Roger Köppel hat für seinen Artikel „Niemand kontrolliert die Notenbank“ alle Bankräte der SNB angeschrieben. Die Fragen betrafen die Arbeit des Bankrates. Kein Wunder also, dass sich hier keine(r) der Bankräte direkt äussern konnte und wollte. Aus den Rückmeldungen hat Roger Köppel dennoch eine Geschichte konstruiert, die ich hier nicht wiedergeben möchte. Es ist Roger Köppels gutes Recht, die Nationalbank und den Bankrat zu kritisieren.
Die Debatte über die richtige (oder falsche) Notenbankpolitik darf und soll geführt werden. Weniger schätze ich allerdings, dass ich in der konstruierten Geschichte ohne Name zitiert werde: „Weder aus dem Wortlaut Ihrer Fragen noch aus der jüngeren Berichterstattung der Weltwoche zum Thema Nationalbank kann ich irgendein Bestreben nach sachlicher Information der Leserschaft erkennen.“ Geschrieben habe ich ihm nämlich auch „Was ich sagen will, unterschreibe ich auch.“ Das sei hiermit getan.
Unschön finde ich zudem, dass Roger Köppel den Satz aus einer persönlichen Bemerkung riss. Dann lieber der ganze Abschnitt: „Erlauben Sie mir zum Schluss noch eine persönliche Bemerkung: Ich arbeite grundsätzlich gerne mit den Medien zusammen, weil ich es als sehr wichtig erachte, dass wir uns als Wissenschafter in der öffentlichen Debatte engagieren. Wie Sie wissen habe ich auch schon öfters Weltwoche Autoren detailliert Auskunft gegeben.
Wenn allerdings die Meinungen bereits derart verfestigt sind, dass ich keine Chance sehe, aufklärend mitzuwirken, sehe ich nicht ein, weshalb ich hier noch Stellung nehmen soll. Weder aus dem Wortlaut Ihrer Fragen noch aus der jüngeren Berichterstattung der Weltwoche zum Thema Nationalbank kann ich irgendein Bestreben nach sachlicher Information der Leserschaft erkennen.“
Sehr geehrte Frau Bütler
Sie schreiben, die Weltwoche habe eine dermassen gefestigte Meinung, dass Sie keine Chance sähen, aufklärend mitzuwirken.
Die Nationalbank erntet, was sie selber gesät hat.
Über Jahrzehnte habe ich versucht, der SNB zu erklären, dass ihre Geldpolitik auf einer irreführenden Geldtheorie basiere. Bereits im Jahre 1993 schrieb ich ein Buch mit dem Titel „Die grosse Verantwortung der Wirtschaftswissenschaft“. Darin zeigte ich, dass Geld eine Obligation der Notenbank ist (das war dann später auch der Titel meiner Dissertation).
Wenn die Geldmenge vergrössert wird, so fällt der Preis der Obligation bzw.
des Geldes. Das ist aber nicht der Zins sondern der Kurs. Kurs und Rendite verhalten sich invers. Konklusion: Bei einer expansiven Geldpolitik fallen nicht die Zinsen, wie seit Keynes behauptet wird, sondern es fällt der Wert des Frankens und die Zinsen steigen. Keynes verwechselte also Kurs und Rendite eines Wertpapiers, bzw. er verwechselte Aktiven und Passiven der Zentralbank . Er meinte, bei einer expansiven Geldpolitik würde die Notenbank der Wirtschaft günstiges Geld anbieten zu einem tiefen Zinssatz.
Wäre dies korrekt, so würde die Zentralbank auf ihrem Geld einen Zinssatz erhalten. Geld wäre ein Aktivdarlehen der Notenbank. Das ist es aber nicht:
Geld ist ein Passivum. Die geldpolitische Konsequenz daraus ist, dass die SNB die Zinsen in unserem Lande nur senken kann, wenn sie auch hierzulande investiert. Keynes ging mit Sicherheit davon aus, dass Geld in Passivum der Notenbank darstelle, weil damals der Goldstandard herrschte und die Aktivseite dem Gold vorbehalten war.
Ich war damals fast 10 Jahre Strategieanalyst bei der SBG. Man drohte mir mit „grossen Schwierigkeiten“, falls ich es wage, die Anlagepolitik der SNB zu kritisieren. Ich sagte im Herbst 1995 deswegen ein Interview mit der Sendung 10vor10 ab. Im Januar 1996 schrieb ich dann trotz den Bedrohungen einen ganzseitigen Artikel in der Finanz und Wirtschaft unter dem Titel „Die SNB-Investitionspolitik ist zu überdenken“. Darin schrieb ich, die Auslandinvestitionen der SNB seien ein grosses Klumpenrisiko. Ich sprach diesbezüglich in den Jahren 1996/97 auch an der GV der SNB in Bern. Mein Vorstoss kostete mich meine Stelle bei der UBS.
Wenn jemand eine verfestigte Meinung hat, dann ist es die Nationalbank. Sie hat Jahrzehnte ihre Beziehungen zur Presse so gepflegt, so dass diese in den vergangenen Jahren nie negativ über die SNB schrieben. Verluste der SNB wurden immer als „Buchverluste“ bagatellisiert.
Im Jahre 2000 änderte die SNB ihr geldpolitisches Konzept. Die SNB sprach jetzt plötzlich davon, sie würde die Geldmenge ausdehnen, wenn sie in Repos auf ihrer Aktivseite nvestiere (geldpolitisches Instrumentarium 2004).
Während des ganzen vergangenen Jahres beteuerte sie in ihren Quartalsheften, sie betreibe eine expansive Geldpolitik – will heissen, sie investiere in Repos. Nein – sie hat im Gegenteil alle Repos veräussert! Sie hat zudem Schuldverschreibungen aufgenommen und das ganze Kapital wieder ins Ausland abgeführt. Sie investiert jetzt in der Schweiz nur noch etwas mehr als 1 Prozent ihres Vermögens. Damit will sie die Zinsen beeinflussen?
Sie als Volkswirtschaftlerin beim Bankrat hätten bemerken sollen, dass die SNB in ihren Quartalsheften falsche Angaben macht. Ich werde deshalb an der GV beantragen, dem Bankrat die Decharge zu verweigern. Ich habe dies in einem Schreiben an alle Parlamentarier bereits angekündigt. Die SNB hat ihre Aktionäre und die Öffentlichkeit während des ganzen vergangenen Jahres irregeführt.
Die SNB interpretiert expansive Geldpolitik einmal als Vergrösserung der Geldmenge auf der Passivseite, dann wieder als Investition in Repos in Schweizerfranken auf der Aktivseite und dann wieder als Investition in Deutsche Staatsanleihen. Sie verwechselt den Begriff andauernd. Dasselbe geschieht mit dem Term „Liquidität“. Als ich dies an der GV der SNB in Bern 2009 vortrug, antwortete mir der Präsident des Bankrates, man würde nur Fragen beantworten – und Sie als Mitglied des Bankrates beschweren sich über verfestigte Meinungen bei der Weltwoche?
Drei Monate nach meinem Artikel in der FuW im Januar 1996 schrieb ein gewisser Philip Hildebrand ebenfalls einen ganzseitigen Artikel in der FuW.
Er propagierte, die SNB solle DM und Dollars kaufen, Da erhalte die SNB einen Zins von 3.5% bzw. 5.5% und könne sich selber zu 0.5% refinanzieren.
Er schlug also hochriskante Currency Carry Trades vor, um den Gewinn der SNB zu maximieren. Seine Argumentation lag quer zu der meinigen. Er übersah, dass er mit Currency Carry Trades der Schweizer Volkswirtschaft schadet. Genau das hat er jetzt getan beim Kurs von 1.45 zum Euro.
Allerdings hat der Support nicht gehalten.
Diese massiven Euro-Käufe von über 200 Milliarden können nun nicht gerechtfertigt werden mit der Argumentation, die Schweiz werde reicher, weil der Euro gefallen sei. Und die Verluste bei der SNB seien vergleichsweise „geringfügig“, wie das bei der BATZ im Argumentarium steht.
Heute Nacht ist der Euro wieder stark gefallen und der Yen ist massiv gestiegen. Ist die Schweiz jetzt reicher wegen des Euro oder ärmer wegen des Yen? Eure Argumentation macht einfach keinen Sinn. Zudem hätte, wenn die Schweiz reicher wird bei einem schwächeren Euro, die SNB erst recht nicht Euros kaufen sollen!
Auch macht es keinen Sinn, zu behaupten, die Verluste aus dem Euro könnten problemlos ausgeglichen werden durch das Drucken von Banknoten. Das würde die Schulden der SNB nur noch vergrössern und zu Hyperinflation führen, da die Banknoten der SNB nicht absorbiert werden könnten, so dass deren Wert fällt. Auch die Argumentation mit der drohenden Deflation macht keinen Sinn. Bei einer Deflation müsste die SNB der Schweizer Volkswirtschaft Kapital zuführen und nicht abführen. Zudem hat die SNB in allen vorangegangenen Quartalsheften publiziert, die Schweizer Wirtschaft erhole sich.
Zusammengefasst: Die SNB kann der Weltwoche nicht vorwerfen, diese habe einen Splitter im Auge. Sie selbst hat einen ganzen Balken… Oder ein anderes Sprichwort sagt: Zuerst vor der eigenen Türe wischen. Die SNB hat alle andere Ansichten in den vergangenen Jahren unterdrückt. Erst nach der Lancierung der Volksinitiative „Unsere Nationalbank gehört uns allen!“ kam der Stein ins Rollen (www.unserenationalbank.ch) und das Problem Notenbank wird jetzt öffentlich diskutiert. Das Pendel schlägt jetzt in die andere Richtung aus. Wobei ich persönlich – im Gegensatz zur SNB – auf andere Ansichten eingehe.
Über den Stil der Weltwoche kann man sich streiten. Dieser ist – wie gesagt Ausdruck der jahrzehntelangen Unterdrückung anderer Ansichten durch die SNB selbst. Es ist ein Vakuum entstanden, welche Platz geschaffen hat für solche Meinungsäusserungen. In wissenschaftlicher Hinsicht bin ich mit Herrn Köppel nicht ganz einverstanden, da er schreibt, die SNB hätte die Liquidität durch Schuldverschreibungen wieder abgeführt. Er hat aber offensichtlich nicht erkannt, dass die SNB die ganze Liquidität ins Ausland exportiert hat.
Ich bitte Sie, meinen Kommentar zu publizieren in BATZ. Wenn Sie den Kommentar nicht veröffentlichen beurteile ich Ihr Forum als vollkommen überflüssig und sogar kontraproduktiv.
Mit freundlichen Grüssen
Marc Meyer
Grüezi Frau Bütler
Erst mal ein grosses Kompliment an Sie und Batz.ch. Ich bin zufällig auf diese Seite gestossen und lese seither sehr fleissig mit, weil man nicht Volkswirtschaft studiert haben muss, um zu verstehen, was hier diskutiert wird.
Zu Ihrem obigen Beitrag:
Sie sprechen von verfestigten Meinungen. Obschon Sie es nicht explizit erwähnen, gehe ich davon aus, dass Sie die Mitarbeiter der Weltwoche meinen und nicht deren Leser.
Ich bin einer jener Leser und schätze es an der Weltwoche enorm, dass sie zwar oft dezidierte, um nicht zu sagen polemische Meinungen vertritt, dass jedoch – meist in der darauf folgenden Woche – auch der Gegenmeinung Platz eingeräumt wird, siehe beispielsweise den Beitrag von Philipp Hildebrand in der Weltwoche vom 26.1.2011.
Wenn Sie nun Gelegenheit erhalten, uns Lesern intelligente Argumente vorzutragen, so verstehe ich nicht, warum Sie diese Möglichkeit nicht nutzen. Ich kann kaum glauben, dass es Ihr Anliegen ist, Journalisten überzeugen zu wollen. Öffentliche Meinungsbildung findet nicht beim Zwiegespräch mit dem Redaktor statt, sondern durch Publikation von Argumenten. Wenn die Weltwoche nicht bereit wäre, Ihre Argumente zu publizieren, dann erst macht die Zusammenarbeit wirklich keinen Sinn mehr. Dafür ist die Weltwoche jedoch wie erwähnt nicht bekannt.
Ihr Anspruch muss es sein, Ihre Argumente uns Lesern zuzutragen und nicht, einzelne Mitarbeiter des Mediums überzeugen zu wollen. Oder fragen Sie etwa auch jedes Mal Ihren Internetprovider, ob er von Ihrer Ansicht überzeugt ist, bevor Sie uns hier auf Batz.ch Ihre guten Argumente vortragen?
Liebe Grüsse
Wie ich auch schon in der email an Roger Köppel geschrieben habe: Ich gebe gerne Auskunft, sofern ich zu den Fragen überhaupt etwas sagen kann und berechtigt bin, etwas zu sagen. Alle Fragen der Weltwoche zielten samt und sonders auf mein Amt als Bankrätin der SNB. Aus genau diesem Grunde konnte ich Sie gar nicht beantworten. Wer ein Amt annimmt, akzeptiert auch die Spielregeln des Gremiums. Kein Einzelmitglied eines Verwaltungsrat einer Firma – sei sie öffentlich rechtlich oder privat – wird sich gegenüber der Presse zur Geschäftführung der betreffenden Firma äussern. Die Kommunikation ist Sache des Gesamtgremiums, respektive des Präsidenten. Es gibt genügend andere von SNB und Bankrat ganz unabhängige Fachleute, die sich mindestens so informiert wie ich auch in diesem Blog äussern können.
Die Fragen der Weltwoche waren zudem in folgendem Stil abgefasst: „Es ist belegbar, dass X falsch war. Was machen Sie als Bankrätin der SNB konkret dagegen“. Ob X wirklich falsch war, wurde gar nicht gefragt. Der Wille nach Aufklärung scheint mit nicht allzu gross.
Dass mich Roger Köppel mitsamt dem Bankrat der SNB in die Pfanne haut, war nach seiner email und den früheren Artikeln zum Thema voraussehbar. Wütend macht mich aber, wenn er auch denjenigen, die sich die Mühe nahmen, überhaupt zu antworten und die Restriktionen aufzuzeigen, einen Strick dreht. Vor allem wenn es sich ganz klar und deklariert um eine ganz persönliche Aussage handelt.
@Herr Meyer:
Am Anfang Ihrer Argumentation vergessen Sie eine ganz simple Tatsache: Franken können nur in der Schweiz investiert werden und Franken-Darlehen werden in Franken verzinst. Steigt also die Menge der Franken, sinkt der Zinssatz doch. Angebot und Nachfrage.
Wäre dem nicht so, würden die Banken doch keine Franken bei der SNB abholen…
Die Menge der Franken steigt, wenn die SNB Geld an die Banken gibt. Wenn die SNB Geld an die Banken vergibt, nimmt sie eine Sicherheit. Ob dies nun für 200 Milliarden Franken Euros oder für 200 Milliarden Franken US treasury bonds sind, spielt hierbei keine Rolle – die Geldmenge in der Schweiz steigt in etwa um 200 Milliarden Franken mal einen vom Mindestreservesatz der Banken abhängigen Faktor.