Mietzinsakrobatik

Der Mieterverband ist empört. In 10 Jahren sind die Durchschnittmieten um mehr als 20% gestiegen (es sind genau 21.2%). Flugs – wie könnte es anders sein – folgt der Ruf nach staatlichen Massnahmen; eine stärkere Regulierung der Wohnungspreise, Mindestlöhne.

Doch wie hoch sind die Preissteigerungen wirklich? Immerhin sind in der Vergleichsperiode auch Preise und Löhne gestiegen. Hier also die Zahlen: Das Bruttoinlandprodukt pro Kopf der Bevölkering stieg zwischen 2000 und 2010 um 21.5% also ziemlich genau gleich viel wie die Durchschnittsmieten. Der Anteil des Einkommens, welches für die Miete aufgewendet werden muss, blieb somit genau gleich hoch. Die Löhne stiegen tatsächlich etwas weniger stark, um 16.4%. Entscheidend für die Belastung ist allerdings das Haushalteinkommen, welches wegen der höheren Arbeitsmarktbeteiligung der Frauen etwas stärker gestiegen sein dürfte als das Durchschnittseinkommen (daher auch der Vergleich mit dem BIP/Kopf).

Weitere Faktoren bleiben beim empörten Vergleich auf der Strecke: Die Grösse der Wohnungen dürfte gestiegen sein, ebenso die Qualität und Ausstattung (wer wäscht heute noch von Hand ab?).

In der Tendenz geben wir vielleicht tatsächlich einen etwas grösseren Teil unseres Einkommens fürs Wohnen aus. Doch gleichzeitig sinken die Kosten anderer Güter (Freizeit, Mobilität, Unterhaltungselektronik). Ich kann mich nicht erinnern, dass es bei sinkenden relativen Kosten einen Zeitungsartikel gab.

Falls überhaupt, hätte die Klage über steigende Mietpreise 10 Jahre früher kommen sollen. Zwischen 1990 und 2000 stiegen die Durchschnittsmieten um 29%, die Löhne aber nur um 23% und das Bruttoinlandprodukt pro Kopf der Bevölkerung sogar nur um 20%.

5 thoughts on “Mietzinsakrobatik

  1. „Bruttoinlandprodukt pro Kopf der Bevölkering stieg zwischen 2000 und 2010 um 21.5% also ziemlich genau gleich viel wie die Durchschnittsmieten. Der Anteil des Einkommens, welches für die Miete aufgewendet werden muss, blieb somit genau gleich hoch.“

    Diese Logik verstehe ich nun ganz und gar nicht.

  2. @Franz: Ob eine 20% Mietzinserhöhung hoch oder tief ist, braucht es einen Referenzwert, mit dem diese Erhöhung verglichen werden kann. Idealerweise das verfügbare Einkommen pro Haushalt. Nur sind dazu die Daten notorisch unzuverlässig. Zwei Alternativen bieten sich an: 1) Die Entwicklung des Durchschnittslohnes pro Kopf. 2) Das Gesamteinkommen pro Kopf der Bevölkerung. Beide haben – neben dem Vorteil der guten Messbarkeit – den Nachteil, dass die Angaben nicht pro Haushalt vorhanden sind. Zudem werden Änderungen in der Verteilung, Steuern/Transfers, demographische Veränderungen nur teilweise oder gar nicht berücksichtigt.

  3. Die Durchschnittswerte von BIP, Löhnen und Mietpreisen sagen wenig aus über die tatsächlichen Verhältnisse. Die Verteilung auf Einkommensklassen und Kantone und Städte käme der Problematik weit näher. Ist es zu begrüssen, wenn heute beide Ehepartner 100% tätig sein müssen, um ihre Wohnung finanzieren zu können? Wie war das vor 50 Jahren? Nimmt das verfügbare reale Haushalteinkommen heute nicht ab, weil wir immer mehr für Krankenkassenprämien, Pendlerkosten und Wohnungsmieten ausgeben müssen?

  4. @Alex Schneider: Ja, nur fehlen die genauen Daten. Mit dem verfügbaren Einkommen ist es so eine Sache. Höhere Mietkosten sind nicht nur auf höhere Mietpreise pro m2 sondern auch auf einen höheren Platzbedarf (also auf eine Wahl, die die Individuen selber treffen) zurückzuführen. Die vorhandenen Daten lassen aber durchaus den Schluss zu, dass tendentiell mehr Mittel für Wohnen ausgegeben werden müssen. Auf der anderen Seite sanken die Steuern (ja, auch für den Mittelstand), erhöhten sich die Subventionen und sanken die Kosten anderer Güter relativ zum Einkommen (Lebensmittel, Elektronik, Kleider, Freizeitaktivitäten).
    @Kyriacou: Mir sind keine Zahlen bekannt, ist aber ein guter Punkt. Versuche es herauszufinden

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