Inke Nyborg
Dieser Tag ist Sándor Márai gewidmet, einem ungarischem Schriftsteller (1900-1989), der einundvierzig Jahre seines Lebens im Exil verbrachte. Die erste Station seiner Emigrationsjahre war – wie für viele – die Schweiz. Eine Einladung zu dem Rencontre Internationales, einem jährlich stattfindenden Symposium von Schriftstellern und Wissenschaftlern, brachte ihn im Alter von 48 Jahren von Budapest nach Genf. Seine Wanderjahre endeten in San Diego.
Über den Monat Dezember schrieb Márai, dass dieser Monat ein Fest sei.„Als würden ständig Glocken geläutet, weit weg, hinter den Schleiern aus Nebel und Schnee.“ Seine Kindheit verbrachte er in Kaschau (Kassa), einer kleinen ungarischen Stadt, welche heute slowakisch ist. In seinem Buch Die Vier Jahreszeiten beschreibt er das Warten auf Weihnachten. „In unserer Kindheit haben wir schon am ersten Tag dieses Monats mit blauen und grünen Farbstiften einen Christbaum mit einunddreissig Ästchen auf einem Bogen Papier gezeichnet. Klopfenden Herzens wurde jeder Morgen markiert, gleichsam ein Ast dieses symbolischen Baumes abgeknickt. So näherten wir uns dem Fest. Die Aufregung des Wartens wurde auf diese Art fast ins Unerträgliche gesteigert.“
An einem Tag wie heute, zwei Wochen in die Adventszeit, mögen die Gefühle überwältigend gewesen sein. Márai erinnerte sich: „Gegen Mitte des Monats, als das Ereignis immer näher rückte, hatte ich abends schon regelmässig Temperatur und erzählte dem Kindermädchen fiebrig-stotternd von meinen Wünschen. Was ich nicht alles wollte! Eine Dampfeisenbahn und eine Schaffnerzange zum Fahrkartenzwicken, ein richtiges Theater mit Logen, Schauspielerinnen und Rampenlicht, ja sicher auch mit Kritikern und mit den Näherinnen, die bei der Generalprobe dabei sein dürfen und dann schlecht über das Stück reden. Darüber hinaus wünschte ich mir ein polnisches Mäntelchen, sodann Indien, Amerika, Australien und den Mars.“ Und: “ All das natürlich in Seidenpapier verpackt und mit Engelshaar geschmückt.“