SNB: Mut zur Feigheit!

Urs Birchler

Die Presse berichtet, die „zuständige“ Nationalratskommission (seit wann ist eine NR-Kommission für den Wechselkurs zuständig?) liebäugle mit einer Untergrenze für den Euro von Fr. 1.30. In den letzten Tagen war der Wert von Fr. 1.25 herumgeboten worden. Bei Economiesuisse weiss man, der Gleichgewichtskurs liege zwischen 1.30 und 1.40 Franken, und für den Gewerkschaftsbund ist ohnehin kein Eurokurs zu hoch.

Mit 1.20 hat’s prima funktioniert — weshalb nicht dasselbe bei 1.30 noch mal probieren? Erstens: Die Schweiz kann die Euro-Krise nicht ohne Kosten durchstehen. Der Versuch, mit einem zu ambitionierten Wechselkursziel „geizig zu jassen“ ist deshalb riskant. Zweitens gibt es eine der Ökonomie übergeordnete Lebensweisheit: Man soll das Schicksal, wenn man einmal Glück gehabt hat, nicht herausfordern. Perfekt dargestellt in „Der Taucher“ (1797) von Friedrich Schiller: Der wagemutige Knappe holt des Königs goldenen Becher vom Meeresgrund. Der König erhöht den Einsatz, und der Knappe, erfolgstrunken, taucht noch mal. Das Ende kennen wir:

Es kommen, es kommen die Wasser all,
Sie rauschen herauf, sie rauschen nieder,
Den Jüngling bringt keines wieder.

Die Nationalbank hat mit Fr. 1.20 das Glück des Tüchtigen einmal gehabt. Klar, es könnte mit 1.25 oder 1.30 noch einmal gelingen. Aber die Finanzmärkte könnten auch zum Test ansetzen. Dann klingt das Ende so:

Es kommen, es kommen die Euro all,
Sie rauschen herauf, sie rauschen nieder,
Den Franken bringt keiner wieder.

3 thoughts on “SNB: Mut zur Feigheit!

  1. Lieber Urs, warum sprichst Du eigenlich von Euro-Krise?
    („Die Schweiz kann die Euro-Krise nicht ohne Kosten durchstehen. „)
    Der Euro ist gegenüber den wichtigsten Währungen so stark wie immer…
    Grüsse, Tilman

  2. Ja – Herr Birchler hat Recht wenn er vor einer Anhebungen der Untergrenze zum Euro abrät. Schade, dass er nicht ganz von einem Wechselkursziel abrät. Sämtliche Währungen haben zum Franken in den vergangenen Jahrzehnten an Wert verloren. Es wird dem Euro gleich ergehen. Die SNB finanziert ihre Euros durch Kredite der Geschäftsbanken. Bei einem allfälligen „Loch im EK“ der SNB müssten die Banken ihre Kredite entsprechend abschreiben. Es käme zu Konkursen bei den Banken. Durch Druck von Banknoten würde die SNB nicht verlorenes Vermögen kompensieren, sondern nur zusätzliche Schulden schaffen.

  3. Wechselkursziel für einen Währungskorb definieren!

    „Angesichts des schwindenden Vertrauens in die Wirtschaftspolitik der Euro-Länder könnte es von Vorteil sein, ein Wechselkursziel für einen Währungskorb zu definieren. In diesen könnten auch Länder eingeschlossen werden, deren Wirtschaftspolitik stabiler als diejenige in Europa und in den USA ist. Dadurch könnte das Risiko minimiert werden, dass eine unvorhersehbare und unkontrollierte Entwicklung im Euro-Raum einen verheerenden Einfluss auf die schweizerische Geld- und Währungspolitik hätte. Zwar kann die Nationalbank das Ziel für den Euro-Kurs jederzeit aufgeben. Doch ¬eine Preisgabe würde eine künftige Wechselkurspolitik mehr erschweren als der Wechsel von einer Untergrenze des Euro zu einer Untergrenze eines Währungskorbes. Die Nationalbank muss in diesen unsicheren Zeiten alles ¬daran setzen, dass der Schweizer Franken nicht in den Strudel der Schwachwährungen hinuntergezogen wird.“ Kurt Schiltknecht: Spiel mit dem Feuer, Die Weltwoche Nr. 16 vom 19. April 2012.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert