Marius Brülhart
Irgendwann in den nächsten zwei Jahren werden wir über die landesweite Abschaffung der Pauschalsteuer abstimmen. Dabei geht es, wie die Botschaft des Bundesrates trefflich festhält, um eine Güterabwägung im „Spannungsfeld zwischen Standortattraktivität und Steuergerechtigkeit“.
Dass die Steuergerechtigkeit mit der Pauschalsteuer verletzt wird, anerkennt auch der Bundesrat. Ausländern werden gegenüber gleich reichen Schweizern Steuerprivilegien offeriert. Das läuft der horizontalen Steuergerechtigkeit („gleiche Behandlung Gleicher“) zuwider. Und reiche Ausländer kommen dank der Pauschalbesteuerung in den Genuss von tieferen Steuersätzen als weniger reiche, nicht pauschalbesteuerte Personen. Somit wird auch der vertikalen Steuergerechtigkeit (progressive Steuerbelastung) nicht entsprochen.
Angesichts der ethischen, steuersystematischen und möglicherweise aussenpolitischen Makel der Pauschalbesteuerung wird das rein ökonomische Kalkül matchentscheidend. Lohnt sich dieses System für uns, in harten Franken und Rappen ausgedrückt, derart, dass wir seine etwas abstrakteren Schönheitsfehler in Kauf zu nehmen bereit sind?
In der ökonomischen Betrachtung kommt den Steuereinnahmen zentrale Bedeutung zu. Es geht darum, ob und in welchem Ausmass diese bei einer Abschaffung der Pauschalsteuer sinken würden. Niemand wird bestreiten, dass viele der knapp 6’000 Pauschalbesteuerten dank dem Steuerprivileg in die Schweiz gezogen sind. Ebenso unbestritten ist, dass gewisse Pauschalbesteuerte auch ohne fiskalische Vorzugsbehandlung hier wohnen würden, und die Aufwandbesteuerung quasi als ungefragtes Geschenk dankend annehmen (der Ökonom spricht von Mitnahmeeffekten). Je höher der Anteil ersterer Steuerzahler, d.h. jener, die ohne Pauschalsteuer nicht in der Schweiz wohnen würden, desto höher die Steuerausfälle nach einer allfälligen Abschaffung.
Die Erfahrung des Kantons Zürich deutet darauf hin, dass die Pauschalbesteuerten gar nicht so mobil sind wie oft angenommen. Die Abschaffung der Pauschalsteuer war aus Sicht der Zürcher Steuereinnahmen in etwa neutral, denn die zusätzlichen Einnahmen auf verbliebene ehemals Pauschalbesteuerten machten die wegzugbedingten Steuerausfälle ziemlich genau wett.
Nun haben wir auch erste Angaben zum Kanton Baselland, wo die Pauschalbesteuerung seit Anfang dieses Jahres nicht mehr gilt. Die Fallzahlen sind so klein, dass man sich vor Verallgemeinerungen hüten muss. Von 16 ehemals Pauschalbesteuerten sind bisher 8 ins Ausland oder in einen anderen Kanton weggezogen. Wie sich das auf die kantonalen Steuereinnahmen auswirkt, wird man erst im Frühjahr 2014 wissen. Aber bereits jetzt kann man festhalten, dass es erstaunlich ist, dass offenbar ein geraumer Anteil der betroffenen Personen dem Baselbiet die Stange hält. Baselland ist nämlich umgeben von Kantonen mit tieferer Steuerbelastung (plus intakter Pauschalbesteuerung!). Zudem hat Baselland im Einkommensbereich zwischen 500’000 und 1 Million Franken die vierthöchste Grenzsteuerbelastung der Schweiz (s. hier, Seite 16), und auch die Vermögenssteuersätze sind relativ hoch (Seite 51).
Falls also sogar im Kanton Baselland, mit seinen nahe gelegenen steuerlich attraktiveren Alternativdestinationen, ein Drittel bis die Hälfte der Ex-Pauschalbesteuerten nicht wegzieht, dann ist es schwer vorstellbar, dass im Falle eine landesweiten Abschaffung mehr als die Hälfte der Pauschalbesteuerten abwandern würde. Aber die Abschaffung der Pauschalsteuer führt gemäss meiner groben Schätzung erst bei einer Abwanderungsrate von über 50% zu Netto-Steuerausfällen.
Die Baselbieter Zahlen liefern somit einen weiteren kleinen Hinweis darauf, dass die Pauschalsteuer nicht das Bombengeschäft ist, für welches sie oft gehalten wird.
Die Annahme, mit der Abschaffung der Pauschalbesteuerung werde Steuergerechtigkeit hergestellt, ist leider ein frommer Wunsch. Bei ausländischen Staatsbürgern mit Wohnsitz oder Aufenthalt in der Schweiz, die hier keine Erwerbstätigkeit ausüben (Voraussetzung für die Besteuerung nach Aufwand), ist die Überprüfung der tatsächlichen ausländischen Einkommen und Vermögen durch den Fiskus schwierig wenn nicht unmöglich. Gerade deshalb ist ja die Pauschalbesteuerung ursprünglich eingeführt werden, da sich nur die hiesigen Einkommens- und Vermögensfaktoren mit hinreichender Sicherheit überprüfen lassen. Die Überführung der Pauschalbesteuerten in die ordentliche Veranlagung bringt somit bloss eine scheinbare, nicht aber eine tatsächliche Steuergerechtigkeit, ist auf der anderen Seite aber mit hohem Bearbeitungsaufwand für die Steuerbehörden verbunden…