Diana Festl-Pell
Vor 60 Jahren, im Dezember 1951, wurde Erich Kästner zum Präsidenten des westdeutschen PEN (Poets, Essayists, Novelists)-Clubs gewählt. Obwohl er ab 1933 zu den verbotenen Autoren gehörte, und die meisten seiner Schriftstellerfreunde ins Exil (unter anderem die Schweiz) gingen, blieb er in Deutschland. Dass Erich Kästner niemals ein Blatt vor den Mund nahm, führt auch das folgende Weihnachtsgedicht aus dem Jahr 1928 wunderbar vor Augen.
Weihnachtslied, chemisch gereinigt
Morgen, Kinder, wird’s nichts geben!
Nur wer hat, kriegt noch geschenkt.
Mutter schenkte Euch das Leben.
Das genügt, wenn man’s bedenkt.
Einmal kommt auch eure Zeit.
Morgen ist’s noch nicht so weit.
Doch ihr dürft nicht traurig werden.
Reiche haben Armut gern.
Gänsebraten macht Beschwerden.
Puppen sind nicht mehr modern.
Morgen kommt der Weihnachtsmann.
Allerdings nur nebenan.
Lauft ein bisschen durch die Strassen!
Dort gibt’s Weihnachtsfest genug.
Christentum, vom Turm geblasen,
macht die kleinsten Kinder klug.
Kopf gut schütteln vor Gebrauch!
Ohne Christbaum geht es auch!
Tannengrün mit Osrambirnen –
lernt drauf pfeifen! Werdet stolz!
Reisst die Bretter von den Stirnen,
denn im Ofen fehlt’s an Holz!
Stille Nacht und heil’ge Nacht –
weint, wenn’s geht, nicht! Sondern lacht!