Monika Bütler
Publiziert am 28. Dezember 2014 in der Schweiz am Sonntag
„You got the exchange rate wrong!“ (da stimmt etwas nicht mit dem Wechselkurs!) – diese Reaktion kommt prompt, wo immer ich im Ausland meine Forschung zu den schweizerischen Sozialversicherungen präsentiere,. Klar, die Schweiz sei reich, teuer, das Lohnniveau hoch, aber das von mir ausgewiesene Leistungsniveau müsse auf einem Rechenfehler beruhen. Tut es nicht. Unser Sozialstaat ist im internationalen Vergleich kaufkraftbereinigt sehr grosszügig – die Leistungen sind hoch auch im Vergleich zum verfügbaren Einkommen arbeitender Mitbürger.
Wer jetzt denkt: „Typisch! Neoliberale Ökonomin will Leistungen kürzen“, täuscht sich. In einer idealen Gesellschaft wäre die Vollversicherung erstrebenswert, auch für Ökonomen: Wer bisher netto 5000 Franken zur Verfügung hatte, soll auch nach einem Notfall gleich viel ausgeben können.
Nur ist die Gesellschaft nicht ideal. Bei einer Vollversicherung zieht nicht jeder die Arbeit der Musse vor; Arbeitsunfähigkeit lässt sich nicht immer objektiv belegen, gewisse Krankheiten noch weniger. Es ist empirisch belegt: Je höher die Leistungen, desto grösser die Wahrscheinlichkeit, dass Unberechtigte Renten beantragen und erhalten. Studien finden aber auch, dass Kontrolle ein stumpfes Instrument gegen solchen Missbrauch ist; zudem verwehrt sie einem Teil der wirklich Kranken die Unterstützung zu Unrecht. Niedrige Sozialleistungen bewirken zwar weniger Missbrauch – allerdings um den Preis einer schlechten Absicherung.
Die Schweiz ist mit ihrem grosszügigen Sozialsystem bisher nicht schlecht gefahren. Doch warum? Haben wir besonders gute Kontrollen, die unberechtigte Bezüger abschrecken? Vielleicht. Doch wichtiger ist ein anderer Grund: Die Schweiz profitiert vor allem vom Anstand ihrer Bürger. Viele, die auf dem Papier Anspruch auf staatliche Leistungen hätten, je nach Art der Unterstützung bis zu 50%, beanspruchen diese nicht.
Warum nicht? „Wil si Hemmige hei“, sang Mani Matter. Die meisten freiwilligen Nichtbezüger sind nicht einfach unwissend, sondern anständig. Sie hätten zwar Anrecht auf Hilfe, brauchen diese aber nicht. Lohnausweis und Bankkonto sind als Momentaufnahmen miserable Bilder der finanziellen Lebenssituation einer Person. Erwartete Erbschaften, künftiges Einkommen, Unterstützungen durch Verwandte und nichtgeldwertige Einnahmequellen bleiben den Behörden verborgen.
Solange die Hemmungen bestehen, bleiben die hohen Sozialleistungen und die grosszügigen Subventionen noch eine Weile finanzierbar. Aber nur dann. Während die demographische Bombe heute in aller Munde ist, spricht kaum jemand von der tickenden Anstandsbombe.
Ist der Anstand denn am bröckeln? Indizien lassen dies vermuten. Die Hemmung, Sozialleistungen zu beanspruchen, sinkt anscheinend auch in der Schweiz. Staunend liest man, dass Krippensubventionen und vergünstigte Wohnungen an Leute gehen, denen der Staat zuvor das Studium finanziert hat. Als wegen der drohenden nationalen Erbschaftssteuer eilig Vermögen und Häuser überschrieben wurden, beklagten sich die Erben über den Verlust von Subventionen für Krippen und Krankenkasse. Wie titelte doch Das Magazin einst so schön: „Wir Abzocker“.
Eines geht gern vergessen: Ein grosszügiger Sozialstaat muss erst einmal berappt werden. Je fairer die Steuerzahler die Gegenleistungen des Staates und das Steuer-Transfersystem einschätzen, desto höher ihre Steuermoral. Und je ehrlicher die Steuerzahler desto tiefer die Steuerbelastung. Wir zahlen Steuern im Vertrauen, dass sich die Mitmenschen an geschriebene und ungeschriebene Regeln halten – also auch, dass staatliche Unterstützung nicht zu einem Selbstbedienungsladen führt.
Der Anstand der Leistungsbezügee und die Moral der Steuerzahler bilden ein Gleichgewicht, welches die Schweiz so lange ausgezeichnet hat. Allerdings ein labiles. Sinkt der Anstand, leidet die Steuermoral, und der Sozialstaat ist nicht mehr finanzierbar. Mit dem Wechselkurs stimmte dann tatsächlich etwas nicht: mit dem Wechselkurs zwischen Erwerbseinkommen und Sozialleistungen.
Ich behaupte, die „Hemmungen“ bzw. der Anstand sind einfach eine Folge des Wohlstands. Viele der 30-50-Jährigen leben (noch) ohne finanzielle Sorgen, weil ihre Eltern in einer Boomzeit gelebt haben und ordentlich was beiseite legen konnte. Das heisst, die Eltern sind selber finanziell abgesichert und konnten ihren Nachwuchs bis zuletzt immer wieder finanziell unterstützen. Derart wohlbehütet ist es einfach, „Anstand“ zu wahren.
Hier sehe ich einen grossen Unterschied zwischen der Schweiz und anderen Ländern. Doch ich vermute, dieses „Sicherheitspolster“ wird über die kommenden Jahrzehnte nach und nach aufgezehrt werden. Das daran gekoppelte Sicherheitsgefühl verschwindet, der Egoismus und das Ausnutzen der Möglichkeiten nimmt zu. Deswegen muss man m.E. aber nicht die staatlichen Sicherheiten kürzen, sondern die Bezugsmöglichkeiten überprüfen und gegen Missbrauch absichern. Dass dies nicht besser gemacht wird, ist oft ein politisches Problem, nicht ein Problem der Machbarkeit.
Ich habe mich gestern schon auf Twitter zu einem Textauszug geäußert – möchte das hier kurz wiederholen. Ich habe studiert und beziehe staatliche Leistungen – Krippensubventionen sowie eine verbilligte Miete in einer Genossenschaftswohnung, die auf Baurechtsland steht.
In meinem Verständnis sind die »Sozialleistungen« die ich beziehe, ein Anreiz, so zu leben, wie ich lebe: In einer verdichteten, selbstverwalteten Siedlung; mit einem Beruf, der mir nicht das maximal mögliche Gehalt garantiert (meine Qualifikation als Gymilehrer mit Forschungstätigkeit entspricht einem BWL-Master mit MBA oder einem Anwaltsdiplom mit LLM) und in einer Familie. Die Gemeinschaft legt fest, dass meine Lebensweise gefördert werden soll. Warum sollte ich dieser Förderung gegenüber Hemmung aufbauen?
Müssen auch Menschen, die Minergie-Häuser bauen, entsprechende Förderungen zurückweisen? Sollten Straßen und der öffentliche Verkehr mit Hemmungen genutzt werden, weil sie staatlich gefördert werden?
Tatsächlich spielt sich die analoge Situation in einer selbstverwalteten Genossenschaftssiedlung ab: Gemeinsam werden Angebote beschlossen und finanziert, die nicht alle nutzen können, nutzen wollen, nutzen. Darf daraus ein Vorwurf an die konstruiert werden, welche sie nutzen können und wollen?
Ich verstehe das Problem durchaus: Das staatliche Angebot geht von einer bestimmten Ausnutzungsziffer aus. Wenn die steigt – gibt es Studien, die das belegen? – dann waren sie anders gemeint, als sie genutzt werden.
Mich würde noch interessieren, wie die Ökonomieprofessorin die „Hemmige“ erklärt. (Pardon, ich habe gerade für den Schweizer Monat einen Text fertiggeschrieben, in dem es auch um Verhaltensökonomie à la Thaler und Sunstein geht.)
Und @ Philippe Wampfler: In dreissig Jahren als Journalist habe ich mich nur gelegentlich geärgert, weil ich nie so viel verdiente wie der Gymnasiallehrer, der ich als promovierter Historiker mit Forschung, Lehre und MBA auch hätte sein können. Aber ich sagte mir immer: Es war mein freier Entscheid auf dem Markt der Lebenschancen. Ich leite daraus ganz sicher keine Ansprüche an die Gemeinschaft ab, die ich mit dem meritorischen Gut Information und Reflexion versorge.
@markusschaer
In einem wissenschaftlichen Aufsatz hätte ich nicht von „Hemmige“ gesprochen, sondern mich auf die psychologischen Grundlagen menschlichen Handelns berufen. Darauf basiert ja auch die Verhaltensökonomik.
Ja, natürlich. Aber wie erklären Sie ökonomisch die Hemmung, nicht den (finanziellen) Nutzen zu maximieren?
@markusschaer Nutzen ist nicht einfach finanzieller Gewinn, sondern eine komplizierte Kombination verschiedener Elemente. Wir bezahlen Billete im ÖV nicht, weil sich schwarz fahren nicht lohnt (es lohnt sich nämlich meistens), sondern weil wir nicht auf Kosten der Allgemeinheit reisen wollen. Dass die Ökonomen einfach den finanziellen Nutzen maximieren, ist seit mindestens 25 Jahren passé.
@Markus Schär:
Ich formuliere keine Ansprüche, sondern stelle lediglich fest, dass mein Verhalten – wie das aller anderer Menschen – durch staatliche Anreize beeinflusst wird. Auch der qualifizierte Journalist darf in Zürich in einer Genossenschaftswohnung leben und von vergünstigten Tarifen bei der Kinderbetreuung profitieren. Aber der CS-Anwalt in den meisten Fällen nicht. Mein Punkt: Das von Frau Bütler angesprochene Kriterium des Studiums, das schon staatlich finanziert war, ist bei diesen Anreizen nicht beabsichtigt.
Würde ich nicht in der Zürcher Genossenschaftssiedlung leben, hätte ich – wie die meisten meiner Berufskolleginnen und -kollegen – in der Agglomeration ein Häuschen gebaut. Auch dann gäbe es staatliche Leistungen, von denen ich profitieren würde. Anreize und Umverteilung sind enorm kompliziert und bessere Lösungen politisch enorm schwer umzusetzen. Aus meiner Sicht wäre ein zentraler Mechanismus, der staatliche Leistungen transparent macht, sehr wünschenswert. Aber das ist eine absolute Illusion.
Dass die Schweiz vom Anstand seiner Bürger profitiere, stimmt eben nur für jenen Teil, der eigentlich Leistungen beziehen könnte, dies aber nicht tut. Jene, die unter dem Deckmantel „Steuergeheimnis“ Milliarden hinterziehen, sind die wahren Schuldigen, wenn der „Anstand“ der Leistungsbezüger zunehmend schwindet. Bütlers Schlussfolgerung (Sinkt der Anstand, leidet die Steuermoral, …) ist umzukehren: Sinkt die Steuermoral, leidet der Anstand. „Sozialstaat und Anstand“ muss zwingend auch unter dem Aspekt „Steuerhinterziehung“ behandelt werden.
Super Text, spricht mir aus dem Herzen. Gerade wenn ich an türkische oder Nachbarn aus dem Balkan denke, die mit 40 Jahren ausschliesslich von Sozialhilfe leben (Rückenleiden, wer es glaubt…) und zwar in einer viel teurerer Wohnung als meine Eltern, die beide über 100% arbeiten (Ja, wer die Sache objektiv anschaut und nicht beide Augen verschliesst sieht, dass der Gebrauch und Missbrauch bei Ausländern aus Türkei und Balkan höher ist als bei z.B. Schweizern). Wenn ich dies sehe, denk ich nur: Nutze den Staat aus, solange er noch nicht ganz ausgesaugt ist, denn die anderen tun es auch. Wir haben Anreize die uns näher an Italien bringen, dort betrügt jeder bei den Steuern und wenn alle betrügen ist die Fairness wieder hergestellt.
Lösungsvorschläge: Kontrollen rapide erhöhe und in bestimmten Fällen Leistungen kürzen.
Aber bitte nicht auf die „Anständigkeit“ bauen, Leute die im heutigen System anständig sind werden ja nur bestraft (gilt auch für die unanständig Reichen, aber um die gehts jetzt mal nicht) man muss bei sozialpolitischen Fragen immer von einem Menschenbild ausgehen, indem der Mensch den kürzesten Weg zum Geld nimmt.
@Phillipe Wampfler
„Krippensubventionen sowie eine verbilligte Miete in einer Genossenschaftswohnung, die auf Baurechtsland steht.“
Wer verbilligt die Miete und was sind die Bedingungen, um eine verbilligte Miete zu bekommen? Welches Pensum arbeiten Sie als Gymilehrer?
Abgesehen davon listen Sie lauter staatliche Leistungen auf, die der Steuerzahler in einer Umverteilungsorgie der letzten Jahrezehnte beschlossen hat. Minergiehäuser, ÖV, etc. sind keine Sozialleistungen. Im weiteren subventioniert die öffentliche Hand keine Strassen. Diese werden vorbildlich von den Autofahrern selber bezahlt.
Aus meiner Lebenserfahrung der letzten 20 Jahre als Opfer eines Autobahnrasers, IV-Rentner, eine Zeitlang auch fürsorgeabhängig, ewiger Student (57 Semester inzwischen):
Anstand im Umgang mit Sozialwerken hätte einen entscheidenden Vorteil: Auf diese Weise macht man die Dinge übersichtlich. Verhandlungen sind sehr viel einfacher. Man kann erklären, was recht und anständig ist und nur dieses verlangen. Wenn das aber nicht funktioniert, so muss man „nach dem Büechli“ gehen, Schritt für Schritt sich in Gesetze und Reglemente einarbeiten. Auf diese Weise wird extrem viel Zeit und Aufmerksamkeit gebunden, die ein normaler Mensch lieber für anderes, interessanteres einsetzt.
Versicherungen und Behörden verwechseln Anstand mit Wehrlosigkeit! Als anständiger Mensch war ich dem Untergang geweiht. Ich musste jedwelchen Anstand aufgeben. Wenn für mich 800 Franken für spezielle Möbel genügt hätten, so wurde ich verhöhnt, weil der Vorschlag von mir selber kam. Danach liess ich in einer teuren Rehaklinik mit Ergotherapeutin und Ärzten einen Vorschlag machen, mit offiziellem Briefpapier und ärztlicher Unterschrift. Zwei verschiedene Versicherungen prügelten sich darum, wer die 4000 Franken bezahlen durfte. Als Student hatte ich keine Geldreserven. Ich war auf 800 Franken angewiesen, um diese Möbel zu zahlen. Am Schluss musste ich einer der beiden Versicherungen deren 4000 Franken zurückschicken.
Unter dem Strich — im Umgang mit insgesamt 15 Kassen und Kässelchen — war das Zahlenverhältnis zwischen Anstand (ausgelacht werden) und Maximumforderung (zufrieden einkassieren) ungefähr 1:3.
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Es ist eine Folge (man könnte auch sagen: Errungenschaft) des Wohlstands, dass alle ihren Lebensstil selber wählen können. Man ist nicht gezwungen, das Maximum aus seiner Ausbildung herauszuholen, sondern kann selber entscheiden, ob man auch mit einem Hochschulabschluss nur Teilzeit arbeiten und die Kinder selber betreuen oder ob man sie in subventionierten Krippen betreuen lassen will.
Wie wäre es anders umsetzbar? Müsste eine „Krippenpolizei“ das potenzielle Einkommen je nach Studienrichtung als Massstab nehmen und denen, die (aus welchen Gründen auch immer) weniger verdienen, die Subventionen streichen / kürzen? Dürfte ein Paar mit Hochschulabschluss /-schlüssen die Kinder nur noch betreuen lassen, wenn sie zusammen mind. 120% arbeiten, bzw. nur zu so viel % wie sie zusammen über 100% arbeiten?
Dazu: Anstand ist relativ: wer gut verdient und z.B. das auswärtige Studium von einem oder mehreren Kindern ganz aus der eigenen Tasche finanziert (Fr. 2’000.- pro Kind und Monat), muss m.E. kein schlechtes Gewissen haben, die Prämienverbilligung für diese Kinder zu beanspruchen, um eine kleine Kompensation dieser Kosten zu bekommen. Auch wenn es ohne diesen „Zustupf“ machbar wäre.
@Karin Schleifer
Ich denke, die Autorin meint nicht „Anstand“ im Sinn einer moralischen Kategorie, ob jemand ein schlechtes Gewissen haben soll oder nicht. Es geht eher um die Prioritäten, die jemand setzt.
A) Was will ich wirklich im Leben erreichen? Will ich erfolgreich im Beruf sein, mich weiterbilden, neues entdecken, für meine Familie da sein?
B) Entschdeidend: welche Rolle hat der Staat, haben die Sozialwerke dabei? Sind sie dazu da, mir den Rücken für den Notfall zu decken, damit ich als Student, Arbeiter, Steuerzahler ohne bedenken einfach loslegen kann? Sind die Sozialwerke dazu da, mir das Leben einfacher zu machen, wenn ich eines der in A) genannten Ziele zu erreichen suche (das wäre ungefähr was Phillip Wampfler beschreibt, oder bei Ihnen Ausbildung zahlen, Prämienverbilligung kassieren.
C) Die andere Realität ist die, die man vielerorts im Ausland findet: Dort hat der Staat die einzige Funktion, dass ich diesen wo immer ich kann, wann immer ich kann, mit welchen legalen Mijtteln auch immer ausnehmen kann, abschöpfen, was immer man zu holen vermag. Diese bedenklose, ohne irgendwelche persönlichen Schranken, das täte hier das Fehlen von Anstand ausmachen.
D) Die Motivation zur Selbstbeschränkung braucht keine moralische zu sein, auch keine Frage der Schüchternheit (Hemmige), sondern es kann auch einfach der Mut und der Stolz sein, sein eigenes Leben selber zu bestimmen, die eigene Richtung für sich selber vorzugeben. Wer nämlich den Staat schröpfen will, der muss sein Leben anpassen an die vom Staat umsorgten beruflichen und sozialen Strukturen, dass man alle Freiheit, seine Zukunft und seine Rechte zu gestalten aufgibt.
Umsorgt und verwaltet von der Wiege zur Bahre, wer von uns im Ernst will so leben?
Was war an meinem letzten Beitrag nicht genug gut, dass man diesen einfach weglöschte?
Ich rechne auch damit, dass der Sozialstaat, so wie er jetzt ist, nicht mehr allzu lange finanziert werden kann. Zwei Beispiele:
-Ausbildungszulagen für Rentner werden massiv zunehmen, weil die Leute die Kinder immer später bekommen.
-Ergänzungsleistungen, Heimbeiträge und Hilflosenentschädigungen werden kaum mehr finanzierbar bleiben, weil die Leute in den ersten Jahren des Rentenalters ihr gespartes Geld viel hemmungsloser ausgeben und ausgeben werden als frühere Generationen – und zudem immer älter und somit länger pflegebedürftig werden.
„Ein grosszügiger Sozialstaat muss erst einmal berappt werden“… Ja, Mami. Aber das müsste ja dann nicht nur für Sozialleistungen, sondern auch für Steuergeschenke an Reiche und Grossfirmen (z.B. Steuerreform im Kanton LU oder Pauschalbesteuerungsprivilegien) gelten, oder etwa nicht?
@Karin Schleifer
Den Satz von Ihnen verstehe ich nicht „Ausbildungszulagen für Rentner werden massiv zunehmen“. Warum bekommen Rentner dann mehr Ausbildungszulagen?
– Die beiden Vorgänge „Lebenserwartung“ und „Dauer der Pflegedürftigkeit“ sind dem Vernehmen nach nicht korreliert, wenn man den Medizinern glaubt. Die Lebenserwartung hängt stark von der medizinischen Versorgung ab. Wie aber jemand im Alter lebt, fit, lebendig, eigenständig im eigenen Haushalt oder aber jahrelang chronisch krank, das hängt von deren Lebensweise ab, ob die Leute sich regelmässig bewegen, Gemüse und Früchte essen. (Ich sehe das bei meinen Eltern die rasch auf die 80 zu gehen.)
Wenig Einfluss haben wir darauf, wenn die Leute mit 65 oder 70 ihr erspartes verpulvern. Aber das ist dasselbe, wenn 20 bis 25-jährige ihr Geld im viermal pro Woche im Ausgang versaufen und danach mit 30 ein „Armutsrisiko“ gebären, für dessen Versorgung der Staat aufkommen soll.
Mit Ausbildungszulagen meinte ich die AHV-Kinderrente (ca. knapp 500.- bis knapp 1’000.- /Monat). Sie wird ausgerichtet an Rentner mit Kindern unter 18 Jahren sowie Kindern in Ausbildung bis zum 25. Altersjahr. Und da die Leute die Kinder immer später bekommen, haben auch immer mehr Anspruch darauf, zumal auch die Ausbildungen tendenziell länger werden.
Statistisch ist meines Wissens schon jetzt den Zusammenhang zwischen höherer Lebenserwartung und höheren Pflegekosten nachgewiesen.
Zwischen dem Verpulvern von 25- und 65-Jährigen besteht für die Allgemeinheit ein grosser Unterschied: Die 25-Jährigen können das noch „aufholen“ während ihrer Erwerbstätigkeit, die Pensionierten nicht (zumindest nicht durch Erwerbseinkommen).
Mit dem gleichen Argument können die 65-jährigen sagen, sie hätten ihren Teil vorgeholt und sie seien nicht bereit für Junkies und Jugos hinzublättern, wenn sie nicht einmal ordentlich gepflegt werden im Altersheim.
Die 25-jährigen werden ihre Fürsorge-Geldbezüge nur zurückerstatten, wenn sie wirklich zu Vermögen kommen. Damit ist schon vorgespurt, dass sie auch nach dem Ende der Fürsorgeabhängigkeit lieber nicht allzuviel legales Einkommen erwirtschaften.
Schwarzarbeit trägt zwar zum Bruttoinlandprodukt bei, aber sie füttert nicht die Sozialwerke.