Um es vorwegzunehmen: Aus meiner ganz persönlichen Warte ist die Steuergerechtigkeitsinitiative der falsche Weg, ein gerechteres Steuersystem zu erreichen. Mit festgelegten Steuersätzen wird der Steuerwettbewerb nicht gerechter. Zumal in diesem Fall die Steueruntergrenze für Reiche aus Abstimmungstaktischen Gründen so gewählt wurde, dass der Kanton Zürich gerade nicht mehr betroffen würde. Viel gescheiter wäre es, die Mängel direkt durch eine Anpassung des Neuen Finanzausgleichs zu beheben – beispielsweise mittels einer stärkeren Gewichtung hoher Einkommen (wie im batz Beitrag von Marius Brülhart begründet ist).
Selbst wenn der Mittelstand wegen höheren Steuern für Reiche substantiell weniger Einkommenssteuern bezahlen müsste (was ich selber für unwahrscheinlich halte ): Die Schweiz bliebe für den arbeitenden Mittelstand – insbesondere für Familien – steuerlich unattraktiv. „Dank“ einkommensabhängiger Gebühren und Preisen ist die effektive Steuerbelastung für den unteren und mittleren Mittelstand nämlich oft höher als für die Reichen. Daran ändert die Initiative gar nichts.
Inhaltliche Argumente für oder gegen die Initiative hört man allerdings immer seltener. Dass die Befürworter in schriller Manier klassenkämpferisch für ihre Initiative werben, ist ihnen nicht zu verargen. Weshalb es ihnen viele Gegner der Initiative gleich tun und ohne Zwischentöne argumentieren, ist mir hingegen schleierhaft. Ab und zu hört man noch Gründe, weshalb der Mittelstand von der Initiative nicht profitiert. Doch auch diese bleiben meist vage; von den Nöten des Mittelstands mit dem heutigen Steuer- und Transfersystem redet niemand. Und was sollen denn die Stimmbürger mit der Aussage „der Föderalismus ist in Gefahr“ und den zahlreichen Neid-Vorwürfen anfangen?
Schlimmer noch: Die Argumente haben einer Kriegs- und Jagdrhetorik Platz gemacht. Patrons und ihre Organisationen erklären ihren Standpunkt nicht mehr, sondern drohen. Und statt zu diskutieren, welche Vor- und Nachteile der heutige Steuerwettbewerb hat und wie sich der Wettbewerb zu Gunsten der breiten Bevölkerung allenfalls verbessern liesse, dominiert eine „Wettbewerb ist immer und überall gut“ Ideologie. Die Angst vor Zwischentönen ist so gross, dass sich die NZZ beispielsweise nicht traute, meine NZZaS Kolumne über die Begründung der ungleichen Vermögensverteilung in der Schweiz – wie sonst eigentlich üblich – mit der aktuellen Diskussion zu verlinken: Wahrscheinlich ist das in der Kolumne einmal erwähnte Wort „Erbschaftssteuer“ im NZZ Setzkasten nicht vorhanden.
So hoffe ich, dass wir am Schluss nicht einer verpassten Chance nachweinen müssen. Auch wenn die Initiative der falsche Weg ist; es ist Zeit, über den Steuerwettbewerb vertieft nachzudenken.
Mit der Steuergerechtigkeits-Initiative werden Steuern zum absoluten Prinzip erklärt, das auch zu befolgen ist, wenn es gar keinen Sinn macht. Kantone werden gezwungen, Steuern einzutreiben, für die sie gar keine Verwendung haben. Umgekehrt verlieren die Bürger Kapital, das sie nun nicht mehr investieren können.
Man muss sich vergegenwärtigen: Wohlstand ergibt sich aus Produktion, Investitionen und Arbeit. Dazu sind Ersparnisse nötig, die in Produktionsgüter investiert werden. Um den Konsum muss man sich keine Sorgen machen, solange man werthaltige Güter produziert. Für wertvolle Produkte findet sich immer ein Konsument, irgendwo auf der Welt. Sowohl der individuelle wie auch der kollektive Wohlstand wird von Produktion getrieben, nicht von Konsum.
Nun sollte die Problematik der Initiative klar sein: Höhere Steuern beschränken Investitionen, Produktion, Privatarbeit und damit auch den allgemeinen Wohlstand. Die Steuereinnahmen des Staates fliessen zumeist in konsumartige Projekte (Über 50% der totalen Staatsausgaben in der Schweiz beziehen sich auf Sozialhilfe und Gesundheit). Mit anderen Worten: Das Geld sehen wir nie wieder. Das Kapital wird aufgebraucht anstatt produktiv eingesetzt.