Wassergesetz: Geht die Steuerrechnung auf?

Michel Habib und Urs Birchler

Das Referendum gegen das neue Wassergesetz des Kantons Zürich kommt voraussichtlich im Frühjahr 2019 vors Volk. Umstritten ist die mögliche Privatisierung, d.h. die vorgesehene Kompetenz der Gemeinden, ihre Wasserversorgung an eine juristische Person auszulagern. Interessant sind in diesem Zusammenhang die britischen Erfahrungen mit der Wasserprivatisierung in England und Wales seit den 1980er Jahren. Was können wir daraus lernen?

Eine häufige Kritik an der Privatisierung der Wasserversorgung behauptet eine Verschlechterung der Wasserqualität. Mit wenigen Ausnahmen (z.B. das Abführen von 1,4 Mrd. Liter Abwasser in die Themse durch Thames Water) scheint jedoch die Wasserqualität in Grossbritannien nicht schlechter als beispielsweise in Frankreich oder Deutschland. Es scheint daher, dass eine Regulierung die Qualitätsstandards in der Wasserindustrie ebenso gut durchsetzen kann gegenüber Managern, bzw. Aktionäre, die nach Gewinn streben, wie gegenüber Regierungsbeamten, bzw. Politikern, die auf Stimmen aus sind.

Eine auffälliger Zug der privatisierten englischen Wasser-Unternehmen ist jedoch die explosionsartige Zunahme der Verschuldung. Aus Sicht der Unternehmen ist diese verständlich: Schuldzinsen sind steuerlich abzugsfähig, und das stabile, d.h. risikoarme Geschäft mit dem Wasser erlaubt eine relativ hohe Verschuldung. Schulden-getriebene Steuerverluste einiger Wasser-Unternehmen sind von deren Eignern, oft Private-Equity-Firmen, anscheinend tatsächlich verwendet worden, um die Steuerrechnung für andere Unternehmen in ihrem Portefeuille zu mildern. Eine Beteiligung an Wasser-Unternehmen scheint gerade für jene Firmen interessant, die verrechenbare Erträge erwirtschaften.

Sollte sich die britische Entwicklung in Zürich wiederholen, könnte dieser Steuereffekt die Privatisierungserlöse teilweise wegfressen. Vorgesehen ist zwar, dass 51 Prozent des Eigentums in der Hand der Gemeinde bleiben soll. Der Mit-Erwerber eines teilprivatisierten Wasser-Unternehmens könnte dennoch seine Steuerlast erleichtern, indem das Unternehmen hohe Schulden aufnimmt und mit den Schuldzinsen andere Einnahmen kompensiert. Der Kanton verliert dadurch einen Teil dessen, was die Gemeinde mit der Privatisierung gespart hat.

Die Lektion für Zürich: Wenn nicht klare Effizienzgewinne einer (Teil-)Privatisierung vorliegen, bedeutet diese eher eine Einladung zum Financial Engineering auf Kosten des Kantons.
(Wer erinnert sich noch an die Verkäufe und das Zurück-Leasen der Zürcher Trams durch die VBZ?)

2 thoughts on “Wassergesetz: Geht die Steuerrechnung auf?

  1. Guter Beitrag.
    Ich sehe noch eine andere Komponente. Die agency-Probleme sind zwar nicht unbedingt schlechter bei Privaten als bei öffentlichen Anbietern, aber sie gehen (wahrscheinlich) in die entgegengesetzte Richtung. Ich würde erwarten, dass die Aktionäre die Kosten höher gewichten als die Qualität, da viele von ihnen das privatisierte Zürcher Wasser ja nicht selber trinken (wenn sie z.B in London wohnen). Bei den öffentlichen Anbietern ist es umgekehrt: Sie tragen die Kosten nicht selber, werden aber für Qualitätsmängel verantwortlich gemacht, und dieser Effekt ist wahrscheinlich stärker in unserer dezentralisierten und direkten Demokratie als in UK. Im privaten System kriegen wir also „zu schlechtes“ Wasser, und im öffentlichen System „zu gutes“. Die Frage ist, in welche Richtung wir uns irren wollen. In diesem Kontext scheint mir die Antwort so klar wie sauberes Wasser, auch wenn es am Ende ein wenig mehr kosten sollte…

  2. Pingback: WASSERPOLITIK IN DER SCHWEIZ | CombiContext

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