Die shoppende Zahnarztgattin, Teil 2

Monika Bütler

Damit ich ja nicht verdächtig werde, mich mit fremden Federn zu schmücken: Das Bild der shoppenden, ihre Kinder fremd-betreuenden Zahnarztgattin stammt gar nicht von mir. Ich habe es in einer Diskussion um die Familieninitiative von SVP-Vertretern aufgeschnappt. Und es sofort adoptiert. Die SVP hat nämlich tatsächlich einen guten Punkt: Das heutige System bevorzugt Familien mit Müttern, die wenig bis gar nichts arbeiten, ihre Kinder aber fremdbetreuen lassen und den entsprechenden Abzug in der Steuerrechnung machen. Leider folgt auf die mindestens teilweise richtige Diagnose die falsche Therapie.

Mein Beitrag in der NZZ am Sonntag hat nicht nur bei der Weltwoche (wo mir unterstellt wird, ich würde „aufgeboten“, mich gegen die Familieninitiative zu äussern), sondern auch bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung Protest ausgelöst. Weil die shoppende Zahnarztgattin gar keinen Abzug vornehmen könne unter dem heutigen System. Hier die drei Gründe:

  1. Die Steuergesetze sehen vor, dass die Kosten für die Direktbetreuung in einem direkten kausalen Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit, Ausbildung oder Erwerbsunfähigkeit der steuerpflichtigen Person stehen müssen, damit diese Kosten steuerlich abzugsfähig sind (vgl. Art. 212 Abs. 2bis des Gesetzes über die direkte Bundessteuer).
  2. Ehepaare können die Kinderbetreuungskosten somit geltend machen, wenn beide gleichzeitig einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Die Eltern können nur jene Kosten abziehen, die ihnen während der tatsächlichen Dauer der Erwerbstätigkeit entstehen. Bei teilzeitlich erwerbstätigen Steuerpflichtigen können nur die während der Arbeitszeit entstandenen Kosten berücksichtigt werden.
  3. Betreuungskosten, die ausserhalb der Arbeits- oder Ausbildungszeit der Eltern angefallen sind – etwa durch Babysitting am Abend oder über das Wochenende –, können nicht abgezogen werden. Betreuungskosten, die den Eltern beispielsweise infolge Freizeitgestaltung entstehen, sind als Lebenshaltungskosten zu qualifizieren und können nicht geltend gemacht werden.

Das ist alles selbstverständlich richtig, nur verkennt die Regelung, wie schwierig es ist, dies in der Praxis umzusetzen. Die wahren Hürden liegen nämlich in der Umsetzung: „Meiner“ Zahnarztgattin genügt ein Minipensum, um den ganzen Betreuungsabzug machen zu können, wenn er tatsächlich ausgewiesen ist. Erstens wird der Beschäftigungsgrad auf der Steuererklärung und in der Regel auch auf dem Lohnausweis nirgends erwähnt. (Die im Minipensum arbeitende Zahnarztgattin kommt sogar noch in den Genuss des Zweitverdienerabzugs!) Zweitens haben die Steuerbehörden weder die Möglichkeit noch die Zeit, den Nachweis der Gleichzeitigkeit der Berufsausübung wirklich einzufordern. Das elektronische Formular zur Steuererklärung — welches ja die Umsetzung der Regeln abbilden soll — erlaubt mindestens im Kanton Zürich den Abzug auch bei einem minimalen Einkommen der Zweitverdienerin.

Und selbst wenn die Bedingungen wirklich überprüft würden: Für einen Abzug von 6000 Franken genügt der Zahnärztgattin ein 20% Pensum, damit sie sogar alle Bedingungen der Steuerverwaltung für den Abzug erfüllt. Bei 10’000 Franken wären es dann circa 35%.

Das Problem liegt anderswo: Ehepaare mit zwei Teilzeitpensen, die eigentlich nicht angewiesen sind auf eine externe Betreuung, können den gleichen Abzug machen wie zwei in Vollzeit tätige Eltern. Abzugsfähigkeit und Zweitverdienerabzug sind zudem nicht proportional (oder nur schwach proportional) zu den zur Berufsausübung erforderlichen Betreuungskosten. Das heutige System ist tatsächlich ungerecht – allerdings nicht gegenüber den Selbstbetreuuern. Es bevorzugt in kleiner Teilzeit tätige Mütter gegenüber Müttern, die Vollzeit oder in grösserer Teilzeit arbeiten und somit für die Wirtschaft (und die Steuereinnahmen) wichtig sind.(Väter natürlich auch.) Zahnarztgattinen mit Minipensum werden gegenüber 80% arbeitenden Ärztinnen krass bevorzugt.

Alles in allem stärken die Kritikpunkte der Steuerverwaltung aber meine Schlussfolgerung: Die Familieninitiative verstärkt die Bevorzugung meiner shoppenden Zahnarztgattin noch mehr. Für eine typische Mittelstandsfamilie, bei der die Mutter zu Hause bleibt,  bringt die Familieninitiative hingegen fast nichts.

PS: Herzlichen Dank an die Eidgenössische Steuerverwaltung für die Stellungnahme und die Klarstellung meines holzschnittartigen Beispiels. Es spricht für die Institutionen in diesem Land, dass die Diskussion in dieser Art möglich ist.

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