprochen). Der Ausdruck “Kapital” klingt nämlich nach Maschinen oder Fabriken. Also auf etwas, das physisch knapp ist und nicht beliebig rasch hergestellt werden kann. Doch hier steht “Kapital” für Finanzierungsmittel allgemein. Das junge Paar scheitert nämlich nicht an zu wenig Kapital; es scheitert an zu wenig Finanzmitteln. Tante Erika will nicht in die Pläne des Paares, buchhalterisch gesprochen: in eine Bilanzverlängerung, investieren. Es fehlt also nicht an Kapital, sondern an zusätzlicher Risikobereitschaft. Wie der Ökonom Josef Alois Schumpeter einmal einen Börsencrash erklärte: Das Problem war nicht der Rückgang im Angebot an Kapital, sondern im Angebot an Dummheit.

Bei der UBS geht es aber zunächst nicht um die Finanzierung eines grösseren Geschäftsvolumens, sondern um ein Stärkung der Kapitalbasis des bestehenden Geschäfts. Die Finanzmittel dazu sind schon in der Bank; sie müssen nur von Fremd- in Eigenmittel umgetauft werden. “Kapital“ im Sinne von Eigenkapital entsteht per Federstrich: Die Fremdkapitalgeber müssen nur einwilligen, ihre Guthaben in Eigenmittel zu tauschen. Eine „Kapital“knappheit im physischen Sinn besteht nicht.

Der Geschäftsleitung der UBS schwebt allerdings auch ein weiteres Wachstum vor. Gibt der Markt die dazu notwendigen Eigenmittel nicht her? Nein??? Dann wären wir bei der vorsichtigen Tante. Das heisst: dem Markt sind die Risiken der beabsichtigten Geschäfte zu hoch. Das ist dann eben kein Mangel an Kapital, sondern an einer zusätzlichen Risikobereitschaft, allenfalls — gemäss Schumpeter — ein Mangel an Dummheit. Dann müsste aber auch Tante Helvetia nicht in die Bresche springen, indem sie auf die notwendigen Eigenmittelanforderungen verzichtet.

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