Urs Birchler
Der Verwaltungsratspräsident der UBS referiert am 7. Februar an einer Veranstaltung der Paulus-Akademie zum Thema „Mit Werten führen. Erfolgsrezept oder Phrase?“. Es sei denn, es gehe nach dem Willen des Präsidenten der evangelisch-reformierten Kirche Glattfelden. Er möchte Bankier Weber zuerst in die Qualifikationsrunde schicken. Der Tages-Anzeiger von heute (S. 19) zitiert ihn: „Wenn er [Axel Weber] seinen Job einige Jahre lang gut macht, kann man wieder darüber reden.“
Ein recht selbstbewusstes Statement gegenüber einem — soweit ich weiss — unbescholtenen Mann mit einem beeindruckenden Leistungsausweis. Aber in der Kirche Glattfelden gilt offenbar die Schuldvermutung, ganz nach Römer 3:23 (gemäss Zürcher Bibel: „Alle haben ja gesündigt und die Herrlichkeit Gottes verspielt.“)
Dies illustriert einen bedenklichen Aspekt der Ethikdebatte: die Selbstherrlichkeit der selbsternannten Sittenwächter. Einzelfall? Leider nein, siehe unseren früheren Beitrag. Ein schlechtes Gewissen beim Inkasso der Kirchensteuer von Unternehmen wie der UBS kommt dabei nicht auf. Und schon gar nicht die Idee, dass der VR-Präsident der grössten Schweizer Bank vielleicht Gescheiteres zu tun hätte, als Ethikvorträge zu halten.
Der Glattfelder Kirchenpräsident wird (immer laut TA) höchstens „unter heftigem Protest“ teilnehmen (was immer das konkret bedeuten mag.) Aber, was reg‘ ich mich denn auf — als Ökonom solle ich wissen, dass Organisationen mit schmelzendem Marktanteil gerne auf sonderbare Ideen kommen.
So eine dumme Populistik des Herrn Kirchenpräsidenten (wenn es stimmt, was der Tagesanzeiger berichtet) … und das von einem Exponenten einer „Branche“, die ja auch nicht ausschliesslich für „sündenfreie“ Mitglieder bekannt ist. Was würde der Herr sagen, wenn ihn eine solche Vor(ver)urteilung bezüglich Missbrauchsfällen in zahlreichen Kirchen/ kirchennahen Institutionen treffen würde, obwohl er persönlich völlig unbescholten ist.
Ich bin nicht bibelfest, aber war da nicht was mit den Pharisäern …?
Wenn man die Auftritte früherer Spitzenexponenten der UBS, die sich gerade zum Libor-Skandal in England äusserst eloquent nicht geäussert bzw. dumm gestellt haben, verstehe ich den Wunsch des Herrn Kirchenratspräsidenten irgendwie, auch wenn ich ihn nicht gutheissen muss. Ich finde durchaus, dass die selbsternannten und von der Wirtschaftspresse hochgejubelten Verantwortungsträger auch einmal zeigen sollen, dass sie Verantwortung tragen können. Wer seinen hohen Lohn mit Hinweis auf seine grössere Verantwortung rechtfertigt, sollte diese auch einmal „ausnahmsweise“ wahrnehmen. Aber das sind nur die Gedanken eines sozialistisch angehauchten nicht-Ökonomen (nur 4 Semester VWL im zweiten Nebenfach) …