Marius Brülhart und David Staubli
Die politischen Kaffeesatzleser sind sich nach der Abstimmung einig: Die USR III scheiterte in erster Line an einem Mangel an Vertrauen. Es fehlte dem Stimmvolk offenbar am Glauben an die Seriosität der Vorbereitungen. Der Median-Stimmbürger stimmte im Zweifelsfall wohl nein, in der Hoffnung auf eine überzeugendere Vorlage im zweiten Anlauf.
War die USRIII angesichts des unbestrittenen Handlungsbedarfs der Weisheit letzter Schluss? Diese Frage ist tatsächlich schwer zu beantworten.
Einerseits wurde von Anfang an mit Information zurückgehalten. Auch uns als relativen Kennern der Materie fiel nämlich auf, wie spärlich von offizieller Seite zu den wahrscheinlichen Auswirkungen der vorgeschlagenen Reformen kommuniziert wurde.
Es fehlten insbesondere Schätzungen zum Ausmass, in welchem neue Abzugsmöglichkeiten für Statusfirmen und ordentlich besteuerte Unternehmen beansprucht werden könnten. Wie stark würden diese Massnahmen die steuerbare Gewinnsumme schmälern, und wie zielgenau betreffen sie die aktuellen Statusfirmen? Diese entscheidenden Zahlen wurden nicht geliefert. Mit etwas gutem Willen und in Zusammenarbeit mit den kantonalen Steuerämtern wären diese Grössen gewiss bezifferbar. Ohne solche Angaben war und bleibt es auch mit dem einfachsten der Modelle nicht möglich, abzuschätzen, inwiefern ein gegebener Reformvorschlag die bestmöglich Alternative zur Statusbesteuerung darstellt.
Das Informationsvakuum liess dann Raum für wilde Behauptungen auf beiden Seiten. Ein kleines aber treffliches Beispiel für die im faktenfreien Umfeld überzogene Polemik liefern die Reaktionen der beiden Kampagnen auf unsere Studie.
Auf der einen Seite die Reaktion von economiesuisse: „Forscher bestätigen die Strategie der Steuerreform“, heisst es im Titel. Unsere Studie tut nichts solches. Sie skizziert einen Modellrahmen zur Beurteilung der Reform und liefert ein paar ökonometrische Puzzleteile, kommt jedoch zum Schluss, dass hinsichtlich der optimalen Reform in erster Linie geraumes Unwissen herrscht. Krasser noch ist die Behauptung, unsere Studie zeige, dass „bei einer Erhöhung der Steuerlast um zehn Prozent rund 22 Prozent dieser [Status-] Firmen ihre Aktivitäten verlagern“. Diese Aussage liegt nahe an der unlauteren Berichterstattung, denn in unserer Studie ist 22 Prozent nur der Extremwert einer geschätzten Bandbreite, die von 7 bis 22 Prozent reicht.
Auf der anderen Seite die Interpretation seitens des Gewerkschaftsbundes: Hier wird uns angedichtet, wir hielten die USR III für „viel zu teuer“. Wie schön, wenn wir das wissen könnten! Das Problem ist ja eben gerade, dass die Grundinformationen fehlen, um derartige Aussagen zu machen.
Natürlich gehören Übertreibungen und rhetorische Verzerrungen zum Handwerk der Politik. Aber gerade bei einer so technischen Materie mit grossen finanziellen Interessen im Hintergrund ist nüchterne, faktenbasierte Kommunikation gefragt. Und dafür braucht es zuerst einmal eine Offenlegung der vorhandenen Fakten und Schätzungen.
Darin liegt wohl auch der Schlüssel für eine erfolgreiche USR III.2 (oder wie sie dann auch immer heisst).
Tatsächlich wurde in der Diskussion um die UStR3 mit den Zahlen Schindluder getrieben. Ihren Ansatz in Ehren, gute Schätzungen der „Kosten“ liefern zu wollen; erfolgreich sein kann er aber nicht, wenn 1/ selbst die gewissenhaften Beamten des Finanzdepartements in ihrer monokausalen Denkweise heute noch von einer zu tiefen Schätzung im Fall der UStR2 sprechen, während die Zahlen das Gegenteil belegen und wenn 2/ in Schulen und Medien die Ueberzeugung perpetuiert wird, dass Steuern primär ein Verteilung- und nicht ein Finanzierungsinstrument sind.
Zu gewinnen ist die UStR3 nur mit einer positiven, qualitativen Argumentation. Das klänge in etwa so: „Die Schweiz bietet internationalen Gesellschaften erfolgreich gute Rahmenbedingungen. In der Schweiz entwickelnde und produzierende Firmen bezahlten bisher mehr. Das ist stossend. Mit der UStR3 bieten wir neu auch hiesigen Firmen im Gewerbe, von der Startup über die KMU bis zum High-Tech-Betrieb und den Dienstleistungen, die gleichen Bedingungen, die auch globalen Grosskonzernen offenstehen. Gleich lange Spiesse für starke Schweizer Unternehmen, Erfolg und Arbeitsplätze.“
Die tatsächliche Kampagne verlor sich in Kleinbeträgen und operierte mit der Angst bzw. der Drohung, dass mobile Firmen wegziehen könnten. Diese Drohung hat noch nie funktioniert. Der Bauch antwortet: „Wenn’s denen nicht gefällt, sollen sie doch gehen.“