Monika Bütler
Veröffentlicht unter dem Titel „Was die UNO von den Katholiken lernen könnte“ in der NZZ am Sonntag, 1. November 2015
„Was feiert ihr genau an Allerheiligen?“, fragte kürzlich mein protestantisch erzogener Mann. Die Katholiken gedenken der Verstorbenen, antwortete ich. „Nicht der Heiligen?“. Ich habe mich zur Sicherheit nochmals informiert:
In den ersten Jahrhunderten der Christenheit wurde es zunehmend schwieriger, jedem der immer zahlreicheren Heiligen einen eigenen Tag zu widmen. Die Kirche fand eine Lösung: Sie führte im 4. Jahrhundert nach Christus einen Tag ein – Allerheiligen – zu dem aller Heiligen gleichzeitig gedacht wird. Bei der Wahl des Datums stand wohl das viel ältere keltische Totengedenken Pate, welches zu Beginn des Winterhalbjahres stattfand. Klug war, dass der Begriff der Heiligen weit gefasst wurde. Auch solche, die (noch) nicht heiliggesprochen wurden, fanden damit Platz im Kalender. Eingeschlossen sind selbst Heilige, um deren Heiligkeit niemand weiss als Gott. Also (fast) alle Verstorbenen.
Die Gedenktage an Heilige und Märtyrer sind heute in Vergessenheit geraten. Welche Zürcherin denkt am 11. September schon an den Tag von Felix und Regula? Heute sind die Tage profan besetzt, an Stelle des Vatikans ist die UNO getreten: Welttag der sozialen Gerechtigkeit (20. Februar), Internationaler Tag des Glücks (20. März), Internationaler Tag des Sports für Entwicklung und Frieden (6. April), Internationaler Tag der Familie (15. Mai), nicht zu verwechseln mit dem Weltelterntag (1. Juni). Der Platz reicht hier nicht für das ganze Jahr.
Unklar ist die Logik der Welttage. Die genannten beziehen sich auf Wünschenswertes. Warum dann der Weltdrogentag (26. Juni) oder – mindestens zweischneidig – der Welttag des Fernsehens (21. November)? Noch geheimnisvoller ist die Gewichtung verschiedener Anliegen. Ein Internationaler Tag der Demokratie (15. September) steht neben dem Welttoilettentag (19. November). Auf die Schweiz zugeschnitten scheint der Internationale Tag des Ehrenamtes (5. Dezember).
Dennoch bleibt die Uno-Liste lückenhaft. Kein Wunder ist sie längst durch eine Unzahl nationaler, regionaler oder lokaler oder privat deklarierter Welttage ergänzt worden. Diese reichen im Temperaturspektrum vom Welttag des Schneemanns (18. Januar) bis zum Tag der Sauna (24. September). Wer Kommerzialisierung vermutet, wird sich im vom Ostsee-Holstein-Tourismus Verein ins Leben gerufenen Weltfischbrötchentag (3. Mai) bestätigt sehen.
Die Gedenk- und Aktionstage sind mittlerweile so inflationär, dass man an alles und nichts denkt. Natürlich braucht es einen Tag der Zöllner und der Zollunion (26. Januar) und ebenso den Welthurentag (2. Juni). Doch hätte man diese mit Bezug auf das Neue Testament, das beide Branchen in einem Atemzug zu nennen pflegt, auch zusammenlegen können. Wie Allerheiligen und den datumsgleichen Weltvegantag (nicht zu verwechseln mit dem Weltvegetariertag am 1. Oktober).
Das bringt mich zu einem Vorschlag: Lasst uns für einmal von der Kirche lernen. Kippen wir alle Welt- und Allerwelts-Tage zusammen – auch diejenigen, um deren Existenz wir noch gar nicht wissen – und widmen ihnen, wie allen Heiligen, einen gemeinsamen Tag. Bettelbriefe mit „Liebe Frau B, Heute ist der Welttag des XYZ…“ kämen dann alle an diesem Tag. Das schlechte Gewissen, weil wir schon wieder zu wenig für die Umwelt (5. Juni) und die Erhaltung der Ozonschicht (16. September) getan haben, plagte uns seltener. Mit dem 29. Februar stünde erst noch ein unbelasteter Tag zur Verfügung.
Und den Rest der Zeit hätten wir Ruhe. „Aber“, so fragte mein Mann und Vater unserer Kinder, „… der Muttertag?“
sehr interessant was du geschrieben hast. Was den Muttertag betrifft: Jeder Tag sollte ein Muttertag sein, was meine Mutter betrifft, ich denke alle Tage an sie