Urs Birchler
Postfinance verliert die Staatsgarantie. Ende September endet die fünfjährige Frist, die das Postorganisationsgesetz (POG) vom 1.10.2012 in Art. 15 festgelegt hatte. Da die Postfinance die Bedeutung dieser Änderung für die Kontinhaber offenbar nicht zur Zufriedenheit der Medien klärte, versuche ich’s hier:
- Die Postfinance gehört zum halben Dutzend der in der Schweiz als „systemrelevant“ eingestuften Institute. Das heisst, die Postfinance (mit strategischer Bedeutung im Zahlungsverkehr und jedem/r zweiten Stimmbürger/in als Kunden) wäre im Ernstfall „too-important-to-fail“. Sie würde (alles andere wäre grobfahrlässig) vom Staat gerettet. Abgeschaffte Garantie hin oder her.
- Einlagen bei der Postfinance sind zwar bis zu CHF 100’000 durch Esisuisse versichert — theoretisch. Deren Gesamtdeckung ist aber auf CHF 6 Mrd. beschränkt (eine Folge der unversicherbaren Grössenunterschiede im Schweizer Bankensystem). Versichert wären also nur diejenigen, die rasch genug zum Schalter rennen (und nahe genug bei einer noch nicht geschlossenen Postfiliale wohnen).
- Umstritten ist, woher der Postfinance überhaupt Gefahren drohen. Postfinance selber beklagt, dass sie keine Kredite gewähren darf und deshalb auf Anlagen mit schlechterem Rsiko-Ertragsprofil angewiesen ist. Andere sind eher froh, dass Postfinance nicht auch noch im Hypothekargeschäft — historisch gesehen Systemrisko Nummer eins — mittun darf.
Fazit: Als Kunde der Postfinance darf ich weiterhin ruhig einschlafen; nur muss ich weiterhin hoffen, nicht als Steuerzahler schlecht zu erwachen.
[Nachtrag: Ähnlich habe ich argumentiert gegenüber „Echo der Zeit“]
Es wäre überhaupt nicht grobfahrlässig, eine Bank wie die Postfinance bankrott gehen zu lassen. Ein Bankrott bedeutet nicht, dass eine Firma in Flammen aufgeht und am Schluss nur noch ein Häufchen Asche übrig bleibt. Stattdessen werden die verschiedenen Teile einer Firma an einen Konkurrenten verkauft und von diesem weiterbetrieben. Das ist keine Hexerei, sondern M&A-Alltag.
Die Begründung für staatliche Bailouts ist an den Haaren herbeigezogen. Sie ist ein Gemeinschaftswerk von selbstgerechten Staatsbeamten, schleimigen Lobby-Politikern und opportunistischen Grossbanken. Nicht umsonst besteht die Finma aus lauter ehemaligen Grossbänklern. Diese begünstigen ihre ehemaligen Arbeitgeber, indem sie ihnen explizite Bailoutgarantien geben und kleine Vermögensverwalter vom Leib halten. In einem normalen Markt ist der Marktführer der kundenfreundlichste und beste Wettbewerber. Aber bei den Schweizer Banken… denkste.
Im Gegenzug werden die Banken in einem Detailgrad reguliert, bei dem sogar Stalin himself die Freudentränen kommen würden. Tausende Staatsbeamte bei WBF, Finma usw. sind mit der Zentralplanung der Schweizer Wirtschaft und Bankenwesens beschäftigt sind. Ihre Jobs sind sinnlos, das weiss jeder, aber um ihre traurige Sowjet-Existenz zu sichern, müssen sie halt ihre Schauermärchen von wegen TBTF und Systemrelevanz verbreiten. Schluss damit!
Die Geschichte hat noch einen weiteren Beigeschmack: Den vereinten Lobbyisten ist es gelungen, dass der Gesetzgeber (ich schreibe absichtlich nicht „Volksvertreter“) die Postfinance weiterhin von der von den Banken praktizierten Kreditgeldschoepfung fernhaelt, nun aber das damals dafuer ins Feld gefuehrte Argument, naemlich die „Staatsgarantie“ (was immer das dann konkret auch heissen moege), schleift. Zusaetzlich wurde die ungeliebte Konkurrentin (weil kosteneffizient, kundenorientiert, eigenes Zahlungsverkehrssystem) den Too-big-to-fail-Einschraenkungen unterworfen, welche die Grossbanken UBS und CS fuer sich massgeschneidert mitformuliert haben, um sich gegenueber der inlaendischen Konkurrenz Vorteile zu verschaffen.
Fazit: Wer in der freien Marktwirtschaft nicht mit guter Leistung seine Position halten kann, ist gut beraten, via Lobbyisten in Bern die Konkurrenz zurueckzubinden. Das ist die wirtschaftliche Realitaet in der Schweiz. Und keiner muckt auf….