Diana Festl-Pell
Der Advent, die Zeit der Besinnung und Vergebung, scheint im Jahr 2011 in Europa, zumindest für einige politische Wortführer und krisengebeutelte Haushaltswächter, nicht ganz so besinnlich zu werden. Umso wichtiger, sich des zweiten moralischen Anspruches wieder bewusst zu werden – der Vergebung. Ganz gleich, ob religiös oder nicht: In der Weihnachtszeit finden Freunde und Familie zusammen, alte Kriegsbeile werden begraben.
Dass sich die Probleme der Menschheit seit Jahrtausenden nicht sonderlich verändert haben, mag ein kurzer Blick in das Gleichnis „Vom verlorenen Sohn“ (Lukas – Kapitel 15, 11-32; hier in Auszügen aus der schönen, alten Fassung der Luther-Bibel von 1912) belegen.
Eines der schönsten Barockbilder zu diesem Gleichnis wollen wir Ihnen ebenfalls nicht vorenthalten (Künstler war Bartolomé Esteban Murillo; 1618 – 1682).
Vom verlorenen Sohn
„Und er sprach: Ein Mensch hatte zwei Söhne. Und der jüngste unter ihnen sprach zu dem Vater: Gib mir, Vater, das Teil der Güter, das mir gehört. Und er teilte ihnen das Gut. Und nicht lange danach sammelte der jüngste Sohn alles zusammen und zog ferne über Land; und daselbst brachte er sein Gut um mit Prassen.
Da er nun all das Seine verzehrt hatte, ward eine große Teuerung durch dasselbe ganze Land, und er fing an zu darben. […] Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Da er aber noch ferne von dannen war, sah ihn sein Vater, und es jammerte ihn, lief und fiel ihm um seinen Hals und küsste ihn. Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße. Aber der Vater sprach zu seinen Knechten: Bringet das beste Kleid hervor und tut es ihm an, und gebet ihm einen Fingerreif an seine Hand und Schuhe an seine Füße, und bringet ein gemästet Kalb her und schlachtet’s; […].
Aber der älteste Sohn war auf dem Felde. […] Er aber antwortete und sprach zum Vater: Siehe, so viel Jahre diene ich dir und habe dein Gebot noch nie übertreten; und du hast mir nie einen Bock gegeben, dass ich mit meinen Freunden fröhlich wäre. Nun aber dieser dein Sohn gekommen ist, der sein Gut mit Huren verschlungen hat, hast du ihm ein gemästet Kalb geschlachtet. Er aber sprach zu ihm: Mein Sohn, du bist allezeit bei mir, und alles, was mein ist, das ist dein. Du solltest aber fröhlich und gutes Muts sein; denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist wieder gefunden.“