Halbzeit im Match Schweiz gegen die Grossbanken: Heute hat die Expertengruppe des EFD (Vorsitz: Peter Siegenthaler) ihren Zwischenbericht publiziert. Die Grossbanken liegen in Führung — eher überraschend nach den markigen Ankündigungen der Politiker im Sinne von „nie wieder“ , wie sie nach der Rettung der UBS von links bis rechts erschallten.
Die Gegner der Rettung von Banken auf Staatskosten haben grosse Chancen ausgelassen. Der Bericht bespricht ausführlich die volkswirtschaftliche Rolle der Grossbanken (die ich hiermit ebenfalls und aus eigener Anschauung ausdrücklich würdige). Er bleibt aber lakonisch, was die Gefahren des Too Big to Fail („ein erhebliches Risiko für den Staat und das Gemeinwesen“) betrifft. Dass die Staatshaftung eine Eigendynamik aufweist, die letztlich zum Modell Island tendiert, wird dabei verharmlost.
Ein Torerfolg in der zweiten Halbzeit ist den Gegnern des TBTF durchaus zuzutrauen. Der Angriff über die Idee „Schulden, die im Problemfall automatisch in Eigenmittel gewandelt werden“, ist vielversprechend. Nur fehlt jeder Hinweis darauf, dass den Banken die Ausgabe solchen bedingten Kapitals vorgeschrieben werden sollte, und zwar in genügender Menge.
Statt dessen versuchen es vor allem FINMA und SNB immer wieder über die Linie Eigenmittel und Liquidität. Mehr Eigenmittel mag gut sein, vor allem sind weder die Banken noch die Regulatoren auch nur annähernd fähig, Kosten und Nutzen von mehr oder weniger Eigenmitteln zu abzuschätzen. Vollends zur Verzweiflung bringt mich jedoch die im Bericht lancierte (wissenschaftlich nicht weiter abgestützte) Idee, das Problem der unfreiwilligen Staatshaftung sei mit Liquiditätsvorschriften zu verhindern, wie sie gestern FINMA und SNB angekündigt haben. (Gretchenfrage an FINMA: Zählen griechische Staatspapiere als jederzeit liquid? Spanische, italienische oder britische?)
In die Kabinen geschickt haben die Behörden alle Eingriffe in die Grösse oder in die rechtliche Struktur der Bankkonzerne. Die Grossbanken haben zwar über hundert rechtlich selbständige Konzernteile, vornehmlich um Steuern zu sparen und um Regulierungen zu umgehen. Wären behördliche Wünsche, systemrelevante Teile auch rechtlich abzutrennen, vor diesem Hintergrund tatsächlich unzumutbar? Falls ja, hätten wir das gerne näher erläutert gehabt.
Die Banken sollen sich jedoch so strukturieren, dass sie im Notfall leicht aufgeteilt werden können. Das tönt gut; bloss hat mir noch nie jemand erklärt, wie eine „Sollbruchstelle“ im Ernstfall funktionieren kann. Vielleicht kommt das im Schlussbericht. Nur: Die Banken haben ein Interesse, dass die Sollbruchstellen im Ernstfall eben nicht brechen, damit die Staatshilfe wieder unvermeidlich wird. Wenn man die Konzerne schon nicht aufbrechen will, sollte die Wohlfühlterminologie der vereinfachten Auflösung im Notfall, der Sollbruchstellen oder „living wills“ ehrlicherweise auch gleich aufgegeben werden.
Für die zweite Halbzeit (bis Herbst 2010) bleibt damit im Bericht als einzige noch brauchbare Idee, die (vorzuschreibende) Emission von Schuldpapieren, die im Notfall in Eigenmittel gewandelt werden. Ganz unproblematisch sind auch diese CoCos nicht. Wetten, dass die Expertengruppe auch diesen Ball verdribbeln wird? Oder folgt doch noch ein überraschender Pass in die Tiefe?