Urs Birchler
Die NZZ hat meine Kritik an einem Artikel von Patrick Herger nicht auf sich sitzen lassen und mit dem selbstbewussten Titel “An dieser simplen Prozentrechnung scheiterte der prominente Professor“ (Printversion vom 9. März., S. 25) zurückgeschlagen. (In einer weichgespülten Online-Version dann noch: „ein prominenter Professor“).
Die Antwort der NZZ ist nicht besser als der Ursprungsartikel — wie auch viele unserer Kommentatoren zu batz.ch festgestellt haben (kudos!). Wir haben gestern sofort eine Gegendarstellung eingereicht. Sobald diese in der NZZ erscheint, werden wir hier darauf hinweisen.
Bereits hier möchte ich mich verwahren gegen unwahre und beleidigende Unterstellungen. Namentlich suggeriert Patrick Herger mit einem Scheinzitat (in Anführungszeichen) ich hätte den (aus meiner Sicht sexistischen) Ausdruck “Milchmädchenrechnung“ verwendet.
Herabmindernd klingt für mich auch die Passage in der Printversion: “Denn es handelt sich in der Tat um eine komplizierte Angelegenheit. Selbst Universitätsstudenten und Mathematikdozenten bereitet die Prozentrechnung Schwierigkeiten. Man darf hinzufügen: Dasselbe gilt für Finanzprofessoren und Direktionsmitglieder der Schweizerischen Nationalbank.“ (Ich bin seit zehn Jahren nicht mehr bei der SNB; diese hat aber immer noch Direktionsmitglieder.)
In der Online-Version wurde der Text mittlerweile angepasst. Der letzte Satz (“Dasselbe gilt…“) wurde gestrichen. Ich empfehle daher, im Zweifelsfall auch die Print-Version zu konsultieren.
Nachtrag: Die NZZ hat soeben unsere gestern umgehend eingereichte Gegendarstellung online gestellt. Dass meine Berechnung von Anfang an korrekt war, haben mittlerweile auch zahlreiche Kommentare zu meinem Artikel bestätigt. Herzlichen Dank! Und NZZ: Friede sei mit uns!
Leider ist Patrick Herger an dieser Prozentrechnung gescheitert. Die Aussage von Professor Birchler ist absolut korrekt, das Zusammenzählen der Prozentzahlen im angeführten Beispiel ist sinnlos und führt ganz offensichtlich zur falschen Entscheidung. Man braucht einfach die tatsächlich relevante Frage zu stellen: wie viel bezahle ich für die Ferien im Wert von 1000 Franken? Im Fall 1 sind es 500 Franken, im Fall 2 625 Franken (mit 50% Wahrscheinlichkeit 250, mit 50% Wahrscheinlichkeit 1000).
Also ist nicht die Sommerbuchung der Gewinner, sondern die Februarbuchung. Herger kommt zu einer völlig irrelevanten Antwort, weil er eine irrelevante Frage stellt: was generiert mehr Gewinn in Prozent? Was sich anschliessend nicht mal auf einen Geldwert abbilden lässt, da gleichzeitig mit unterschiedlichen Investments gerechnet wird (250 oder 1000), und betreffend dem mittleren Investment von Fall 2 definitiv falsch ist (Invest von 625 für den Wert von 1000 ergibt 60% Gewinn).
Ich bin sehr dankbar für die Richtigstellungen von Urs Birchler und Joe Amberg und freue mich auf die Veröffentlichung seiner Gegendarstellung. Gestern bei der Lektüre begann ich zu grübeln: Ist nun die NZZ nicht ganz bei Sinnen oder ist das bei mir der Fall? Und wie steht es mit dem Lektorat bei der NZZ? Was soll eine Prozentrechnung, wo einzig eine Wahrscheinlichkeitsüberlegung und die entsprechende Mathematik zielführend sind? Es wäre sicher nützlich, wenn bereits in der Primarschule auf die Bedeutung von Wahrscheinlichkeiten hingewiesen würde und die aller einfachsten mathematischen Überlegungen zu diesen gelehrt würden. Ich stelle immer wieder fest, dass auch einfache Wahrscheinlichkeitsüberlegungen vielen Menschen nicht vertraut sind.
Danke meinerseits. Die Gegendarstellung ist soeben aufgeschaltet worden.
https://www.nzz.ch/finanzen/private-finanzen/finanzinvestition-versus-realinvestitionzu-einer-kontroverse-in-der-nzz-ld.1605897
Selbstverständlich stimmt Urs Birchlers Kalkulation.
Nur „(Printversion vom 9. Feb., S. 25)“ stimmt nicht!
Es ist März!
Als Statistiker kann ich nur zustimmen. Prozentrechnung auf angebliche Renditen ist der völlig falsche Ansatz gewesen. Man hat 2 Handlungsoptionen mit Wahrscheinlichkeiten: 100% im Februar 500 SFR zu zahlen oder zu warten und mit 50% 250 SFR oder 50% 1000 SFR zu zahlen, macht im Mittel 625 für den Fall, dass man wartet um pokert.
Aus der Wahrscheinlichkeitsrechnung folgt messerscharf , jetzt Kaufen. Außerdem ärgert man sich über einen echten Verlust von 500 SFR mehr als über einen nicht gemachten Gewinn von 250 SFR. Auch der psychologische Aspekt ist nicht zu vernachlässigen.
Natürlich hat Herr Amberg vollkommen recht. Schon erschreckend zu sehen, wenn ein Wissenschaftsredakteur der renommierten NZZ einen Artikel über Prozentrechnen schreibt und es selbst nicht beherrscht. Solche Rechenfehler passieren leider auch regelmäßig in deutschen renommierten Tageszeitungen.
Danke! Datum ist korrigiert.
UB
„Sie können als Zahlenwert verwendet werden oder aber als eine Funktion. Im ersten Fall ist die Prozentzahl Teil des Ergebnisses, im zweiten ist sie Teil der Berechnung. Mit Beispielen wird die Sachlage klarer.“
Wolfgang Pauli würde sagen, „das ist nicht nur nicht richtig, es ist nicht einmal falsch“. Es ist einfach Unsinn.
Was mich bestürzt hat, ist nicht so sehr, dass Patrick Herger mit einem falsch gewählten und dann noch falsch berechneten Beispiel eine an sich triviale Hypothese stützten will, sondern dass er nach erfolgter Kritik sich nicht noch einmal ruhig durch den Kopf gehen lässt, was er mathematisch tut. Und dann einfach wild zurückschlägt.
Auch für mich war das ein ziemlicher Schreck am Morgen, als ich den NZZ-Artikel las. Ich habe zwischenzeitlich dem Redakteur geschrieben. Meines Erachtens gehört der Originalartikel allerdings vom Netz genommen, da er nach wie vor nachweisliche Falschaussagen enthält. – Zum Beispiel schon im Titel…
Psychologisch betrachtet liegt hier übrigens ein klarer Fall von Overconfidence vor. Beim Redakteur.
Sehr gut Herr Amberg! Ich bin froh, dass ich noch nicht alles über Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung vergessen habe. Ich nehme die Februar-/März-Buchung.
Auch mein Kollege und ich haben uns heute sehr über den Print-Artikel der NZZ echauffiert bzw. belustigt.
Mein Kollege hatte mir zuvor die besagte Rechnung als Rätselaufgabe gestellt, die ich nach dem Schema löste.
„Rendite“ von 100% im ersten Fall und bei einem Erwartungswert der Ausgaben von 625 Franken im zweiten Fall eine „Rendite“ von 60%. Die scheinbar richtige Lösung der NZZ löste dementsprechend eher Irritation aus. Der Denkfehler von Herrn Herger ist doch offenbar, dass er im zweiten Szenario des zweiten Falls nicht berücksichtigt, dass er 500 Franken „zu viel“ ausgegeben hat (im Vergleich zum Frühjahr) und dementsprechend hier einige negative Rendite hinsichtlich der Opportunitätskosten hat.
Meine zweite Rechnung war daher wie folgt: Betrachtet man den Urlaub als eine Anlage und legt ein Budget von 1.000 Franken zugrunde (da dies die max. Ausgaben sind), hat man im Fall 1 im Sommer 500 Franken in bar und einen Urlaub im Wert von 1.000 Franken, in Summe also 1.500 Franken -> 50% Rendite. Im zweiten Fall entweder 750 oder 0 Franken in bar und jeweils den Urlaub, im Mittel also Assets im Wert von 1.375 Franken -> 37,5% Rendite.
Diese Betrachtung ist natürlich abhängig von dem Budget, das man zugrundelegt, da der Urlaub ohne 1.000 Franken in bar (worst case) aber gar nicht möglich wäre, m.E. zulässig.
In den Kommentaren zu dem Ursprungsbeitrag hier im Blog habe ich diese Zahl öfters gelesen, u.a. unter der intuitiven Betrachtung eines Rabatts (50% Rabatt
in Szenario 1 sowie 75% oder 0% Rabatt ->37,5% Rabatt in Szenario 2) frage ich mich nun, welche der beiden Zahlen (60% oder 37,5%) nun korrekt sind.