Urs Birchler
Die Schweiz leidet — via Frankenstärke — seit Jahren an den Spannungen innerhalb der Eurozone und der EU. Der Konflikt innerhalb der EU wird oft dargestellt als Mangel an Solidarität (des Nordens) versus Mangel an fiskalischer Verantwortung (des Südens). Dass zwischen den beiden eher eine politische Komplementarität besteht als ein „Entweder-Oder“, hat kürzlich Jeroen Dijsselbloem (der frühere Chef der Euro-Gruppe) dargestellt. Sein Text wurde als SUERF Policy Note abgedruckt. Das Fazit hier im Original:
To sum up. Do not blame the EU for all problems we have. The responsibility of the member states is huge. The EU will not solve all your problems via more centralized policy and stronger institutions. Major structural reforms are still needed at national level. The EMU must become a value community. This implies more solidarity between member states and more responsibility from member states. The one goes hand in hand with the other.
Eine in Teilen kontrapunktische Sicht wäre:
1/ These: Die Schweiz leidet netto gar nicht am Euro. Drei Punkte zur Illustration: a. Gewisse Firmen leiden zwar an der vom EUR bevorteilten Konkurrenz in Süddeutschland; dafür ist die Konkurrenz aus Norditalien so gut wie ausgeschaltet. b. Das gewachsene Risiko der Währungsreserven wird durch Kaufkraftgewinne aufgewogen. c. Wirtschaft und Anleger konnten dank der Rückendeckung der EZB ihre VAR in Südeuropa auf nahezu Null zurückfahren.
2/ Dijsselbloem’s Aussage lese ich so: „Weder Solidarität noch fiskalische Disziplin lösen das grundlegende Problem. Sie gleichen bloss die Staatsdefizite im Süden aus. Das grundlegende Problem sind aber ineffiziente und mit dem EUR inkompatible Strukturen im Süden. Es braucht deshalb dezentrale Massnahmen (Dijselbloem ist kein Zentralist) zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit im Süden: effizienter Staat und Infrastruktur, freier Arbeitsmarkt, Korruptionsbekämpfung, dazu tiefere Löhne (und höhere im Norden). Dass ich (Dijselbloem) Solidarität (à contre-coeur) und Disziplin (eine Selbstveständlichkeit) erwähne, ist politisch gemeinte Gesichtswahrung für den Süden in der Hoffnung, dass die Kernbotschaft (structural reforms) überhaupt gehört wird.“