„Einhundert Batzen mein Gebot“. Dass Verträge Anreize schaffen, ist bekannt. Beispielsweise wird verlangt, Bankverantwortliche müssten mit ihrem Vermögen für Verluste der Bank haften. Das nachfolgende Gedicht rät zur Vorsicht im Umgang mit vertraglichen Strafen.
Der rechte Barbier
„Und soll ich nach Philisterart
Mir Kinn und Wange putzen,
So will ich meinen langen Bart
Den letzten Tag noch nutzen.
Ja ärgerlich wie ich nun bin,
Vor meinem Groll, vor meinem Kinn
Soll mancher noch erzittern!Holla! Herr Wirt, mein Pferd! macht fort!
Ihm wird der Hafer frommen.
Habt Ihr Barbierer hier im Ort?
Lasst gleich den rechten kommen.
Waldaus, waldein, verfluchtes Land!
Ich ritt die kreuz und quer und fand
Doch nirgends noch den rechten.Tritt her, Bartputzer, aufgeschaut!
Du sollst den Bart mir kratzen;
Doch kitizlig sehr ist meine Haut,
Ich biete hundert Batzen;
Nur, machst du nicht die Sache gut,
Und fliesst ein einz’ges Tröpflein Blut –
Fährt Dir mein Dolch ins Herze.“Das spitze, kalte Eisen sah
Man auf dem Tische blitzen,
Und dem verwünschten Ding gar nah
Auf seinem Schemel sitzen
Den grimm’gen, schwarzbehaarten Mann
Im schwarzen Wams, woran
Noch schwärzre Troddel hingen.Dem Meister wird’s zu grausig fast,
Er will die Messer wetzen,
Er sieht den Dolch, er sieht den Gast,
Es packt ihn das Entsetzen;
Er zittert wie das Espenlaub,
Er macht sich plötzlich aus dem Staub
Und sendet den Gesellen.„Einhundert Batzen mein Gebot,
Falls du die Kunst besitzest;
doch merk es dir, dich stech ich tot,
So du die Haut mir ritzest.“
Und der Gesell: „Den Teufel auch!
Das ist des Landes nicht der Brauch.“
Er läuft und schickt den Jungen.„Bist du der Rechte, kleiner Molch?
Frisch auf! fang an zu schaben;
Hier ist das Geld, hier ist der Dolch,
Das beides ist zu haben!
Und schneidest, ritzest du mich bloss,
So geb ich dir den Gnadenstoss;
Du wärest nicht der erste.“Der Junge denkt der Batzen, druckst
Nicht lang und ruft verwegen:
„Nur stillgesessen! nicht gemuckst!
Gott geb Euch seinen Segen!“
Er seift ihn ein ganz unverdutzt,
Er wetzt, er stutzt, er kratzt, er putzt:
„Gottlob! nun seid Ihr fertig.“ –„Nimm kleiner Knirps, dein Geld nur hin;
Du bist ein wahrer Teufel!
Kein andrer mochte den Gewinn,
Du hegtest keinen Zweifel;
Es kam das Zittern dich nicht an,
Und wenn ein Tröpflein Blutes rann,
So stach ich dich doch nieder.“ –„Ei! guter Herr, so stand es nicht,
Ich hielt euch an der Kehle;
Verzucktet Ihr nur das Gesicht
Und ging der Schnitt mir fehle,
So liess ich Euch dazu nicht Zeit;
Entschlossen war ich und bereit,
Die Kehl Euch abzuschneiden.“ –„So, so! ein ganz verwünschter Spass!“
Dem Herrn ward’s unbehäglich;
Er wurd auf einmal leichenblass
Und zitterte nachträglich:
„So, so! das hatt ich nicht bedacht,
Doch hat es Gott noch gut gemacht;
ich will’s mir aber merken.“