Urs Birchler
Banken: Retten oder nicht? Gegenwärtig ringt Italien mit dem Rettungs-Dilemma (und mit der EU). Allgemein anerkannt ist die Devise “Staatshilfe fördert moral hazard”, d.h. eine übermässig riskante Geschäftspolitik der Banken.
Leider nur ist sie gerade dort falsch, wo staatliche Rettungen hauptsächlich vorkommen, nämlich bei sogenannt systemrelevanten Banken. Dies sind Banken, deren Untergang schwere Kosten für das Finanzsystem und die Gesamtwirtschaft mit sich zöge, im Jargon der Regulatoren SIFIs (systemically important financial institutions) geheissen.
Nachzulesen ist die Begründung in meinem neuen working paper.
In Kürze: Bei nicht systemrelevanten Instituten stimmt die Formel “Staatshilfe fordert übermässige Risiken”. Der Grund, weshalb sie bei SIFIs nicht stimmt, liegt im Wort “übermässig”. SIFIs nehmen schon übermässige Risiken, wenn weit und breit kein hilfsbereiter Staat da ist. Sie kalkulieren nämlich bei ihrer Risikowahl die Systemschäden ihres Zusammenbruchs nicht ein. Dies ist bereits moral hazard.
Kommt jetzt staatliche Rettung dazu, geschieht zweierlei. Einerseits entfallen diese Systemkosten für die Allgemeinheit. Damit steigt auch das aus gesamtwirtschaftlicher Sicht optimale Risiko der Banken. Der moral hazard würde also gemildert. Bloss nehmen andererseits die Banken mit der Aussicht auf staatliche Rettung (mit Billigung ihrer Geldgeber, wohlverstanden) noch höhere Risiken. So landen wir wieder beim ungefähr selben Übermass an Risiken der SIFIs wie in Abwesenheit des Staates.
Die Moral: Wer übermässige Bankrisiken auf Kosten der Steuerzahler nicht mag, darf die Existenz systemrelevanter Finanzinstitutionen nicht dulden. Wer umgekehrt scharfe Massnahmen gegen systemrelevante Finanzinstitutionen scheut, sollte sich nicht gegen staatliche Hilfe wehren. Jedenfalls nicht mit dem moral hazard-Argument wie Mark Carney, damals Präsident des Financial Stability Board (heute Gouverneur der Bank of England):
[t]he expectation that systemically important institutions can privatize gains and socialize losses encourages exessive private sector risk taking.
Dieses Argument ist mindestens irreführend und lenkt vom Hauptproblem, der Systemrelevanz, ab.