Monika Bütler
(Kurzkommentar zum Abstimmungsresultat über die Masseneinwanderungsinitiative der SVP, publiziert in der Weltwoche vom 13. Februar 2014)
Die Schweiz leistet es sich, junge Frauen sehr gut auszubilden, um sie später mit fehlenden Tagesschulen, steuerlichen Fehlanreizen und Vorurteilen aus dem Arbeitsmarkt zu ekeln. Nur knapp lehnte der Souverän eine explizite Belohnung des zu Hause-bleibens ab. Die Schweiz leistet es sich auch, intelligenten künftigen Ingenieuren und vollzeitarbeitenden Ärzten die Schule zu vermiesen mit einer Pädagogik, die weiche Faktoren höher gewichtet als Mathematik und Naturwissenschaften. Über eine längere Beschäftigung älterer Menschen denken wir schon gar nicht mehr nach. Für weniger ehrgeizige und produktive Junge ist Sozialhilfe ohnehin viel attraktiver. Damit sich die Anstrengung auch für die oben unerwähnten nicht lohnt, bietet der Staat Wohnraum und Betreuung einkommensabhängig an.
Die Lücken füllten motivierte Einwanderer. Und nun?
Wir sollten die Annahme der Masseneinwanderungsinitiative wenigstens zum Anlass nehmen, über die Verschwendung einheimischer Ideen und Fähigkeiten nachzudenken. Meine Vermutung: Am Schluss kommt doch Plan B zur Anwendung. Niemand wagt, Fehlentwicklungen zu korrigieren. Gesuchte Fachkräfte kommen nach wie vor – einfach unter undurchsichtigen, teuren Kontingenten. Plan B, B für Bürokratie.
Zwei kurze Anmerkungen:
(1) MINT-Fächer wurden in der Schule in den letzten Jahren kontinuierlich aufgewertet. Das Gewicht von »harten« Fächern ist bei der Matura bei entsprechender Wahl von Wahlpflichtfächern dem der »weichen« mindestens gleichgestellt. Ob aber die breit aufgestellte Sekundarstufe II mit einer im internationalen Vergleich tiefen Maturitätsquote tatsächlich dazu führt, dass den (MINT-)Begabten die Schule verleidet, wage ich zu bezweifeln – auch wenn ich es begrüßen würde, wenn die Berufswahl und Karriereplanung an der Mittelschule einen festen Platz hätte.
(2) Das Problem nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative liegt ja nur teilweise bei den qualifizierten Personen. Wirtschaftlich bedeutsam sind auch Arbeitskräfte in Niedriglohnjobs, die zu einem hohen Anteil Ausländerinnen und Ausländer sind. Hier sehe ich kaum eine konstruktive Lösung, angefangen bei der Putzfrau, die meiner Partnerin und mir ermöglicht, einen halben Tag pro Woche mehr arbeitstätig zu sein.
«Plan B, B für Bürokratie.»
….. Beamtentum, Blanwirtschaft 🙁
@PhilippeWampfler
ich hätte mir den Ausgang der Abstimmung auch anders gewünscht. Dennoch: Es schadet nicht, zuerst einmal in Inland zu schauen.
zu 1): es geht es gar nicht so sehr um die Fächerwahl. Tatsache ist, dass viel zu vielen begabten Schüler (vor allem Knaben, aber nicht nur) die Schule bereits in der Primarschule verleidet, weil sich in den Bewertungen nicht nur die Fachkompetenz, sondern auch Arbeitsverhalten und Sozialkompetenz spiegelt (das wird teilweise explizit so kommuniziert). Einem wilden Kind wird die Note eher abgerundet als einem „lieben“. Resultat: Maturandinnenquoten von 60 und mehr Prozent. Viele „verlorene“ Schüler werden ihren Weg später schon nochmachen, Arzt oder ETH Ingenieur werden sie trotz ihren Fähigkeiten in der Regel nicht mehr.
2) Die viel höheren Arbeitslosenzahlen unter den Geringqualifizierten sprechen eine andere Sprache. Hier sind es aber tatsächlich staatliche Anreize, die viele bereits im Land ansässige vom (mehr) Arbeiten abhalten. Eine unserer Putzfrauen hat uns ins Gesicht gesagt, dass sie nicht mehr arbeiten wolle, weil sie sonst Leistungen verliere. Viele Sozialhilfebezüger arbeiten genau so viel, dass Ihnen die Hilfe nicht gekürzt wird. Geringqualifizierte ins Land zu holen und sie nachher mit staatlichen Leistungen vom arbeiten abzuhalten ist definitiv keine geschickte Einwanderungspolitik.
Danke für die Antwort, Frau Bütler. Ich verstehe zwei Aspekte nicht:
(1) Wenn Anreize wichtig sind, damit Menschen tun, was sie tun sollen – warum gilt das dann für den Arbeitsmarkt, nicht aber für die Schule? Sozialverhalten ist enorm wichtig, damit eine Klasse als ganzes lernen kann. Dafür in der Primarschule Anreize zu schaffen, leuchtet mir total ein (was aber auch daran liegen mag, dass ich Lehrer bin). Inwiefern Anreize mit einem »Verleiden« gekoppelt sind, halte ich für eine äußerst interessante Frage, auch in anderen Bereichen.
(2) Die Verbindung zwischen der hohen Arbeitslosenquote bei Gering-Qualifizierten und der fehlenden Abhängigkeit von ausländischen Arbeitnehmenden leuchtet mir argumentativ nicht ein. Heißt das, auch wenn die Putzfrauen nicht mehr putzen und die Bauarbeiter nicht mehr teeren, gäbe es genug, die diese Jobs ausführen würden?
Einen Einwand erlaube ich mir: angehenden Ärzten (und nicht nur diesen) tut die Förderung „weicher“ Fächer gut, weil sie auch die Persönlichkeit und Kreativität schulen. Nichts Schlimmeres, als wenn einem ein fachlich hochbegabter Arzt gegenübersitzt, der sich aber menschlich gesehen wie ein Holzhacker benimmt. Da finde ich die Begrenzung der Studiumsplätze an den medizinischen Fakultäten schon viel fragwürdiger.
@BarbaraS: Einverstanden. Nur: Wenn ein 6. Klässler noch etwas eckig ist, heisst dies noch lange nicht, dass er mit 25 keine Soft Skills hat. Auch Absolventen „weicher“ Studiengänge können menschlich Holzhacker sein. Die Persönlichkeit wird wohl kaum mit weichen Fächern geschult, sondern mit Projekten, ausserschulischen Aktivitäten und Freiwilligenarbeit (für die heute niemand mehr Zeit zu haben scheint).