EU ist auch ohne Euro zu haben

Über die Vor- und Nachteile eines allfälligen EU-Beitritts der Schweiz kann man sich streiten, aber eine Preisgabe des Schweizer Frankens wäre zweifellos ein ökonomisches Eigentor. Kürzlich hat Avenir Suisse daher das Szenario EU-Beitritt-ohne-Euro-Beitritt zur Diskussion gestellt. Diese Option wurde darauf hin von verschiedenen Seiten als völlig unrealistisch abgetan. Dass die Europäische Kommission via Michael Reiterer vorerst einmal auf alles oder nichts pocht, ist nicht erstaunlich. Wenn jedoch sogar die NZZ darauf verweist, dass der Lissabonner Vertrag „keine Möglichkeit einer Ausnahme für neue Mitglieder andeutet“, und economiesuisse in die gleiche Kerbe haut, dann kann der Spielraum tatsächlich eng erscheinen.

Aber was sagt denn der Lissabonner Vertrag wirklich zu dieser Frage?

Der Vertrag über die Europäische Union geht davon aus, dass jedes Mitgliedland den Euro übernehmen will. Er sieht daher nur Hürden für Euro-Willige vor aber keine Sanktionen für Euro-Muffel. Eine dieser Hürden (sprich „Konvergenzkriterien“) ist wiefolgt formuliert:

Einhaltung der normalen Bandbreiten des Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems seit mindestens zwei Jahren ohne Abwertung gegenüber dem Euro“ (Art. 140.1).

Eine formelle Einbindung in den Wechselkursmechanismus ist somit eine unabdingbare Vorbedingung. Der Vertrag sagt jedoch nirgends, dass der Beitritt zu diesem System obligatorisch sei. Ganz im Gegenteil. Als der Wechselkursmechanismus 1997 in seiner heutigen Form ins Leben gerufen wurde, hielt der Europäische Rat, das oberste Gremium der EU, in einer rechtskräftigen „Entschliessung“ Folgendes fest:

Die Teilnahme an dem Wechselkursmechanismus ist für die nicht dem Euro-Währungsgebiet angehörenden Mitgliedstaaten freiwillig. Allerdings kann von den Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, erwartet werden, dass sie sich an dem Mechanismus beteiligen. Ein Mitgliedstaat, der sich nicht von Anfang an an dem Wechselkursmechanismus beteiligt, kann dies zu einem späteren Zeitpunkt tun.“ (Art 1.6)

Mitmachen ist also freiwillig – „Erwartungen“ hin oder her.

Schweden hält auf dieser Regel beruhend an seiner Krone fest, seit das Stimmvolk einen Euro-Beitritt 2003 abgelehnt hat. Und dass der Euro erst nach dem schwedischen EU-Beitritt eingeführt wurde, hat mit der währungspolitischen Toleranz gegenüber Schweden nichts zu tun, denn die Euro-Regeln waren bereits 1991 in Maastricht festgelegt worden, vier Jahre vor dem schwedischen EU-Beitritt.

Eine EU-Mitgliedschaft der Schweiz unter Beibehaltung des Frankens wäre also absolut möglich. Auch ein solcher „Beitritt Light“ stellt zur Zeit allerdings kaum unsere beste Option dar. Es wäre jedoch zu wünschen, dass sich die helvetische Europadiskussion vermehrt um die real existierende EU drehen möge.

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