Urs Birchler
Am Donnerstag schlug das amerikanische Repräsentantenhaus (vergleichbar unserem Nationalrat) zu. Er entschied gemäss Bericht der New York Times, einen Reservefonds des Fed, d.h. der Notenbank, heranzuziehen zur Strassenfinanzierung. Aufgrund abweichender Haltung des Senats (unser „Stöckli“) geht das Geschäft an diesen zurück.
Heute hat der ehemalige Gouverneur des Fed, Ben Bernanke, auf der Homepage der Brookings Institution dazu Stellung genommen. Bernanke wehrt sich gegen den Eingriff in die Unabhängigkeit der Notenbankpolitik, weist aber vor allem auch auf dessen fiskalische Dummheit hin: Der Griff in die Kasse des Fed bringt nämlich nichts. Er führt zu einer geringeren Gewinnausschüttung an den Bund; entweder sofort (wenn der Kapitalfonds auf bisheriger Höhe gehalten werden muss) oder über die Zeit hinweg (da das Fed zur Finanzierung des Strassenbaus Bundesanleihen verkaufen muss und dadurch weniger jährliche Zinserträge erzielt).
Die Diskussion ist auch für die Schweiz wichtig. Sie zeigt erstens, wie fragil die Unabhängigkeit einer Notenbank ist. Es gibt immer ein ganz dringendes Anliegen, das (scheinbar) nicht anders finanziert werden kann als über die Notenbank (AHV, Krankenkassenprämie, Pflegeversicherung, Energiewende, x-te Röhre, …). Zweitens erinnert Bernanke daran, dass Notenbankgeld, bzw. die damit gekaufte Leistung nicht gratis ist. Drittens kann man sich zum Missbrauch der Notenbankvermögens den Umweg über einen Staatsfonds, wie er in der Schweiz von einigen gefordert wird, sparen.
Bei aller Sympathie für den amerikanischen Strassenbau: Lieber ein Schlagloch im Strassenbelag als eines in der Unabhängigkeit der Notenbank.
Geldpolitik ohne Verluste ist möglich mit einem Staatsfonds
„Es gibt bei der SNB offenbar einen Interessenkonflikt zwischen dem Ziel der Preisstabilität und der Vermögensverwaltung. Und die SNB hat am 15. Januar 2015 jenen Entscheid getroffen, zu dem sie sich aus Angst vor Verlusten gezwungen fühlte. Eines der Probleme der SNB ist, dass ihre Profite teilweise an die Kantone ausgeschüttet werden. Damit wird das Problem ihrer Verluste automatisch hochpolitisch.
Was könnte man tun, damit sich Zentralbanken in der Ausübung der Geldpolitik nicht um Verluste und Volkszorn sorgen müssen? Man könnte die Aktiven aus der Zentralbank lösen und einer anderen Institution übergeben, etwa einem Staatsfonds, der sie verwaltet. Dann müsste sich die Zentralbank nicht mehr um Verluste kümmern. Das ist ein Weg, über den vor allem die SNB nachdenken sollte.“ (Interview der NWCH vom 3. Oktober 2015 mit Prof. Charles Wyplosz, Professor für International Economics am Graduate Institute an der Universität Genf)