Urs Birchler
Die Vollgeld-Idee wurde in der Praxis bereits einmal erprobt. Und das kam so: Die USA erlebten 1837 (nachdem die Charter für die Zentralbank, die Second Bank of the United States, nicht erneuert worden war) eine schwere Wirtschafts- und Bankenkrise. In der Folge zog sich der Bundesstaat aus der Bankenregulierung zurück, und die einzelnen Staaten gingen in der Gesetzgebung getrennte Wege. New York ging über zum Free Banking, einem im wesentlichen nicht-regulierten Bankwesen, samt Ausgabe von Banknoten durch die privaten Banken. Indiana erlaubte Bankgeschäfte nur einer Staatsbank. Texas und Iowa verboten Banken überhaupt.
Einen Mittelweg wählte Louisiana mit der Banking Act von 1842. Banken wurden verpflichtet, ihre ausgegebenen Banknoten plus Depositen voll zu unterlegen mit (a) Bargeld (mindestens zu 1/3) und (b) Papieren mit Laufzeit von maximal 90 Tagen (für die übrigen 2/3). Diese Papiere durften bei Fälligkeit auf keinen Fall erneuert werden, damit keine Kurzfristigkeit vorgegaukelt werden konnte. Der liquide Teil der Bilanz hiess Movement, der langfristige Teil Dead Weight.
Das System, das dem Vollgeld (mit Silber anstatt Guthaben bei einer Zentralbank) also recht nahe kam, wurde unter dem Namen seines Erfinders Edmund J. Forstall bekannt als Forstall-System. Näheres findet sich in einem Artikel des Bankenhistorikers Bray Hammond von 1942. Das System bewährte sich nicht schlecht: In der Krise von 1857 mussten die Banken in anderen Staaten ihre Schalter schliessen — nicht aber in Louisiana.
Wie sehr sich die Erfahrung mit dem Forstall-System verallgemeinern lässt, ist umstritten. Louisiana war mit dem weltweit viertgrössten Handelshafen New Orleans auch Umschlagplatz für mexikanisches Silber, wodurch die Banken ohnehin eher liquid waren. George D. Green weist in Finance and Economic Development in the Old South: Louisiana Banking, 1804-1861 von 1972 auf einen besonders interessanten Punkt hin: Louisiana blieb vom Bankenkrach vielleicht nicht in erster Linie deshalb verschont, weil das „Vollgeld“ in der Krise die Banken stärkte, sondern weil es die Banken (aufgrund der strengen Liquiditätspflicht) bereis im vorangegangenen Boom an übermässigem Kreditwachstum gehindert hatte.
Nach dem Bürgerkrieg inspirierte Louisiana auch die Bankengesetzgebung von New York und Massachussets; indirekt sogar die spätere Bankengesetzgebung auf Bundesebene und die Gesetzgebung bei der Errichtung des Fed.
Guten Tag,
Besten Dank für das Aufgreifen des Themas „Vollgeld“.
Bitte beachten Sie die Unterschiede zwischen dem von Ihnen skizzierten 100%-Money und einer Vollgeldreform:
http://www.vollgeld.de/100-prozent-reserve-chicago-plan
Freundliche Grüsse,
Daniel Meier
(Mitglied des Vollgeld-Initiativkomitees)
Chapeau, Herr Birchler, Sie sind nicht zu stolz um über die Bücher zu gehen. Und was finden Sie darin? Interessante historische Erfahrungen, die durchaus zum Nachdenken anregen. Besten Dank – auch dafür.
Daniel Meier hat Recht, Sie scheinen zwischen 100%-money und Vollgeld keinen Unterschied zu machen. 100%-money ist eine konzeptionelle Vorstufe zu Vollgeld, und hat eben noch konstruktive Mängel.
100%-money schützt zwar die Einlagen, wenn man denn den Beteuerungen der Banken glauben will, sie hätten diese tatsächlich 100% unterlegt… Das System bleibt aber betrugs- und verwässerungsanfällig. Dazu kann im 100%-money System eine Bank mittels Kreditvergabe noch immer Geld aus dem Nichts schöpfen; die durch die Zentralbank kaum kontrollierbare Geldmengenausweitung bleibt möglich.
Vollgeld löst dieses Problem ursächlich: Banken müssen die Einlagen gar nicht unterlegen. Dafür bleiben die Transaktionskonti ausserhalb ihrer Bilanz. Der Bürger hat also die Wahl, sein Geld auf dem sicheren, unverzinslichen Transaktionskonto (=elektronisches Portemonnaie) zu halten, oder es der Bank verzinslich als Einlage auszuleihen mit allen damit verbundenen Risiken. Dazu kann die Bank kein eigenes Geld schöpfen, die Zentralbank kann also sehr genau und zeitnah die Geldmenge steuern.