Marius Brülhart und David Staubli
Die Unternehmenssteuerreform III, über die wir am 12. Februar abstimmen, kommt derzeit kaum aus den Schlagzeilen. Ein „Zahlenkrieg“ ist im Gang mit weit auseinanderklaffenden Behauptungen.
Dies ist einerseits Ausdruck einer komplexen Materie und einer facettenreichen Vorlage, bei der finanziell und volkswirtschaftlich einiges auf dem Spiel steht.
Andererseits kann man sich als interessierter Beobachter des Eindrucks schwer erwehren, es werde von offizieller Seite etwas zurückhaltend kommuniziert. So findet man im Abstimmungsbüchlein keinerlei Schätzungen über die zu erwartenden Folgen für die öffentlichen Finanzen, geschweige denn für die Gesamtwirtschaft. Die 1,1 Milliarden, die dort als einzige Zahl erwähnt werden, sind eine rein mechanische Nullsummen-Umverteilung vom Bund an die Kantone, geben aber keinen Aufschluss darauf, wie sich die vorgeschlagenen Reformen auf den konsolidierten Staatshaushalt von Bund, Kantonen und Gemeinden auswirken würden.
Wir versuchen daher in einer aktuellen Studie, etwas Licht in dieses Dunkel zu bringen. Wir fassen die zentrale Problemstellung der USRIII zuerst in ein einfaches algebraisches Modell. Das Modell stellt folgende Frage formal dar: Wo liegt, ausgehend von einer differenzierten Besteuerung mobiler internationaler Unternehmensgewinne und weniger mobiler einheimischer Gewinne, der Einheitssteuersatz, der die geringsten Einnahmeausfälle erzeugt?
Unser Modell macht klar, dass die Ausgestaltung der finanzpolitisch optimalen Unternehmenssteuerreform von drei Variablen abhängt:
1. dem Anteil der privilegiert besteuerten Gewinne vor der Reform,
2. der Steuerempfindlichkeit von privilegiert und ordentlich besteuerten Gewinnen (sprich: Elastizitäten), und
3. der steuerlichen „Ergiebigkeit“ von privilegiert und ordentlich besteuerten Gewinnen (sprich: Abzugsmöglichkeiten).
Von diesen drei Variablen ist einzig die erste einigermassen präzise bezifferbar. Unsere Berechnungen decken sich diesbezüglich mit denjenigen der Bundesverwaltung: Landesweit machen die gegenwärtig noch privilegiert besteuerten Gewinne ungefähr die Hälfte aller steuerbaren Gewinne aus.
Zur zweiten Variable wissen wir hingegen noch sehr wenig. Wie empfindlich würden die Statusfirmen auf Steuererhöhungen reagieren? Und was würden allfällige Steuersenkungen seitens der ordentlich besteuerten Unternehmen auslösen? Der Bundesrat hat es ausdrücklich vorgezogen, solche Elastizitäten nicht explizit zu schätzen. Gemäss der Devise „lieber eine ungefähre Schätzung als gar keine“ wagen wir den Versuch dennoch, und zwar mittels zwei komplementärer empirischer Ansätze mit Schweizer Daten. Unsere statistischen Auswertungen bestätigen, dass Statusgesellschaften viel stärker auf Steuerunterschiede reagieren als normalbesteuerte Unternehmen. Die Statusgewinne sind gemäss unserer Schätzungen ungefähr sieben Mal steuerempfindlicher als die ordentlich besteuerten Gewinne. Für eine umfassende Analyse der Unternehmenssteuerreform reicht eine Quantifizierung der relativen Elastizitäten jedoch nicht aus. Man benötigt auch eine Zahl für die absolute Steuerempfindlichkeit des einen oder anderen Firmentyps. Wir gehen bei den ordentlichen Firmengewinnen aufgrund eigener Schätzungen und der wissenschaftlichen Literatur davon aus, dass die relevante Elastizität irgendwo zwischen -0.1 und -0.4 liegt. Präziser können wir diesen Wert beim gegenwärtigen Forschungsstand allerdings auch noch nicht eingrenzen.
Die dritte Variable erfasst in erster Linie das Ausmass, in welchem neue Abzugsmöglichkeiten für Patenteinnahmen, Forschungsausgaben, Eigenkapitalzinsen und dergleichen die effektiv steuerbaren Gewinne reduzieren (und somit deren fiskalische „Ergiebigkeit“ schmälern). Diese Variable sollte für die Steuerverwaltungen im Prinzip zumindest grob bezifferbar sein, aber dazu wurde bislang nicht öffentlich kommuniziert.
Explizite, transparente, statistisch unterlegte und daher plausible Annahmen zur Steuerempfindlichkeit und zur steuerlichen Ergiebigkeit der beiden Kategorien von Unternehmen sind somit vonnöten. Denn ohne diesen Hintergrund ist es unmöglich, einigermassen objektiv nachzuvollziehen, ob die vorgeschlagenen Reformen – insbesondere auf kantonaler Ebene – eine optimale Reaktion auf den internationalen Druck darstellen, oder ob sie übers Ziel hinausschiessen.
Auch in Bezug auf die Steuerausfälle durch die Reduktion der Gewinnsteuersätze durch die Kantone tappen wir im Dunkeln.