In der Presse überstürzen sich die Meldungen, der Bundesrat orchestriere eine Übernahme der Credit-Suisse durch die UBS. Diese Idee wäre dermassen schlecht, dass ich wenigstens vor der Zwangsheirat noch Einsprache erheben will — nach dem Motto der Hollywood-Filme, in denen der Priester sagt: „Wenn jemand etwas gegen diese Verbindung einzuwenden hat, möge er jetzt sprechen oder auf ewig schweigen.“
Eine Übernahme der CS als Ganze oder in grossen Teilen, wäre zunächst ein Riesenlupf für die UBS selbst. Das weiss sie selber natürlich auch. Aber der Reiz, Retter zu sein, kann die Sinne vorübergehend trüben. Ich erinnere mich, als ich kurz nach der UBS-Rettung beim Nachtessen in der Jugendherberge Figino (TI) gefeiert wurde, als jemand aus einen welschen Unihockey-Team hörte, ich arbeite [damals] bei der Nationalbank. „Amis, il ya un de la BNS!“ schrie jemand, und dann wurde Schnaps aufgefahren. Trotzdem wäre die Integration der CS in die UBS tatsächlich eine Schnapsidee. Die Schweizer Banken haben nicht mehr die Rentabilitätsversicherung des Bankgeheimnisses in alter Form und den Komfort eines eher lahmen Wettbewerbs. Eine Bank wie die UBS hat im scharfen internationalen Wettbewerb selber genug zu kämpfen, ohne sich mit einem chronisch kranken Notfallpatienten abzumühen.
Eine Grossbank UBCS hätte in der Schweizer Bankenszene eine Sonderstellung als XL-Too-Big-To-Fail. Eine künftige Krise wäre noch schwieriger zu lösen. Ferner stünde eine solche Bank dauernd unter der Lupe der Politik. Handelt sie umweltfreundlich, genderneutral, angestelltenfreundlich im Sinne der Work-Life-Balance und nimmt sie auch ja kein Geld von jenen, die irgendwann als die Bösen gelten werden? Und wenn es etwas zu retten gibt: Die UBCS hat doch Geld. Alles recht und gut, aber es gibt auch die Ertrags-Kosten-Balance, ohne die alles andere auch nichts wird.
Was wäre denn mit dem Wettbewerb im inländischen Kreditgeschäft und auf dem Hypothekarmarkt. Bei der Fusion UBS-Bankverein im Jahr 1997 formulierte die Wettbewerbskommission immerhin eine Liste von Bedingungen, die den Wettbewerb schützen sollten. Und wollen wir eine Super-GrossBank, die fast zwangsläufig zur Marktführerin im Hypothekargeschäft würde, deren Zinssetzung also die Znssätze der anderen Banken mit sich zöge.
Vor allem ist eine Rettung durch die UBS — wenn wir den Behörden glauben durften — gar nicht notwendig. Die TBTF-Regulierung wurde in mehreren Schritten verschärft und verbessert. Heute kann eine Bank — mindestens ihre inländischen Teile — im Prinzip ohne Konkurs saniert werden. Bei der CS und ihren systemrelevanten Konkurrentinnen gibt es erstens die gesetzlichen Eigenmittel, die offenbar noch vorhanden sind. Zweitens gibt es zwei Tranchen von Anleihen, die automatisch von Schulden zu neuen Eigenmitteln werden, die erste bei Eigenmittelknappheit, die zweite bei einer Zwangssanierung unter Regie der Finma. Drittens gibt es die Konkursprivileg und Einlegerschutz für die „kleinen“ Einleger (bis 100’000 CHF). und last but not least, hat die Finma weitreichende Kompetenzen, eine Bank zu restrukturieren und notfalls entlang der „Sollbruchstellen“ aufzuteilen. Diese Architektur soll sicherstellen, dass Banken bei laufendem Betrieb saniert werden kömnnen und dass die Verluste von den Aktionären getragen werden, also von jenen, denen in einer Marktwirtschaft Gewinne und Verluste gehören.
Diese Regeln gehen letztlich auf die Bankenkrise der frühen 1990er Jahre — vor allem den Untergang der S+L Thun — zurück. Damals zeigte sich, dass es in der Schweiz bei einem Bankenproblem nur zwei „Lösungen“ gab: Konkurs mit Scherbenhaufen oder Rettung durch eine Gotte. Dreissig Jahre, ein Dutzend Expertengruppen sowie ein paar Gesetze später sind wir angeblich wieder am selben Punkt: Die Gotte UBS muss uns vor dem Scherbenhaufen retten.
Wenn das stimmt, sind wir einem Wolkenkuckucksheim — der Sanierung einer TBTF-Bank ohne öffentliche oder private Gönnerschaft — aufgesessen. Et mea culpa: Ich habe einen grossen Teil meines beruflichen Engagements in diese angebliche Illusion investiert. Und ich habe der Finma und der SNB geglaubt, dass der Werkzeugkasten in einer Krise angewendet und funktionieren würde. Und jetzt machen sie ihn nicht einmal auf.
Der Bundesrat sei daran erinnert, dass in vielen Ländern Banken auch einmal vorübergehend verstaatlicht wurden, bevor sie dann mit der notwendigen Geduld wieder in die Marktwirtschaft ausgewildert wurden.
Schlussbemerkung: Ich habe diesen Beitrag unter Zeitdruck, den Umständen entsprechend unvollständiger Information und im Schock über die Idee der UBCS-Fusion geschrieben. Für beruhigende Kritik bin ich äusserst dankbar.
Ich hoffe dass diesem Druck nicht nachgegeben wird. Leider wird es nicht so kommen.
@Urs Birchler: Ich machte unabhängig von UB mir dieselben Überlegungen; ausser dem witzig-denkwürdigem Titel! In dem Sinne kann ich leider keine beruhigende Kritik liefern, im Gegenteil!. Prof. Dr. Peter Haudenschild, Brugg.
Was wäre im Fall, dass die UBS die Fusion selber will? Wenn die TBTF-Regulierung so gut funktioniert hätte, dass eine Schweizer Bank in Schwierigkeiten eine geradezu unwiderstehlich gute Kaufgelegenheit ist? Jedenfalls für eine andere Schweizer Bank, die das weiss und richtig bewerten kann?
Um ein solches Angebot abzulehnen, müsste der Bund selber das Risiko übernehmen, verantwortliche Köpfe stellen und sich der Kritik aussetzen, eine privatwirtschaftliche Lösung ausgeschlagen zu haben. Ganz abgesehen von zwischenstaatlichen Verwicklungen und Rechtsstreitigkeiten mit US-Sammelklagen von Anlegern.
Es würde beim Bund einen Escher brauchen, um der UBS einen Korb zu geben und das nach Birchler’s Ausführungen ordnungspolitisch Richtige zu tun.
Ein Trost für Birchler und alle anderen an der TBTF-Regulierung Beteiligten wäre: eine Fusion mit der UBS wäre so ein Zeichen dafür, dass TBTF eben gerade sehr gut funktioniert hätte. Wie immer nicht ohne Kosten, in diesem Fall der reduzierte Binnenwettbewerb und die Risikoakkumulation.
Eine bescheidene Frage eines Laien. Warum springt der Bund nicht ein indem er bsp. die Aktienmehrheit übernimmt oder eine Staatsgarantie ausspricht (allenfalls nur der CH CS) die oberste Führungsetage saniert und dann wieder dem Markt übergibt. Die CS soll „nur“ an falscher Führung leiden. Mit einer genügenden Unabhängigkeit lässt sich das lösen.
Zur Rettung der CS gibt es nur noch eine Möglichkeit: Vor Öffnung der Bankenwelt muss für die CS genügend Sicherheiten geleistet werden.
Nachdem die bis anhin geleisteten Sicherheiten für die Fortführungsfähigkeit der CS nicht genügten, gibt es in Anbetracht des Zeitdruckes nur noch ein angemessenes Szenario: Die UBS übernimmt die CS mit entsprechenden Garantien von Bund und/oder SNB.
Dadurch, bzw. als Folge dieser Kommunikation steigt der Aktienkurs bei Börseneröffnung. Somit wird unklar, zu welchem Preis die UBS die CS von den Aktionären kaufen kann/muss. Einerseits sollte UBS nicht jeden Preis bezahlen, anderseits braucht es Sicherheiten für das Überleben der CS – und das sofort, d.h. vor Öffnung der Bankenwelt. Die heutigen Aktionäre der CS sollten nicht davon profitieren, dass die UBS mit ihrem Namen Garantien leistet. Ohne Sicherheiten beträgt der Aktienwert der CS null.
Demzufolge sollte die UBS der CS-Holding alle deren Tochtergesellschaften zu einem «fairen» Preis abkaufen. Der «faire» Preis kann mit dem Börsenschlusskurs vom Freitag, 17.03.2023 festgesetzt werden. Der Wert der CS-Holding entspricht nach diesem Verkauf dem Börsenwert der CS-Holding dem Börsenschlusskurs vom Freitag, 17.03.2023. Bei diesem Vorgang sind die CS-Aktionäre «fair» entschädigt und die Transaktion kann ohne public offering sofort abgewickelt werden.
Ein sehr schöner Kommentar von jemandem der sich damit seit Jahrzehnten auskennt – chapeau!
Es bleibt zu befürchten, dass die Grundregel; „Gewinne privatisieren – Verluste sozialisieren“ auch in diesem Fall zur Anwendung kommt.
Auch mir ist völlig schleierhaft, warum
(1) nun so hektisch nach einer Lösung gesucht wird – hat man ein solches Szenario nicht spätestens im Oktober, als die CS-CDS erstmals durch die Finanzkrisen-Decke gingen, antizipiert und Lösungen gezimmert? Schon im Frühjahr 2008 und damit Monate bevor SNB und Bund im Oktober 2008 die UBS retteten, gab der damalige SNB-Präsident Hildebrand die Konzeption einer BadBank (der nachmalige StabFund) in Auftrag
(2) ausgerechnet die UBS die CS übernehmen und daraus ein letzter Schweizer Koloss hervorgehen soll, der dann in der nächsten Krise (sie kommt garantiert) auch noch in die Knie gehen darf. Sollte der Kaufpreis tatsächlich 25 Rappen pro CS-Aktie bzw. 1 Mrd. betragen wie dem Bundesrats-Blatt (Blick) zu entnehmen ist, dann müsste dieser Betrag doch mit freundlicher lender of last resort-Finanzierung durch die SNB ebenso von einer Postfinance oder die ZKB oder gar ein Konsortium von CH-Banken oder durch einen StabFund2 aufzubringen sein. Wie die Diskussion um den passenden «Super-CEO» (…nicht Hamers, zu wenig Investmentbanking im Blut…) zeigen, kommt es nicht auf die neue Trägerschaft an, sondern auf die Führungsköpfe (…ein Königreich für einen Oswald Grübel Junior!)
Im Oktober 2001 beantragte die SAirGroup Nachlassstundung. Die Crossair war damals ihre Tochter (zuletzt freilich zu je rund 1/3 in den Händen von UBS und CS) mit einem Aktienkapital von 328.5 Mio. Im Rahmen des Projektes «Phoenix Plus» wurde das Kapital der Crossair um nominal 2.3468 Mia. auf 2.6753 Mia. (also auf das Achtfache!) erhöht. Infolgedessen flossen der Crossair Finanzmittel von 2.74 Mia. zu, mit denen sie den Betrieb der SAirGroup erwarb und fortsetzte – ab Mai 2002 unter der Firma Swiss International Air Lines AG.
Die Schweizer Banken, denen in den letzten Wochen die Kundengelder zuströmten, täten gut daran, sich rasch über eine konsortiale Rettung zu unterhalten.
Aber ich erwarte weder von Bundesbern noch aus der Finanzbranche irgendwelche vernünftigen Lösungen. Meine ganze Hoffnung ruhte auf der rettenden und fundierten Vorarbeit der SNB. So wie es aussieht, gab es eine solche diese dieses Mal aber nicht. Thomas Jordan verliess den Bernerhof um 12:15.
Im Moment habe ich dauernd Ed R. Murrow im Kopf: “Good night – and good luck.”
Ich kann mich da nur anschließen, einfach furchtbar, nichts gelernt seit der Swissair.
Notverordnung wieso???
Guter und wichtiger Beitrag. Eine UBCS wäre tatsächlich mehr als nur ein «Riesenlupf». Momentan scheint das aber ja schon wieder vom Tisch zu sein.
Noch zu «Et mea culpa: Ich habe einen grossen Teil meines beruflichen Engagements in diese angebliche Illusion investiert.» Vielleicht ein guter Zeitpunkt, nochmals diesen Beitrag von vor fünf Jahren anzuschauen: https://batz.ch/2018/02/banken-abschaffen/ Derzeit deutet schliesslich viel darauf hin, dass die traditionelle Art und Weise, mit systemischen Risiken im Finanzsektor umzugehen, tatsächlich nicht mehr funktioniert.
Die TBTF Regelung sieht zwar auf Papier sehr gut aus, wenn es aber hart auf hart kommt werden die „klassischen“ Methoden wohl doch bevorzugt. Sehr enttäuschend..
Die Massnahmen gegen das ‚too big to fail‘ funktioniert in der aktuellen CS-Krise de facto nicht, wie das Interview Andreas Ina in der NZZaS mit Andreas Ina schön aufzeigt. Grund: „Das Investement-Banking ist zwar als Division eigenständig, aber auf verschiedene Rechtseinheiten des Konzerns aufgeteilt. … (Ein solches Szenario) würde an den Finanzmärkten zu grossen Turbulenzen führen“.
Eine Auslösung der Credit Suisse Switzerland wäre als eigenständige Rechtseinheit möglich und damit der Zahlungsverkehr, der Einlegerschutzes etc, d.h. das Problem ‚too big to fail‘ zu lösen. Eine Auslösung des Investment Banking aber nicht.
Die Frage ist: Warum schaffte sich die Bank eine Struktur, wo sich, bei schlechtem Geschäftsgang des Investementbankings, zwangsweise eine ‚Geiselhaft‘ der ‚Credit Suisse Switzerland‘ ergibt?
Ja Herr Birchler, genau das ist das Wort Illusion! Wir hatten mal 2 Männer an den Spitzen dieser Banken die leider alles zerstört haben und gleichzeitig Gänster herangezüchtet haben. Diese sind leider immer noch am „funktionieren“ und haben nichts gelernt! Sogar die Swissair haben sie mutwillig zerstört! Das Image der Schweiz in schiefllage gestellt. Was erwarten Sie denn! Super Manager super Berater die alle Boni bekommen und gleichzeitig versenken sie
die Illusion in Boden! Wie Herr Grübel sagt, Wachtendlich auf!
PS, die USA denken nicht wie wir Europäer! Die CS hat die Lizenz in China bekommen vor 2 Wochen, das passt nicht allen! Die Saudische SNB wurde vorgeschoben!
In meinem ersten Kommentar legte ich dar, warum der Bund ein Angebot der UBS zur Übernahme der CS fast nicht ausschlagen kann. So ist es denn auch gekommen.
Zwar, aus den Indiskretionen während des Verhandlungsprozesses lässt sich herauslesen, dass die UBS allenfalls gar nicht so willig war. Vielleicht hat sie ihr Angebot ja erst auf Druck des Bundes abgegeben.
Wie dem auch sei – aber wäre eine Alternative wie zB eine Verstaatlichung à la suèdoise überhaupt denkbar gewesen? Wenn man sich den Bundesrat sowie die Organigramme von FINMA und EFD vor Augen führt, muss man das verneinen. Juristen, Professoren, Mathematiker, Controller. Aber kein Unternehmer, kein Praktiker, kein Wagemut. Und der alte Filz, der früher ad-hoc Kompetenz und tragfähige Teams aus dem Boden stampfen konnte – nun, der ist weg, weil man ihn weghaben wollte. Und er er scheint auch weiterhin in Verruf zu bleiben, obwohl man ihn gerade hier gebraucht hätte.
@Stefan Weisandanger, vielen Dank für den letzten Absatz. Dieser Gedankengang, er liegt so nah, war mir doch so fern. Den Nutzen von Klüngel für die Allgemeinheit sollte man also nicht unterschätzen.
Urs „Kassandra“ Birchler wird hoffentlich – zumindest hinter verschlossenen Türen – erhört und die Regierung sucht nach einer Lösung wie die UBS auf ein gesünderes Maß geschrumpft werden kann. Das nächstemal wird eine Rettung sonst nicht mehr „so einfach“. Zu hoffen, dass die UBS selbst auf die Idee kommt sich gesund zu schrumpfen, und diese Idee auch noch ausführt, dass ist wohl nicht zu erwarten.