Irische Weisheit

Während in der gegenwärtigen helvetischen Steuerdebatte kaum Existentielles auf dem Spiel steht, geht es in Irland um wirtschaftspolitisches Sein oder Nichtsein (sprich: Staatsbankrott). Im Moment, da die irische Regierung in Schulden zu versinken droht, denkt sie über alle möglichen neuen Einnahmequellen nach.

Nur eines schien bisher Tabu: der Unternehmensgewinnsteuersatz von 12.5 Prozent, welcher nach zwei Jahrzehnten sprudelnder ausländischer Direktinvestitionen zum Aushängeschild der irischen Wirtschaftsfreundlichkeit geworden ist. Dieser Steuersatz wurde unlängst von einer Ministerin als so unabdingbar für die irische Wirtschaft bezeichnet wie die Sonne für den französischen Wein oder die mittelständische Technik-Tradition für die deutsche Industrie.

Besonnenere Geister hingegen lassen sich nicht davon abhalten, auch über einen Tabubruch nüchtern nachzudenken. Ein gutes Beispiel ist die gestern gebloggte Analyse durch Ron Davies. Davies hat sich in seiner Forschung intensiv mit der Steuerempfindlichkeit von internationalen Investitionsströmen befasst. Er ist somit wohl der beste Kenner der Materie in Irland. Und dennoch (oder gerade deshalb!) gesteht er ein geraumes Mass an Unwissen ein. Was würde eine Anhebung des Steuersatzes auf 15 Prozent bedeuten? Dass gewisse Firmen wegziehen oder nicht zuziehen: sehr wahrscheinlich. Dass so viele Firmen wegziehen, dass die Steuereinnahmen unter der Strich sinken: nicht unbedingt, aber schwer zu sagen.

Letztlich geht es in solchen Fragen immer um die Steuerempfindlichkeit der Steuerzahler (oder, im Jargon, um die „Elastizität des Steuersubstrats“). Dass einige Steuerzahler auf Änderungen des Steuersätze reagieren ist unbestritten, ja trivial. Wie stark solche Reaktionen ausfallen ist die entscheidende Frage, und die Antwort ist selten einfach.

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